Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1P.600/2006 /ggs

Urteil vom 21. Dezember 2006
I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Reeb,
Gerichtsschreiber Störi.

Parteien
1. A.________,
2. B.________ AG,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Strehle,

gegen

C.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Laszlo Georg Séchy,
Statthalteramt des Bezirkes Bülach, Bahnhofstrasse 3, Postfach, 8180 Bülach,
Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, Hirschengraben 13, Postfach, 8023 Zürich.

Gegenstand
Strafverfahren,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss
des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 3. Juli 2006.

Sachverhalt:
A.
Das Statthalteramt Bülach verurteilte C.________ am 14. Juli 2005 wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen im Sinne von Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB zu einer Busse von 300 Franken. Es hielt für erwiesen, dass er gegen eine im summarischen Verfahren ergangene Verfügung des Einzelrichters des Bezirksgerichts Bülach vom 20. Dezember 2001 bzw. 18. Oktober 2002 verstossen habe, indem er Prof. D.________ per E-Mail mitgeteilt habe: "Sie alle wurden auf die genau gleiche Art hineingelegt mit dem Ziel, riesige Lizenzgebühren zu kassieren ohne eine entsprechende Gegenleistung oder funktionierendes Know-how."

Die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Bülach sprach C.________ am 2. Dezember 2005 frei und hob die Strafverfügung des Statthalteramtes auf.

Die Geschädigten, A.________ und die B.________ AG, fochten diesen Entscheid beim Obergericht des Kantons Zürich an. Dessen I. Strafkammer trat am 3. Juli 2006 auf die Berufung nicht ein (Dispositiv-Ziff. 1), auferlegte die Verfahrenskosten den Appellanten je zur Hälfte (Dispositiv-Ziff. 3) und verpflichtete sie, C.________ eine Prozessentschädigung von 1'076 Franken zu bezahlen (Dispositiv-Ziff. 4).
B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 18. September 2006 wegen Verletzung von Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
und Art. 29 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
und 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV beantragen A.________ und die B.________ AG, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an dieses zurückzuweisen. Eventualiter seien die Dispositiv-Ziffern 3 und 4 aufzuheben und die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ans Obergericht zurückzuweisen.

Das Statthalteramt Bülach und das Obergericht verzichten auf Vernehmlassung.

C.________ beantragt, das Gesuch um aufschiebende Wirkung abzuweisen und verzichtet im Übrigen, unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid, auf Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte zulässig ist (Art. 86 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
OG). Die Beschwerdeführer sind durch das Nichteintreten auf ihre Berufung und die Verurteilung zur Bezahlung von Gerichtskosten und einer Entschädigung an die Gegenpartei in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit beschwerdebefugt (Art. 88
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
OG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.
2.
Das Obergericht hat den Beschwerdeführern im angefochtenen Entscheid die Legitimation zur Berufung abgesprochen. Es hat erwogen (E. 2.2 bis 2.5 S. 3 ff.), nach § 395 Abs. 1 Ziff. 2 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO) seien die Geschädigten zur Ergreifung von Rechtsmitteln befugt, sofern ihnen durch die der gerichtlichen Beurteilung unterstellte Handlung unmittelbar ein Schaden zugefügt worden sei oder zu erwachsen gedroht habe. Im Regelfall handle es sich um diejenigen Personen, deren individuelle Rechtsgüter durch die verletzte Strafnorm unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen worden seien. Bezwecke eine Strafnorm hingegen primär den Schutz öffentlicher Interessen, so gelte auch derjenige als Geschädigter, dessen private Interessen durch die strafbare Handlung unmittelbar (mit)beeinträchtigt würden, weil diese Beeinträchtigung unmittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung sei.

