Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B 644/2007/bri

Urteil vom 25. Januar 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Donald Stückelberger,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Veruntreuung (Art. 138
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 138 - 1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
1    Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
2    Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe196 bestraft.
StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 25. April 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte X.________ am 17. März 2006 wegen mehrfacher Veruntreuung zu 8 Monaten Gefängnis bedingt. Es hielt folgenden Sachverhalt für erwiesen: X.________ war einzelzeichnungsberechtigter Chief Executive Officer (CEO) der A.________ AG (im folgenden: A.________), welche für die B.________ AG (im Folgenden: B.________) das Präparat "C.________" durch verschiedene Ärzte prüfen liess. Die B.________ überwies der A.________ insgesamt 273'420 Franken für Honorarzahlungen an die Prüfärzte. X.________ liess diese Gelder im November 2003 und im Februar 2004 verabredungswidrig zur Begleichung laufender Verbindlichkeiten der A.________ verwenden, ohne dass er in der Lage gewesen wäre, sie rechtzeitig zu ersetzen und verabredungsgemäss die ab Mai 2004 fällig werdenden Honorare der Prüfärzte bezahlen zu können.

Auf Appellation von X.________ hin passte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt das Urteil am 25. April 2007 dem neuen Recht an, indem es anstelle der Gefängnisstrafe eine bedingte Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu Fr. 270.-- aussprach. Im Übrigen schützte es das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, das appellationsgerichtliche Urteil aufzuheben und ihn freizusprechen.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Der Veruntreuung im Sinne von Art. 138 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 138 - 1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
1    Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
2    Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe196 bestraft.
StGB macht sich unter anderem schuldig, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet.

1.1 Bereits vor Appellationsgericht nicht mehr umstritten war, dass es sich bei den von der B.________ der A.________ für die Begleichung der Prüfarzthonorare überwiesenen Geldern um wirtschaftlich fremde, anvertraute Vermögenswerte handelt und der Beschwerdeführer für ihre verabredungswidrige Verwendung für die Verbindlichkeiten der A.________ verantwortlich war. Strittig war und ist dagegen, ob der Beschwerdeführer sich bzw. die A.________ unrechtmässig bereicherte.

1.2 Wer anvertrautes Gut dem Berechtigten an einem bestimmten Termin zur Verfügung zu halten hat, bereichert sich unrechtmässig, wenn er es zu seinem Nutzen verwendet, ohne fähig und gewillt zu sein, es auf diesen Zeitpunkt hin zu ersetzen (BGE 133 IV 21 E. 6.1.2; 118 IV 27 E. 3a). Ersatzfähigkeit darf nur bejaht werden, wenn das Geld für den Täter griffbereit ist, nicht aber, wenn er es sich erst bei Dritten, die ihm gegenüber zu keiner Leistung verpflichtet sind, beschaffen muss. Da Prognosen über die Zahlungsfähigkeit in der Zukunft naturgemäss unsicher sind, muss dabei genügen, wenn der Täter nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge sicher damit rechnen kann, zum verabredeten Zeitpunkt ersatzfähig zu sein. Blosse Aussichten, das für den Ersatz benötigte Geld von Dritten zu erhalten, reichen nicht aus (118 IV 27 E. 3b).

1.3 Das Appellationsgericht hat im angefochtenen Entscheid erwogen (E. 3 S. 3 ff.), aus dem Revisionsstellenbericht für das Geschäftsjahr 2003 ergebe sich, dass die gesamten Forderungen der A.________ aus Lieferungen und Leistungen global zediert und damit nicht geeignet gewesen seien, die erforderliche Liquidität zu gewährleisten. Zu den Beteiligungen der A.________ sei ausdrücklich vermerkt, diese Unternehmen befänden sich in der Aufbauphase mit entsprechender Verlustsituation per Ende Dezember 2003. Die Liquiditätslage der A.________ werde als angespannt beurteilt, wobei der kurzfristige Liquiditätsbedarf durch Überbrückungsfinanzierung der Bank und der Aktionäre gesichert werde. Der Auftragseingang, die Pipeline sowie eine kurz vor Abschluss stehende Finanzierungsrunde mit neuen Investoren lasse den Schluss zu, die Liquiditätslage werde sich 2004 nachhaltig verbessern.

