Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung III
C-7549/2008
C-7550/2008
{T 0/2}
Urteil vom 23. August 2010
Besetzung
Richter Andreas Trommer (Vorsitz), Richterin Elena Avenati-Carpani,
Richterin Ruth Beutler,
Gerichtsschreiber Lorenz Noli.
Parteien
1. N._______,
2. A._______,
Beschwerdeführerinnen,
beide vertreten durch Hanspeter Kümin, Rechtsanwalt,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
Einreiseverbot.
Sachverhalt:
A.
Die Kantonspolizei Schwyz nahm am 21. Oktober 2008 im Sauna-Club X._______ in Y._______ eine Milieukontrolle mit Hausdurchsuchung vor. Dabei wurden nebst einer ganzen Anzahl anderer Ausländerinnen die bulgarische Staatsangehörige N._______ (geb. 1977, Beschwerdeführerin 1) und die rumänische Staatsangehörige A._______ (geb. 1979, Beschwerdeführerin 2) angehalten. In der wegen des Verdachts auf Zuwiderhandlungen gegen das Ausländerrecht tags darauf durchgeführten Befragung stritten die Beschwerdeführerinnen ab, in Gestalt der Prostitution einer Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung nachgegangen zu sein.
B.
Mit Strafverfügungen des Bezirksamts Y._______ vom 23. Oktober 2008 wurden die Beschwerdeführerinnen wegen rechtswidriger Einreise, rechtswidrigem Aufenthalt und rechtswidriger Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 115 Abs. 1 Bst. a , b und c des Bundesgsetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20), fahrlässig begangen im Zeitraum vom 28. September bis 21. Oktober 2008 bzw. vom 13. bis 21. Oktober 2008, schuldig gesprochen und mit Bussen von je Fr. 500.- belegt. Dagegen erhoben die Betroffenen Einsprache.
C.
Mit Verfügungen ebenfalls vom 23. Oktober 2008 verhängte die Vorinstanz je ein zweijähriges Einreiseverbot über die Beschwerdeführerinnen. Diese Massnahmen wurden damit begründet, die Beschwerdeführerinnen hätten durch ihren Aufenthalt und durch ihre Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen. Einer allfälligen Beschwerde wurde vorsorglich die aufschiebende Wirkung entzogen.
D.
Gegen die erwähnten Verfügungen gelangten die Betroffenen mit zwei separaten Rechtsmitteleingaben vom 24. November 2008 an das Bun-desverwaltungsgericht und beantragten, die Fernhaltemassnahmen seien aufzuheben, eventualiter seien diese auf die Dauer von je einem Jahr zu beschränken. Die entsprechenden Begehren wurden im We-sentlichen damit begründet, dass der Vorwurf der illegalen Erwerbs-tätigkeit unbegründet und durch Nichts erstellt sei.
E.
In ihrer Vernehmlassung vom 20. Januar 2009 schloss die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerden. Dabei vertrat sie die Auffassung, dass die besonderen Umstände, unter denen die Beschwerdeführerinnen in dem einschlägig als Milieu-Lokal bekannten Sauna-Club X._______ angetroffen worden seien, vernünftigerweise keinen anderen Schluss zuliessen, als dass sie dort der Prostitution nachgegangen seien.
F.
Mit einer Replik vom 16. Februar 2009 hielten die Beschwerdeführerinnen an ihren Begehren und deren Begründung fest. Dabei bestritten sie erneut, in besagtem Lokal in Y._______ der Prostitution nachgegangen zu sein. Das Gegenteil könne allein aus dem Umstand, dass am fraglichen Ort anscheinend Prostitution ausgeübt werde, nicht als erstellt betrachtet werden.
G.
Mit schriftlichen Erklärungen vom 27. Oktober 2009 zogen die Beschwerdeführerinnen ihre Einsprache gegen die Strafverfügungen zu-rück, worauf diese in Rechtskraft erwuchsen.
H.
