Tribunal federal
{T 0/2}
2A.326/2003 /leb
Urteil vom 23. Juli 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Betschart, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Hungerbühler, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Feller.
Parteien
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Manuel Rohrer, Seilerstrasse 9, Postfach 5016, 3001 Bern,
gegen
Migrationsdienst des Kantons Bern, Eigerstrasse 73, 3011 Bern,
Haftgericht III Bern-Mittelland, Amthaus,
Hodlerstrasse 7, 3011 Bern.
Gegenstand
Vorbereitungshaft gemäss Art. 13a
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 24. Juni 2003.
Sachverhalt:
A.
Der aus Minsk, Weissrussland, stammende A.________, geb. 1983, reiste im August 2002 in die Schweiz ein und stellte am 19. August 2002 an der Empfangsstelle X.________ ein Asylgesuch. Er trug keine Reisepapiere bei sich; hingegen legte er einen am 10. September 2001 in Minsk ausgestellten Studentenausweis Nr. 751.87 vor. Das Bundesamt für Flüchtlinge wies A.________ für die Dauer des Asylverfahrens dem Kanton Bern zu.
In der Folge beging A.________ zu verschiedenen Malen, erstmals am 13. September 2002, Ladendiebstähle, und es wurden gegen ihn diesbezüglich Strafmandate ausgesprochen. Zudem wurde er dreimal wegen Widerhandlung gegen das Transportgesetz zu Bussen verurteilt. Am 20. Januar 2003 wurde er von der Polizei angehalten, als er ein Kügelchen Kokain zum Eigenkonsum erwarb; dafür sowie für einen Diebstahl mit geringem Vermögenswert wurde er am 6. Februar 2003 mit einer Busse von Fr. 400.-- bestraft. Nachdem A.________ am 19. Juni 2003 in Y.________ zwei Flaschen Cognac und eine Flasche Whisky gestohlen hatte, ordnete das Migrationsamt des Kantons Bern gegen ihn Vorbereitungshaft an.
Das Haftgericht III Bern-Mittelland bestätigte am 20. Juni 2003 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Vorbereitungshaft (vollständiger, mit Begründung versehener schriftlicher Entscheid vom 24. Juni 2003).
B.
Mit als Beschwerde bezeichneter, als Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu betrachtender Eingabe vom 7. Juli 2003, welche von einer Drittperson in deutscher Sprache verfasst worden ist, beantragt A.________ zur Hauptsache, der Haftbestätigungsentscheid vom 20./24. Juni 2003 sei aufzuheben und er sei aus der Vorbereitungshaft zu entlassen.
C.
Mit Beschluss und Verfügung vom 8. Juli 2003 ist dem in der Beschwerdeschrift gestellten Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung entsprochen und dem Beschwerdeführer Fürsprecher Manuel Rohrer, Bern, als unentgeltlicher Rechtsanwalt beigegeben worden. Zugleich wurde dem Haftgericht, dem Migrationsdienst des Kantons Bern sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge (für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement) Frist zur Vernehmlassung und Akteneinreichung angesetzt.
Das Haftgericht und der Migrationsdienst beantragen Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Flüchtlinge hat sich nicht vernehmen lassen.
Der beigegebene unentgeltliche Rechtsbeistand des Beschwerdeführers hat am 16. Juli 2003 (Eingang beim Bundesgericht 21. Juli 2003) eine Rechtsschrift eingereicht und insbesondere zu den Vernehmlassungen Stellung genommen. Er stellt die Rechtsbegehren, die Haftanordnung des Migrationsdienstes bzw. der Bestätigungsentscheid des Haftgerichts vom 20./24. Juni 2003 seien aufzuheben und der Beschwerdeführer sei mit sofortiger Wirkung aus der Haft zu entlassen; weiter sei dem Beschwerdeführer für die zu Unrecht ausgestandene Vorbereitungshaft und seine bisherigen Auslagen eine angemessene Entschädigung auszurichten.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Um die Durchführung eines Wegweisungsverfahrens sicherzustellen, kann die zuständige kantonale Behörde einen Ausländer, der keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt, während der Vorbereitung des Entscheides über seine Aufenthaltsberechtigung gemäss Art. 13a
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1.1 Der Beschwerdeführer, der keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung hat, ist Asylbewerber, wobei über sein Asylgesuch noch nicht, auch nicht erstinstanzlich, entschieden worden ist. Als Wegweisungsverfahren, dessen Durchführung durch die Vorbereitungshaft sichergestellt werden kann, wenn die (übrigen) Voraussetzungen erfüllt sind, gilt grundsätzlich auch das Asylverfahren (BGE 127 II 168 E. 2a S. 170).