Das Appellationsgericht zieht aus diesem Revisionsstellenbericht den Schluss, dass die A.________ 2003 mit Liquiditätsproblemen gekämpft hat und die Prognose für eine Entspannung der Lage im Jahre 2004 auf vagen Hoffnungen beruhte. Diese Einschätzung sieht es durch die Aussagen des Buchhalters D.________ und des Chief Technology Officers E.________ und nicht zuletzt durch eine Aktennotiz vom 9. Oktober 2003 bestätigt, in welcher der Beschwerdeführer selber festhält, es sei mit höchster Priorität bis Ende Jahr ein neuer Investor "an Land zu ziehen". Nichts anderes ergebe sich aus den Aussagen des Verwaltungsratsmitglieds F.________ und des für die A.________ zuständigen Mitarbeiters der Basellandschaftlichen Kantonalbank, G.________. Aus den vom Beschwerdeführer dem Appellationsgericht eingereichten Verträgen mit bekannten Pharmafirmen ergebe sich nicht, dass der A.________ daraus im massgeblichen Zeitpunkt (ab Mai 2004) mehr Mittel hätten zufliessen sollen, als sie zur Deckung ihrer laufenden hohen Kosten verbrauchte.

1.4 Fest steht zunächst, dass die A.________ im Mai 2004, als die ersten Prüfarzthonorare fällig wurden, nicht in der Lage war, die ihr von der B.________ zu diesem Zweck überwiesenen, zwischenzeitlich aber zweckentfremdeten Gelder zu ersetzen und die Forderungen der Ärzte zu begleichen. Die Ersatzfähigkeit im Sinne der in E. 1.2 angeführten Rechtsprechung war damit objektiv nicht gegeben. Zu prüfen ist somit, ob der Beschwerdeführer Ende November 2003 und anfangs Februar 2004, als er die ihm von der B.________ anvertrauten Mittel verabredungswidrig für die A.________ verbrauchte, fest damit rechnen konnte, in der Lage zu sein, die Gelder zu ersetzen und die ab Mai 2004 fällig werdenden Honorarzahlungen an die Prüfärzte zu leisten.

Dies ist nicht der Fall, wie die kantonalen Gerichte sorgfältig darlegen. Die A.________ steckte nach dem schlüssigen Revisionsstellenbericht Ende November 2003 offensichtlich in erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten und war dringend auf neue Investoren angewiesen. Nichts deutet daraufhin, dass sich die Lage im Februar 2004, als der Beschwerdeführer die zweite Tranche der B.________-Gelder verbrauchte, massgeblich geändert hätte. Mit der verabredungswidrigen Verwendung dieser Mittel hat er, wirtschaftlich betrachtet, der A.________ (eigenmächtig) einen (kostenlosen) Überbrückungskredit gewährt, um ihren Betrieb weiterzuführen, vorab um das Personal bezahlen zu können. Die Kreditgewährung an ein Unternehmen, das sich in einem Liquiditätsengpass befindet, mag zwar unter Umständen durchaus Gewinnchancen beinhalten und unternehmerisch sinnvoll sein, ist aber naturgemäss mit erheblichen Verlustrisiken verbunden. Eine Investition in die A.________ war somit Ende November 2003 und Ende Februar 2004 eine risikobehaftete, keine mündelsichere Anlage. Der Beschwerdeführer konnte somit keineswegs sicher damit rechnen, dass er die zweckwidrig verwendeten Gelder bei gewöhnlichem Lauf der Dinge würde zurückzahlen können, schon gar nicht
kurzfristig ab Mai 2004. Er hat somit die ihm anvertrauten B.________-Gelder dem (erheblichen) unternehmerischen Risiko der A.________ ausgesetzt und sie dementsprechend gefährdet. Er hat zwar, wie schon vor Appellationsgericht, verschiedene Gründe vorgebracht, aus denen die A.________ aus damaliger Sicht ihre Schwierigkeiten hätte überwinden und prosperieren sollen. Nur ergibt sich aus keinem von ihnen, inwiefern sie dem Unternehmen ab Mai 2004 genügend Liquidität hätten verschaffen können, um die B.________-Gelder pünktlich (oder wenigstens bloss mit einer kurzen, wenige Tage dauernden Verspätung, wenn man dies nach dem vom Beschwerdeführer angeführten obiter dictum im Entscheid 6S.580/1999, E. 2d/cc genügen lassen wollte) zu ersetzen und für die Begleichung der Prüfarzthonorare zu verwenden. Zwar besteht kein Anlass zu zweifeln, dass der Beschwerdeführer die B.________-Gelder ersetzen wollte. Dies ändert allerdings nichts daran, dass er in strafwürdiger Absicht handelte, sich bzw. die A.________ ungerechtfertigt zu bereichern, da er nach dem Gesagten nicht darauf vertrauen durfte, dazu in der Lage zu sein. Der Beschwerdeführer war damit nicht ersatzfähig, womit seine Verurteilung wegen Veruntreuung nicht zu beanstanden ist.

2.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. Januar 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Störi
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 6B_644/2007
Datum : 25. Januar 2008
Publiziert : 12. Februar 2008
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Straftaten
Gegenstand : Veruntreuung (Art. 138 StGB)
Einordnung : obiter dictum


Gesetzesregister
BGG: 66
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
StGB: 138
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 138 - 1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
1    Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
2    Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe196 bestraft.
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118-IV-27 • 133-IV-21
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