Gestützt auf den per 1. Juni 2009 erfolgten Einbezug Bulgariens und Rumäniens in das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA, SR 0.142.112.681) ordnete das Bundesverwaltungsgericht am 26. Oktober 2009 einen zusätzlichen Schriftenwechsel an, der nebst der Vereinbarkeit der angefoch-tenen Verfügungen mit dem neuen Recht die Frage einer Wiederher-stellung der aufschiebenden Wirkung zum Gegenstand hatte.
I.
Mit Antwortschreiben vom 16. November 2009 vertrat die Vorinstanz die Auffassung, dass die angefochtenen Verfügungen mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar seien, und stellte den Antrag, von einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der dagegen erhobenen Beschwerden sei abzusehen. Begründend wies sie darauf hin, dass die Schweiz solange berechtigt sei, wegen illegaler Prostitution Einreiseverbote gegen Staatsangehörige Bulgariens und Rumäniens auszusprechen, als für Angehörige dieser beiden Staaten das Übergangsregime von Art. 10 FZA zur Anwendung gelange.
J.
Mit separaten Zwischenverfügungen vom 7. Dezember 2009 stellte das Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung beider Beschwerden wieder her. In der Hauptsache wurde dieser Schritt damit begründet, dass auf der Grundlage des FZA das Recht auf Einreise nur bei ausserordentlich schweren Verletzungen der ausländerrechtlichen Bestimmungen eingeschränkt werden dürfe und eine solche schwere Verletzung aufgrund einer provisorischen Einschätzung der vorliegenden Fälle nicht ersichtlich sei.
K.
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Angesichts des engen persönlichen und sachlichen Zusammenhangs rechtfertigt es sich, die Beschwerdeverfahren C-7549/2008 und C-7550/2008 zu vereinigen.
2.
2.1 Einreiseverbote des BFM unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 31 , Art. 32 sowie Art. 33 Bst. d des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]).
2.2 Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).
2.3 Die Beschwerdeführerinnen sind als materielle Verfügungsadres-satinnen zur Ergreifung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf ihre frist- und formgerecht eingereichten Beschwerden ist einzutreten (Art. 49 ff . VwVG).
3.
3.1 Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie, wenn nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat, die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. E. 1.2 des in BGE 129 II 215 teilweise publizierten Urteils 2A.451/2002 vom 28. März 2003).
3.2 Zum für die Beurteilung der vorliegenden Streitsache massgebenden Recht gehört seit dem 1. Juni 2009 das Freizügigkeitsabkommen. Denn an diesem Datum trat das Protokoll vom 27. Mai 2008 in Kraft (SR 0.142.112.681.1), mit dem Bulgarien und Rumänien als Vertragsparteien des Freizügigkeitsabkommens aufgenommen wurden. Die Beschwerdeführerinnen, die die Staatsangehörigkeit der neuen Vertragsstaaten besitzen, gelten seit diesem Zeitpunkt als Vertragsausländerinnen. Als solche unterstehen sie nur soweit dem ordentlichen Ausländerrecht, als das Freizügigkeitsabkommen keine abweichende Regelung enthält oder das ordentliche Ausländerrecht günstigere Bestimmungen vorsieht (vgl. Art. 2 Abs. 2 AuG). Für die Zeit vor dem 1. Juni 2009 bleibt dagegen das ordentliche Ausländerrecht allein massgebend.
4.
4.1 Das Einreiseverbot kann nach Art. 67 Abs. 1 Bst. a AuG gegenüber ausländischen Personen verfügt werden, die gegen die öffent-liche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen haben oder diese gefährden. Das Einreiseverbot wird befristet oder in schwerwiegenden Fällen unbefristet verfügt (Art. 67 Abs. 3 AuG). Während der Gültigkeit des Einreiseverbots ist der ausländischen Person die Einreise in die Schweiz untersagt. Wenn wichtige Gründe es rechtfertigen, kann das Einreiseverbot vorübergehend aufgehoben werden (Art. 67 Abs. 4 AuG).
Das Einreiseverbot stellt keine Sanktion für vergangenes Fehlverhalten dar, sondern eine Massnahme zur Abwendung einer künftigen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (BBl 2002 3813). Die Feststellung einer solchen Gefahr ist ein Wahrscheinlichkeitsurteil, das sich naturgemäss auf vergangenes Verhalten einer ausländischen Person abstützen muss. Stellt bereits dieses vergangene Verhalten eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, wird die Gefahr künftiger Störungen von Gesetzes wegen vermutet (BBl 2002 3760). Das Gesetz lässt deshalb einen Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung als Anlass für ein Einreiseverbot genügen, ohne dass die Gefahr einer Störung nachgewiesen werden müsste. Ist die Vermutungsbasis dagegen nicht erfüllt, verlangt Art. 80 Abs. 2
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
Die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 67 Abs. 1 Bst. a AuG bildet den Oberbegriff für die Gesamtheit der polizeilichen Schutzgüter. Sie umfasst unter anderem die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung und der Rechtsgüter Einzelner (BBl 2002 3809; vgl. auch RAINER J. SCHWEIZER / PATRICK SUTTER / NINA WIDMER, in: Rainer J. Schweizer [Hrsg.], Sicherheits- und Ordnungsrecht des Bundes, SBVR Bd. III/1, Basel 2008, Teil B Rz. 13 mit Hinweisen). In diesem Sinne liegt nach Art. 80 Abs. 1 Bst. a
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
4.2 Das Freizügigkeitsabkommen vermittelt Vertragsausländern eine Reihe von Freizügigkeitsrechten. Dazu gehört unter anderem das Recht auf Einreise (Art. 3
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
5.
Nachfolgend ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die angefochtenen Einreiseverbote im Einklang mit dem ordentlichen Ausländerrecht stehen, das bis 1. Juni 2009 die Rechtsstellung der Beschwerdeführerinnen allein bestimmte. Ist dies der Fall, so ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob sich die Fortdauer der Massnahmen über den 1. Juni 2009 hinaus mit dem Freizügigkeitsabkom-men vereinbaren lässt, dessen Geltungsbereich auf diesen Zeitpunkt hin auf Bulgarien und Rumänien erweitert wurde.
6.
Zur Vereinbarkeit der angefochtenen Massnahme mit dem ordentlichen Ausländerrecht ist Folgendes festzustellen:
6.1 Den Akten lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeführerinnen zusammen mit anderen ausländischen Frauen anlässlich einer durch die Kantonspolizei Schwyz am 21. Oktober 2008 im Sauna-Club X._______ in Y._______ durchgeführten Milieukontrolle aufgegriffen wurden. Beim Sauna-Club X._______ handelt es sich zweifelsfrei um ein Etablissement, in welchem bezahlte Liebesdienste angeboten werden. Dies geht bereits aus der einschlägigen Homepage des Clubs deutlich hervor. Die beiden Beschwerdeführerinnen waren im Zeitpunkt der Kontrolle lediglich mit Unterwäsche bekleidet. Ferner verfügten beide Frauen je über ein persönliches Garderobenfach, in dem sie unter anderem Reizwäsche aufbewahrten. Bei der Beschwerdeführerin 1 konnte überdies ein Bargeldbetrag von Fr. 10'750.- (in Stückelung zu 50, 100 und 200 Fr.) sicher gestellt werden, deren Herkunft von ihr nicht schlüssig erklärt werden konnte. So gab sie auf entsprechenden Vorhalt an, anlässlich ihrer Einreise bereits 5'000 Euro auf sich getragen und den Rest von einem Schweizer (den sie jedoch nicht näher zu bezeichnen vermochte) geschenkt bekommen zu haben.