1.2 Das Haftgericht stützt seinen Haftbestätigungsentscheid auf Art. 13a lit. a
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1.2.1 Gemäss Art. 13a lit. b
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1.2.2 Der Migrationsdienst beruft sich nach wie vor auch auf den Haftgrund von Art. 13a lit. e
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1.2.3 Es bleibt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer den von Migrationsdienst und Haftgericht angenommenen Haftgrund von Art. 13a lit. a
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dass er sich behördlichen Anordnungen entziehen könnte, führt denn auch nicht zur Annahme des spezifischen Haftgrundes gemäss Art. 13a lit. a
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Die kantonalen Behörden bejahen diesen Haftgrund, indem sie annehmen, der Beschwerdeführer habe sich im Asylverfahren geweigert, seine Identität offen zu legen. Der Beschwerdeführer gesteht zu, dass er sich im Zusammenhang mit der Frage nach dem Vorhandensein eines Reisepasses widersprüchlich geäussert hat. Tatsächlich verhält es sich so, dass er im Asylverfahren nähere Auskünfte über seinen Inlandpass gegeben hat. Insbesondere berichtete er über die Funktion dieses Passes und das Ausstellungsjahr; sodann gab er detailliert bekannt, unter welchen Umständen er diesen Pass bei der Amtsstelle OVIR in Minsk hinterlegt hatte. Dabei sind keine Widersprüche zwischen den Angaben vom 20. August 2002 an der Empfangsstelle X.________ und vom 12. November 2002 bei der eigentlichen Anhörung zum Asylgesuch festzustellen. Dem Haftgericht erklärte der Beschwerdeführer dann, er habe den Pass bei einem Bekannten versteckt, und er würde das Papier beschaffen, wenn er freigelassen würde, wobei aber sein Bekannter nicht wisse, wo der Pass sei. Umgekehrt ist aber von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer von Anbeginn an konstant die gleichen Personenangaben gemacht hat. Er hat einen Studentenausweis mit den entsprechenden Einträgen zu den Akten der
Asylbehörden gegeben, ferner auf seinen Namen lautende Dokumente betreffend ein in Minsk angelaufenes Verfahren. Dass es sich dabei um Fälschungen handeln könnte, wird seitens der Behörden nicht behauptet. Unter diesen Umständen rechtfertigt das Aussageverhalten des Beschwerdeführers vor dem Haftgericht jedenfalls die Annahme nicht, dass er sich weigere, seine Identität offen zu legen. Das Haftgericht hat zu Unrecht den Haftgrund von Art. 13a lit. a
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1.3 Liegt keiner der in Art. 13a
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2.
Der Beschwerdeführer stellt den Antrag, es sei ihm unter anderem für die zu Unrecht ausgestandene Vorbereitungshaft eine angemessene Entschädigung auszurichten. Ein derartiges Begehren sprengt den Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, welches ausschliesslich die Frage der Rechtmässigkeit der umstrittenen ausländerrechtlichen Haft zum Gegenstand hat und im Falle der Gutheissung des Rechtsmittels einzig zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids und zur Anordnung der Haftentlassung führen kann. Ein allfälliges Haftungsbegehren wäre nach den dafür vorgesehenen kantonalen Verfahrensvorschriften im Kanton zu stellen. Auf das Begehren ist nicht einzutreten.
3.
Da der Beschwerdeführer zur Hauptsache (Beurteilung der Rechtmässigkeit der Haft, Antrag auf Haftentlassung) obsiegt, ist keine Gerichtsgebühr zu erheben (Art. 156 Abs. 1
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Zudem hat der Beschwerdeführer Anspruch darauf, dass der Kanton Bern ihm die durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten ersetzt (Art. 159 Abs. 2
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 24. Juni 2003 wird aufgehoben.
2.
Der Beschwerdeführer ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Der Kanton Bern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'688.85 (Fr. 2'188.85 + Fr. 500.--) zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsdienst des Kantons Bern und dem Haftgericht III Bern-Mittelland sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. Juli 2003
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: