Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2011.26

Beschluss vom 26. August 2011 I. Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Tito Ponti, Vorsitz, Emanuel Hochstrasser und Joséphine Contu , Gerichtsschreiber Sarah Wirz

Parteien

Kanton Thurgau, Generalstaatsanwaltschaft,

Gesuchsteller

gegen

Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
1    Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
2    Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid.
3    Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
StPO)

Sachverhalt:

A. Am 11. Januar 2011 wurde von der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern gestützt auf Art. 309
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 309 Eröffnung - 1 Die Staatsanwaltschaft eröffnet eine Untersuchung, wenn:
1    Die Staatsanwaltschaft eröffnet eine Untersuchung, wenn:
a  sich aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige oder aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatverdacht ergibt;
b  sie Zwangsmassnahmen anordnet;
c  sie im Sinne von Artikel 307 Absatz 1 durch die Polizei informiert worden ist.
2    Sie kann polizeiliche Berichte und Strafanzeigen, aus denen der Tatverdacht nicht deutlich hervorgeht, der Polizei zur Durchführung ergänzender Ermittlungen überweisen.
3    Sie eröffnet die Untersuchung in einer Verfügung; darin bezeichnet sie die beschuldigte Person und die Straftat, die ihr zur Last gelegt wird. Die Verfügung braucht nicht begründet und eröffnet zu werden. Sie ist nicht anfechtbar.
4    Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf die Eröffnung, wenn sie sofort eine Nichtanhandnahmeverfügung oder einen Strafbefehl erlässt.
StPO unter anderem gegen eine „unbekannte Thailänderin namens A.“ eine Strafuntersuchung eröffnet wegen Menschenhandel, Prostitution und qualifizierter Widerhandlung gegen das Ausländergesetz (Ordner Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Aktion 36, uT A., Band I, Faszikel 1: Eröffnungsverfügung). Dieser formellen Eröffnung waren Ermittlungen der Kantonspolizei Bern vorausgegangen, die bereits im März 2010 zu formellen Befragungen führten (a.a.O., Faszikel 9, Bericht der Kantonspolizei Bern vom 8. April 2010 inkl. Beilagen). Diese Ermittlungen führten spätestens ab dem 10. Januar 2011 mit grosser Wahrscheinlichkeit zum Schluss, dass es sich bei der „unbekannten Thailänderin namens A.“ um B., wohnhaft in Y. (Kanton Thurgau) handeln muss (a.a.O., Faszikel 6, Einvernahme C. vom 10. Januar 2010, S. 4 oben und Beilage). Am 14. Juni 2011 wurde von der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen TG ebenfalls ein Strafverfahren wegen Menschenhandels eröffnet, unter anderem auch gegen B. (Ordner 1 Staatsanwaltschaft Kreuzlingen, Verfahren No. SUV_K.2011.594, vor Faszikel 1, Eröffnungsverfügung). Dieser Eröffnung waren Ermittlungen und Zwangsmassnahmen der Kantonspolizei Thurgau ab dem 7. Juni 2011 vorausgegangen (a.a.O., Faszikel 1, Rapport der Kantonspolizei Thurgau vom 14. Juni 2011).

B. Mit Ersuchen um Verfahrensübernahme vom 15. Juni 2011 gelangte die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen (nachfolgend „Kanton Thurgau“) an die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (nachfolgend „Kanton Bern“) und ersuchte diese um Übernahme der Strafuntersuchung wegen Menschenhandels, bezüglich B. gestützt auf Art. 34 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 34 - 1 Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind.
1    Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind.
2    Ist in einem beteiligten Kanton im Zeitpunkt des Gerichtsstandsverfahrens nach den Artikeln 39-42 wegen einer der Straftaten schon Anklage erhoben worden, so werden die Verfahren getrennt geführt.
3    Ist eine Person von verschiedenen Gerichten zu mehreren gleichartigen Strafen verurteilt worden, so setzt das Gericht, das die schwerste Strafe ausgesprochen hat, auf Gesuch der verurteilten Person eine Gesamtstrafe fest.
StPO, bezüglich D. und E. gestützt auf Art. 33
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 33 Gerichtsstand im Falle mehrerer Beteiligter - 1 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Straftat werden von den gleichen Behörden verfolgt und beurteilt wie die Täterin oder der Täter.
1    Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Straftat werden von den gleichen Behörden verfolgt und beurteilt wie die Täterin oder der Täter.
2    Ist eine Straftat von mehreren Mittäterinnen oder Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind.
StPO (Gerichtsstandsakten Bern, act. 1). Mit Stellungnahme vom 22. Juni 2011 lehnte der Kanton Bern diese Übernahme gestützt auf Art. 38 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 38 Bestimmung eines abweichenden Gerichtsstands - 1 Die Staatsanwaltschaften können untereinander einen anderen als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
1    Die Staatsanwaltschaften können untereinander einen anderen als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
2    Zur Wahrung der Verfahrensrechte einer Partei kann die Beschwerdeinstanz des Kantons auf Antrag dieser Partei oder von Amtes wegen nach Erhebung der Anklage die Beurteilung in Abweichung der Gerichtsstandsvorschriften dieses Kapitels einem andern sachlich zuständigen erstinstanzlichen Gericht des Kantons zur Beurteilung überweisen.
StPO ab (Gerichtsstandsakten Bern, act. 2). Der Kanton Thurgau nahm mit Schreiben vom 28. Juni 2011 Stellung zur Begründung der Ablehnung und erneuerte das Gesuch um Übernahme durch den Kanton Bern (Gerichtsstandsakten Bern, act. 3). Mit Schreiben vom 4. Juli 2011 verweigerte der Kanton Bern die Verfahrensübernahme, diesmal unter anderem mit der Begründung, die Festlegung des Gerichtsstandes sei gestützt auf den unbekannten Aufenthalt der einen Mittäterin zu sistieren (Gerichtsstandsakten Bern, act. 4). Mit einem weiteren Ersuchen um Verfahrensübernahme vom 26. Juli 2011 nahm der Kanton Thurgau Stellung zu dieser zweiten Ablehnung (Gerichtsstandsakten Bern, act. 5), worauf der Kanton Bern mit einer dritten Begründung, die insbesondere mit dem Grundsatz der Verfahrenseinheit, bzw. –mehrheit gemäss Art. 29
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 29 Grundsatz der Verfahrenseinheit - 1 Straftaten werden gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn:
1    Straftaten werden gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn:
a  eine beschuldigte Person mehrere Straftaten verübt hat; oder
b  Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt.
2    Handelt es sich um Straftaten, die teilweise in die Zuständigkeit des Bundes fallen oder die in verschiedenen Kantonen und von mehreren Personen begangen worden sind, so gehen die Artikel 25 und 33-38 vor.
StPO argumentierte, die Übernahme erneut ablehnte (Gerichtsstandsakten Bern, act. 6).

C. Mit Gesuch vom 12. August 2011 gelangte die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau an die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt, die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Bern seien berechtigt und verpflichtet zu erklären, die Strafuntersuchung gegen die beschuldigten B. und D. sowie E. durchzuführen und zum Abschluss zu bringen (act. 1).

Mit Vernehmlassung vom 22. August 2011 beantragt die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern einerseits, der Kanton Thurgau sei zur Verfolgung und Beurteilung von D. und E. zu verpflichten, andererseits sei das Gerichtsstandsverfahren bezüglich B. aufzuschieben, weil diese flüchtig sei. Eventualiter sei der Kanton Thurgau zur Verfolgung und Beurteilung von B. zu verpflichten (act. 3).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Unterlagen wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Zuständigkeit der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid über Gerichtsstandsstreitigkeiten ergibt sich aus Art. 40 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
1    Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
2    Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid.
3    Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
sowie Art. 449 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 449 Zuständigkeit - 1 Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, werden von den nach neuem Recht zuständigen Behörden weitergeführt, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen.
1    Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, werden von den nach neuem Recht zuständigen Behörden weitergeführt, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen.
2    Konflikte über die Zuständigkeit zwischen Behörden des gleichen Kantons entscheidet die Beschwerdeinstanz des jeweiligen Kantons, solche zwischen Behörden verschiedener Kantone oder zwischen kantonalen und eidgenössischen Behörden das Bundesstrafgericht.
Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0), Art. 37 Abs. 1
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 37 Zuständigkeiten - 1 Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
1    Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
2    Sie entscheiden zudem über:
a  Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss:
a1  dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198114,
a2  dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 199515 über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts,
a3  dem Bundesgesetz vom 22. Juni 200116 über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof,
a4  dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 197517 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen;
b  Beschwerden, die ihnen das Bundesgesetz vom 22. März 197418 über das Verwaltungsstrafrecht zuweist;
c  Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts über das Arbeitsverhältnis seiner Richter und Richterinnen und seines Personals sowie des Personals der ständigen Sekretariate der eidgenössischen Schätzungskommissionen;
d  Konflikte über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit;
e  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 21. März 199720 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zum Entscheid zuweist;
f  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 7. Oktober 199421 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes zum Entscheid zuweist;
g  Konflikte über die Zuständigkeit nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 201723.
des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71) sowie Art. 19 Abs. 1 des Organisationsreglements für das Bundesstrafgericht vom 31. August 2010 (Organisationsreglement BStGer, BStGerOR; SR 173.713.161). Voraussetzung für die Anrufung der I. Beschwerdekammer ist, dass ein Streit über einen interkantonalen Gerichtsstand vorliegt und dass die Kantone über diesen Streit einen Meinungsaustausch durchgeführt haben (Donatsch/Hansjakob/Lieber, a.a.O., Art. 40
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
1    Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
2    Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid.
3    Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
StPO N. 9). Dabei unterbreitet die Staatsanwaltschaft desjenigen Kantons, welcher zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich dem Gericht (Art. 40 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
1    Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
2    Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid.
3    Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
StPO). Nach der Praxis der I. Beschwerdekammer ist das Kriterium der Unverzüglichkeit erfüllt, wenn das Gerichtsstandsgesuch innert 10 Tagen seit dem Abschluss des Meinungsaustausches eingereicht wird und keine zwingenden Gründe für ein Abweichen von der 10-Tagefrist vom Gesuchsteller liquid dargelegt werden (siehe Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG 2011.7 vom 17. Juni 2011, E. 2.2 und BG.2011.17 vom 15. Juli 2011, E. 2.1).