6.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen war die Vorinstanz nicht gehalten, den rechtskräftigen Abschluss des parallel geführten Strafverfahrens abwarten (vgl. etwa Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-8544/2007 vom 15. Oktober 2009 E. 5.2). Sie durfte aufgrund der geschilderten Umstände willkürfrei davon ausgehen, dass sich die Beschwerdeführerinnen im Sauna-Club X._______ prostituiert hatten. Davon ging auch das Bezirksamt Y._______ in seinen zwischenzeitlich rechtskräftig gewordenen Strafverfügungen vom 23. Oktober 2008 aus. Da die Prostitution als Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 11 Abs. 2
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
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6.3 Anzufügen ist, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, BS 1 121), das auf den 1. Januar 2008 vom AuG abgelöst wurde, die unbewilligte Prostitution nicht nur als mögliche Verletzung der ausländerrechtlichen Ordnung betrachtete. Obschon die Prostitution als solche nicht verboten war und ist, erkannte es in der unbewilligten Ausübung dieses Gewerbes eine gesellschaftsschädigende Verhaltensweise, die schon aus diesem Grund die Verhängung einer Einreisesperre nach Art. 13
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
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6.4 Die vorstehenden Erwägungen zur altrechtlichen Rechtsprechung vermögen jedoch nichts daran ändern, dass die Beschwerdeführerinnen wegen der Zuwiderhandlung gegen ausländerrechtliche Bestimmungen unter dem Gesichtspunkt von Art. 67 Abs. 1 Bst. a AuG hinreichenden Anlass für die Verhängung eines Einreiseverbots gegeben haben. In Anbetracht der Tatsache, dass sie keine spezifischen privaten Interessen vorbringen, die durch die Massnahme beeinträchtigt wären, erweist sich das auf zwei Jahre bemessene Einreiseverbot gegenüber beiden Beschwerdeführerinnen als verhältnismässig und angemessen. Die ausgesprochenen Massnahmen sind auf der Grundlage des ordentlichen Ausländerrechts nicht zu beanstanden.
7.
Die sich seit dem 1. Juni 2009 stellende Frage nach der Vereinbarkeit der angefochtenen Massnahmen mit dem Freizügigkeitsabkommen ist wie folgt zu beantworten:
7.1 Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung regelmässig betont, dass Ausnahmen vom freien Personenverkehr restriktiv auszulegen sind. Die Berufung einer nationalen Behörde auf den Begriff der öffentlichen Ordnung setzt, wenn er Beschränkungen der Freizügigkeitsrechte rechtfertigen soll, jedenfalls voraus, dass ausser der Störung der öffentlichen Ordnung, wie sie jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. auch zum folgenden BGE 131 II 352 E. 3.2 S. 357 f. mit Hinweisen). Für Massnahmen, die mit der öffentlichen Ordnung und Sicherheit begründet werden, darf im Übrigen nur das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG). Ausgeschlossen sind deshalb generalpräventiv motivierte Massnahmen, das heisst solche, die der Abschreckung anderer ausländischer Personen dienen. Sodann vermag eine strafrechtliche Verurteilung für sich allein nicht ohne weiteres eine Massnahme zu rechtfertigen, welche die Ausübung von Freizügigkeitsrechten beschränkt (Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG). Eine solche Verurteilung darf nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es ist allerdings möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt.
7.2 Nicht näher geäussert hat sich der Gerichtshof bisher zu den Kriterien, die für die Einschätzung einer Gefährdung als gegenwärtig im Sinne der Richtlinie 64/221/EWG massgebend sind. Sicherlich setzt die Aktualität der Gefährdung nicht voraus, dass weitere Straftaten fast mit Sicherheit zu erwarten sind. Auf der anderen Seite ist der Gefährdung nicht erst dann die Aktualität abzusprechen, wenn die Möglichkeit einer Wiederholung mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Es ist vielmehr eine nach Art und Ausmass der möglichen Rechtsgüterverletzung zu differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit zu verlangen, dass die ausländische Person künftig die öffentliche Sicherheit oder Ordnung stören wird. Mit Blick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit dürfen an die Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Allerdings hängen diese auch von der Schwere der möglichen Rechtsgüterverletzung ab; je schwerer diese ist, desto niedriger sind die Anforderungen an die in Kauf zu nehmende Rückfallgefahr (BGE 131 II 352 E. 3.3 S. 358 mit Hinweisen).