Wie sich bereits aus dem Wortlaut des fünfzehnten Titels des Strafgesetzbuches ergebe, gehöre Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB zu den Tatbeständen, welche als Rechtsgut die öffentliche Gewalt und damit öffentliche Interessen schützten. Die Besonderheit des Tatbestands liege darin, dass es sich bei dieser Norm um eine Blankettstrafdrohung handle, die nichts über den Inhalt der ihr zugrunde liegenden hoheitlichen Anordnung aussage, welcher der Täter keine Folge geleistet habe. Sie habe zum einen als Mittel des Verwaltungszwangs vollstreckungsrechtlichen Charakter, diene zum anderen aber auch repressiven Zwecken, indem sie begangenes Unrecht - den Ungehorsam - sanktioniere. Es herrsche in der Lehre Uneinigkeit, ob das Schutzobjekt von Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB die Verfügung sei, welche die Strafandrohung enthalte, oder der Rechtssatz, welcher der Verfügung zugrunde liege. Da die Bestimmung indessen in erster Linie der Durchsetzung hoheitlicher Anordnungen diene, sei das Unrecht der Widerhandlung unmittelbar in der Tatsache des Ungehorsams zu sehen und nur mittelbar in der Zuwiderhandlung gegen den Rechtssatz, auf welchem die Verfügung beruhe. Die Individualinteressen der Privaten würden damit von Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB nur mittelbar geschützt, auch wenn dieser Schutz
grosse Bedeutung haben könne. Die Beschwerdeführer seien daher als Geschädigte nur mittelbar betroffen und damit nicht berufungslegitimiert.
3.
3.1 Die Beschwerdeführer kritisieren die obergerichtliche Auslegung von § 395 Abs. 1 Ziff. 2 StPO nicht, wonach die Geschädigten zur Ergreifung von Rechtsmitteln nur befugt sind, sofern ihnen durch die der gerichtlichen Beurteilung unterstellte Handlung unmittelbar ein Schaden zugefügt wurde oder zu erwachsen drohte. Sie werfen dem Obergericht indessen vor, sie auf Grund einer unhaltbaren Auslegung von Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB als nur mittelbar Geschädigte eingestuft zu haben. Es sei aus diesem Grund zu Unrecht nicht auf ihre Berufung eingetreten und habe dadurch eine formelle Rechtsverweigerung begangen. Ob eine solche vorliegt, prüft das Bundesgericht frei (BGE 126 I 166 E. 3a; 121 I 177 E. 2b/aa; 120 II 425 E. 2a; 119 Ia 4 E. 2a), die von den Beschwerdeführern erhobene Willkürrüge ist daher gegenstandslos.
3.2 Gegen Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB verstösst, wer einem vom zuständigen Richter unter Hinweis auf die Strafdrohung erlassenen Ge- oder Verbot nicht Folge leistet. Die tatbestandsmässige Handlung liegt in der Missachtung der behördlichen Anordnung, was sich bereits aus der systematischen Einordnung der Norm im fünfzehnten Titel des Strafgesetzbuchs "Strafbare Handlungen gegen die öffentliche Gewalt" ergibt. Schutzobjekt der Bestimmung sind damit unmittelbar die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der staatlichen Autorität. Dies selbstverständlich nicht als Selbstzweck, sondern hier zum besonderen Schutz einer von den Beschwerdeführern in eigenem Interesse erstrittenen superprovisorischen Verfügung, deren Missachtung mit strafrechtlichen Sanktionen bedroht wird. Die vom Obergericht beispielshaft angeführten Strafnormen - Art. 285
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 285 - 1. Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohung an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, hindert, zu einer Amtshandlung nötigt oder während einer Amtshandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. In leichten Fällen kann auf Geldstrafe erkannt werden.374
1    Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohung an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, hindert, zu einer Amtshandlung nötigt oder während einer Amtshandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. In leichten Fällen kann auf Geldstrafe erkannt werden.374
2    Wird die Tat von einem zusammengerotteten Haufen begangen, so wird jeder, der an der Zusammenrottung teilnimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. In leichten Fällen kann auf Geldstrafe erkannt werden.
StGB (Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte) und Art. 307 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...417
3    Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.418
StGB (Falsches Zeugnis. Falsches Gutachten. Falsche Übersetzung) - schützen nach dessen Rechtsprechung nebst öffentlichen unmittelbar auch private Interessen, weshalb der Beamte und die privaten Prozessparteien als Geschädigte Rechtsmittel ergreifen können. Dies muss indessen auch im vorliegenden Fall gelten, in welchem das Missachten
des richterlichen Befehls, das grundsätzlich lediglich zivilrechtliche Verantwortlichkeiten begründen würde, durch den Hinweis auf Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB mit einer strafrechtlichen Sanktion bedroht wird. Auch wenn sich die Tathandlung dogmatisch aufteilen lässt in einen Verstoss gegen das richterliche Verbot und einen solchen gegen die amtliche Verfügung, so handelt es sich doch um ein und dieselbe Handlung. Was strafbar ist, ergibt sich, da Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB eine Blankettstrafnorm darstellt, nicht aus dem Strafgesetz selber, sondern aus der jeweiligen Verfügung (Günter Stratenwerth, BT II, 5. Aufl. S. 290). Wie die Interessen der betroffenen Partei an einer unverfälschten Beweislage untrennbar mit dem tatbestandsmässigen Verhalten des Täters verknüpft sind (angef. Urteil S. 4/5 mit Hinweisen), ist dies auch bei der Partei der Fall, die die strafbewehrte amtliche Verfügung erwirkt hat. Bei dieser Sachlage ist es sachlich unhaltbar, dem Geschädigten die Rechtsmittellegitimation abzusprechen mit dem Argument, Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB schütze seine Interessen nur mittelbar. Das Obergericht hat somit eine formelle Rechtsverweigerung begangen, indem es den Beschwerdeführern die Rechtsmittellegitimation abgesprochen hat und aus diesem Grund auf die Berufung
nicht eingetreten ist, die Rüge ist begründet.
4.
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdegegner dessen Kosten (Art. 156
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
OG) und hat ausserdem die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 159
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
OG). Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. Juli 2006 aufgehoben.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Der Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von Fr. 1'800.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Statthalteramt des Bezirkes Bülach und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. Dezember 2006
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Dokument : 1P.600/2006
Datum : 21. Dezember 2006
Publiziert : 19. Januar 2007
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Strafprozess
Gegenstand : Strafverfahren


Gesetzesregister
BV: 9 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
29
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
OG: 86  88  156  159
StGB: 285 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 285 - 1. Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohung an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, hindert, zu einer Amtshandlung nötigt oder während einer Amtshandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. In leichten Fällen kann auf Geldstrafe erkannt werden.374
1    Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohung an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, hindert, zu einer Amtshandlung nötigt oder während einer Amtshandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. In leichten Fällen kann auf Geldstrafe erkannt werden.374
2    Wird die Tat von einem zusammengerotteten Haufen begangen, so wird jeder, der an der Zusammenrottung teilnimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. In leichten Fällen kann auf Geldstrafe erkannt werden.
292 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
307
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...417
3    Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.418
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119-IA-4 • 120-II-425 • 121-I-177 • 126-I-165
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