Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B 74/2011

Urteil vom 27. April 2011
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Raselli, Merkli,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Victor Benovici,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Wilfried Caviezel,

Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7000 Chur.

Gegenstand
Einstellung der Strafuntersuchung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 10. Januar 2011 des Kantonsgerichts von Graubünden, II. Strafkammer.

Sachverhalt:

A.
X.________ reichte am 10. März 2010 bei der Staatsanwaltschaft Graubünden gegen ihren Ehemann Y.________ Strafanzeige ein wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten. Gestützt darauf eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden am 30. März 2010 eine Strafuntersuchung gegen Y.________ und beauftragte das Untersuchungsrichteramt Chur mit deren Durchführung.

Am 5. Oktober 2010 stellte die Untersuchungsrichterin mit Genehmigung des Ersten Staatsanwalts das Strafverfahren gegen Y.________ ein. Gegen diese Verfügung erhob X.________ Beschwerde ans Kantonsgericht von Graubünden und beantragte, die Staatsanwaltschaft sei zu verpflichten, das Strafverfahren gegen Y.________ fortzusetzen.

Das Kantonsgericht wies die Beschwerde am 10. Januar 2011 ab, soweit es darauf eintrat.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen kantonsgerichtlichen Entscheid aufzuheben.

C.
Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft verzichten auf Vernehmlassung. Y.________ beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

X.________ hält in ihrer Replik an der Beschwerde fest.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid bestätigt, dass das von der Beschwerdeführerin angestrebte Strafverfahren eingestellt bleibt. Er schliesst damit das Verfahren ab. Es handelt sich um den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
2    Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über:
a  Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind;
b  den Vollzug von Strafen und Massnahmen.
, Art. 80 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 80 Vorinstanzen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
2    Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 200749 (StPO) ein Zwangsmassnahmegericht oder ein anderes Gericht als einzige kantonale Instanz entscheidet.50
, Art. 90
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 90 Endentscheide - Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen.
BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist, sofern die Beschwerdeführerin befugt ist, sie zu erheben.

2.
2.1 Der erste Entscheid in dieser Sache erging am 5. Oktober 2010 nach der bis Ende 2010 in Kraft stehenden Strafprozessordnung des Kantons Graubünden vom 8. Juni 1958 (StPO/GR). Am 1. Januar 2011 trat die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0) in Kraft (AS 2010 1881), welche die kantonalen Strafprozessordnungen ablöst. Nach der einschlägigen Übergangsbestimmung von Art. 453 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 453 Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällte Entscheide - 1 Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt.
1    Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt.
2    Wird ein Verfahren von der Rechtsmittelinstanz oder vom Bundesgericht zur neuen Beurteilung zurückgewiesen, so ist neues Recht anwendbar. Die neue Beurteilung erfolgt durch die Behörde, die nach diesem Gesetz für den aufgehobenen Entscheid zuständig gewesen wäre.
StPO ist auf Rechtsmittel gegen vor dem 1. Januar 2011 gefällte Entscheide das bisherige Recht anwendbar. Das Kantonsgericht beurteilte die Beschwerde am 10. Januar 2011 daher zu Recht nach den Bestimmungen der StPO/GR, welche auch für die vorliegende Beschwerde massgebend sind (Art. 454 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 454 Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällte Entscheide - 1 Für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt werden, gilt neues Recht.
1    Für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt werden, gilt neues Recht.
2    Für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide höherer Gerichtsinstanzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nach bisherigem Recht gefällt werden, gilt das bisherige Recht.
StPO).

2.2 Vor der Einführung der Schweizerischen Strafprozessordung hatte die Beschwerdeführerin als Geschädigte nach konstanter Rechtsprechung kein rechtlich geschütztes Interesse, die Einstellung eines Strafverfahrens in der Sache anzufechten, da der Strafanspruch dem Staat zusteht. Trotz fehlender Legitimation in der Sache konnte die Beschwerdeführerin indessen in jedem Fall die auf eine formelle Rechtsverweigerung hinauslaufende Verletzung von Parteirechten rügen ("Star-Praxis"; BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 198).

2.3 Nach Art. 82 Abs. 1 und 2 StPO/GR kann der Untersuchungsrichter ein Strafverfahren mit Genehmigung der Staatsanwaltschaft einstellen, wenn das Vorliegen eines Straftatbestandes nicht genügend dargetan ist. Das Kantonsgericht hält diese Voraussetzungen im angefochtenen Entscheid für erfüllt und dementsprechend die angefochtene Verfahrenseinstellung für rechtens.

Die Beschwerdeführerin legt in der Beschwerde einzig dar, dass die Verfahrenseinstellung aus ihrer Sicht sachlich verfehlt ist. Dazu ist sie nicht befugt. Verfahrensrügen im Sinn der oben erwähnten "Star-Praxis" erhebt sie keine.

3.
Auf die Beschwerde ist somit mangels Legitimation der Beschwerdeführerin nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Sie hat ausserdem dem obsiegenden Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden und dem Kantonsgericht von Graubünden, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. April 2011
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Aemisegger Störi
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1B_74/2011
Date : 27. April 2011
Published : 15. Mai 2011
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Einstellung der Strafuntersuchung


Legislation register
BGG: 66  68  78  80  90
StPO: 453  454
BGE-register
133-I-185
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