7.3 Schliesslich hat sich der Gerichtshof auch nicht zur Frage geäussert, welche Verhaltensweisen im Lichte des Gemeinschaftsrechts als Störung der Grundinteressen der Gesellschaft gelten können. Er verweist in diesem Zusammenhang regelmässig auf das innerstaatliche Recht und billigt den Mitgliedstaaten innerhalb der durch den Vertrag und die Durchführungsvorschriften gezogenen Grenzen einen Beurteilungsspielraum zu.
Eine solche gemeinschaftsrechtliche Schranke erblickt der Gerichtshof im Diskriminierungsverbot von Art. 6
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
7.4 Wie bereits aufgezeigt wurde, haben die Beschwerdeführerinnen gegen einschlägige ausländerrechtliche Bestimmungen verstossen, indem sie in Gestalt der Prostitution eine Erwerbstätigkeit aufgenommen haben, ohne im Besitz einer Bewilligung zu sein. Dass im Sinne des Gemeinschaftsrechts eine gegenwärtige und tatsächliche Gefahr weiterer gleichgelagerter Zuwiderhandlung besteht, kann vernünf-tigerweise nicht bestritten werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die drohende Störung der öffentlichen Ordnung derart schwer wiegt, dass sie als im Widerspruch zu den Grundinteressen der Gesellschaft stehend bewertet werden kann.
Nach Art. 2 Abs. 1
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
Da Bulgarien und Rumänien den in Art. 10 FZA vorgesehenen Beschränkungen bis auf weiteres unterstehen (vgl. Art. 10 Abs. 1b
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
Eine solche Konstellation lag einem nicht publizierten Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) vom 14. März 2004 zu Grunde (Ref-Nr. A1-0320090). Das EJPD bestätigte darin die Einreisesperre gegen einen EU-Bürger, der sich knapp vier Jahre lang illegal in der Schweiz aufgehalten hatte und hier einer Erwerbstätigkeit nachgegangen war, obwohl ihm die zuständige kantonale Migrationsbehörde immer wieder Gelegenheit gegeben hatte, seinen Aufenthalt zu regeln. Ob die fortgesetzte Missachtung einer rechtswirksamen Einreisesperre eine Fernhaltemassnahme rechtfertigen kann, erschien dem Bundesverwaltungsgericht im bereits erwähnten Urteil C-2662/2007 vom 14. März 2008 als fraglich. Es konnte die Frage jedoch offen lassen, weil sich die Massnahme im Lichte des Freizügigkeitsabkommens als unverhältnismässig erwies. In dieselbe Richtung gehen die FZA-Weisungen des BFM. Dort wird festgehalten, dass gegen Vertragsausländer, die aufgrund der Übergangsregelungen noch nicht in den vollen Genuss der Freizügigkeitsrechte kommen, Fernhaltemassnahmen bei ausserordentlich schweren Fällen von Schwarzarbeit möglich seien. Denkbar wäre dies beispiels-weise bei einer ausländischen Bauequipe, die ohne die erforderliche Bewilligung und in Verletzung von gesamtarbeitsvertraglich festgeleg-ten Mindestlöhnen in grossem Umfang in der Schweiz Baudienstleistungen erbringt (Ziff. 12.1.2).