1.2 Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau ist berechtigt, den Gesuchsteller in interkantonalen Gerichtsstandskonflikten vor der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zu vertreten (Art. 31 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Zivil- und Strafrechtspflege [ZSRG/TG; TG Rechtsbuch 312.1]). Bezüglich des Gesuchsgegners gilt das Gleiche für die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (Art. 24 lit. b des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung des Kantons Bern vom 11. Juni 2009 [EG ZSJ/BE; BSG 271.1]).

1.3 Der Gesuchsteller hat mit dem Gesuchsgegner vor Einreichung des Gesuchs einen Meinungsaustausch mit drei Schriftenwechseln durchgeführt, wobei sich keine Einigung ergab. Der Meinungsaustausch ist deshalb als abgeschlossen zu betrachten.

1.4 Mit einer Klarheit sondergleichen ergibt sich aus den Akten, dass von den zwei Verfahrensparteien der Gesuchsgegner als Erster mit der Strafuntersuchung wegen Menschenhandels gegen B., die in der Untersuchung offenbar eine der Schlüsselfiguren darstellt, befasst war (vgl. zuvor unter lit. A.). Es wäre deshalb gemäss Art. 40 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
1    Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
2    Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid.
3    Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
StPO Sache des Gesuchsgegners gewesen, nach dem 3-fachen Schriftenwechsel, der keine Einigung ergab, unverzüglich, d.h. gemäss der Gerichtspraxis innert 10 Tagen an die I. Beschwerdekammer zu gelangen. Nachdem der Gesuchsgegner als erstbefasster Kanton dieser Pflicht nicht nachgekommen ist und dieser auch keine zwingenden Gründe für ein Abweichen von der 10-Tagesfrist dargelegt hat, rechtfertigt es sich im vorliegenden Fall ohne Eintreten auf das Gesuch und ohne weitere materielle Prüfung des Gerichtsstandskonflikts die Zuständigkeit des Gesuchsgegners aufgrund dessen Säumnis bei der Lösung dieses Konflikts festzulegen.

2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 423 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 423 Grundsätze - 1 Die Verfahrenskosten werden vom Bund oder dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat; abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes bleiben vorbehalten.
1    Die Verfahrenskosten werden vom Bund oder dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat; abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes bleiben vorbehalten.
2    und 3 ...273
StPO).

Demnach erkennt die I. Beschwerdekammer:

1. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Bern sind berechtigt und verpflichtet, die B. und D. sowie E. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Bellinzona, 26. August 2011

Im Namen der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau

- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (unter Rücksendung sämtlicher Akten)

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : BG.2011.26
Date : 26. August 2011
Published : 05. September 2011
Source : Bundesstrafgericht
Status : Publiziert als TPF 2011 150
Subject area : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Subject : Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO).


Legislation register
StBOG: 37
StPO: 29  33  34  38  40  309  423  449
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