Die Beschwerdeführerinnen gingen in der Schweiz während maximal vier Wochen einer Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung nach. Es liegt auf der Hand, dass der ausländerrechtliche Unrechtsgehalt dieser Zuwiderhandlung weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht die notwendige Schwere erreicht. Das Vorliegen eines schweren Falles kann auch nicht damit begründet werden, dass die Prostitution ein unerwünschtes Verhalten darstellt, wie die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung zu argumentieren scheint. Zunächst gilt es zu bedenken, dass die sozialschädlichen Begleiterscheinungen der Prostitution als solcher, auf die bereits weiter oben hingewiesen wurde, nicht dem persönlichen Verhalten der Beschwerdeführerinnen zugerechnet werden können. Die Anknüpfung der Massnahme an diese Gefahren ist daher im Lichte von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG unzulässig. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die Prostitution als solche, sofern sie von Schweizer Bürgern ausgeübt wird, weder strafrechtlich noch anderweitig verfolgt oder bekämpft wird. Die Schweiz ist daher nach der insoweit verbindlichen Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht berechtigt, die Prostitution wegen ihrer sozialschädlichen Auswirkungen als Störung der öffentlichen Ordnung zu betrachten, die eine Beschränkung der Freizügigkeitsrechte grundsätzlich rechtfertigen kann (vgl. E. 7.3). Aus denselben Gründen ist es der Schweiz aber auch verwehrt, einer Zuwiderhandlung gegen ausländerrechtliche Bestimmungen nur deshalb den notwendigen Schweregrad zuzuerkennen, weil der Vertragsausländer ohne die notwendige Aufenthaltserlaubnis der Prostitution und nicht einer anderen Erwerbstätigkeit nachgeht.
7.5 Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher zum Schluss, dass das Verhalten der Beschwerdeführerinnen keine hinreichende Gefährdung der öffentlichen Ordnung begründet, welche die Grundinteressen der Gesellschaft berührt. Die gegen die Beschwerdeführerinnen verhängten Einreiseverbote halten somit vor dem Freizügigkeitsabkommen nicht stand.
8.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die ursprünglich zu Recht erlassenen Einreiseverbote mit der am 1. Juni 2009 erfolgten Aufnahme Bulgariens und Rumäniens als Vertragsstaaten des Freizügigkeitsabkommens bundesrechtswidrig wurden (Art. 49 Bst. a
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind den Beschwerdeführerinnen ermässigte Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) VZAE Art. 80 |
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE) VGKE Art. 7 Grundsatz |
|
1 | Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten. |
2 | Obsiegt die Partei nur teilweise, so ist die Parteientschädigung entsprechend zu kürzen. |
3 | Keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben Bundesbehörden und, in der Regel, andere Behörden, die als Parteien auftreten. |
4 | Sind die Kosten verhältnismässig gering, so kann von einer Parteientschädigung abgesehen werden. |
5 | Artikel 6a ist sinngemäss anwendbar.7 |
Dispositiv S. 15
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerdeverfahren C-7549/2008 und C-7550/2008 werden vereinigt.
2.
Die Beschwerden werden teilweise gutgeheissen und die am 23. Oktober 2008 verhängten Einreiseverbote auf den 1. Juni 2009 aufgehoben.
3.
Den Beschwerdeführerinnen werden Verfahrenskosten im Betrag von Fr. 600.- auferlegt und mit den geleisteten Kostenvorschüssen von insgesamt Fr. 1'200.- verrechnet. Der Restbetrag von Fr. 600.- wird zurückerstattet.
4.
Den Beschwerdeführerinnen wird zu Lasten der Vorinstanz eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1'000.- (inkl. MWSt.) zugesprochen.
5.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerinnen (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (gegen Empfangsbestätigung) zum Vollzug;
Beilage: Akten ZEMIS [...] und ZEMIS [...]
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Andreas Trommer Lorenz Noli
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE) VGKE Art. 7 Grundsatz |
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1 | Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten. |
2 | Obsiegt die Partei nur teilweise, so ist die Parteientschädigung entsprechend zu kürzen. |
3 | Keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben Bundesbehörden und, in der Regel, andere Behörden, die als Parteien auftreten. |
4 | Sind die Kosten verhältnismässig gering, so kann von einer Parteientschädigung abgesehen werden. |
5 | Artikel 6a ist sinngemäss anwendbar.7 |
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE) VGKE Art. 7 Grundsatz |
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1 | Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten. |
2 | Obsiegt die Partei nur teilweise, so ist die Parteientschädigung entsprechend zu kürzen. |
3 | Keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben Bundesbehörden und, in der Regel, andere Behörden, die als Parteien auftreten. |
4 | Sind die Kosten verhältnismässig gering, so kann von einer Parteientschädigung abgesehen werden. |
5 | Artikel 6a ist sinngemäss anwendbar.7 |
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