Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6S.49/2005 /bri

Urteil vom 21. Mai 2005
Kassationshof

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Garré.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Portmann,
gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Bielstrasse 9, 4502 Solothurn.

Gegenstand
Widerruf des bedingten Strafvollzuges,

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Ober-gerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 16. Dezember 2004.

Sachverhalt:
A.
X.________ anerkannte am 23. November 1990 beim Zivilstandsamt Wangen bei Olten die beiden Kinder A.________ (geb. 1987) und B.________ (geb. 1989). Gemäss dem von der Vormundschafts-behörde genehmigten Unterhaltsvertrag verpflichtete er sich zur Bezahlung von folgenden indexierten Unterhaltsleistungen pro Kind:
- Fr. 400.-- von der Geburt bis zum vollendeten 12. Altersjahr,
- Fr. 450.-- vom 13. Altersjahr bis zur Mündigkeit des Kindes, längstens bis zu dessen Eintritt in die volle Erwerbstätigkeit.
X.________ erfüllte seine Unterhaltspflichten bis und mit September 1992. Seither ist er, mit Ausnahme sporadischer Leistungen in den Jahren 1995 und 1997, diesen Pflichten nicht mehr nachgekommen. Diverse Betreibungen führten zu Verlustscheinen.
B.
Das Obergericht des Kantons Solothurn verurteilte X.________ am 29. November 1995 letztinstanzlich wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten zu einer Gefängnisstrafe von 4 Monaten, bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren.

Im April 1998 wurde gegen ihn ein neues Strafverfahren eröffnet. Mit Urteil vom 22. März 2000 wurde er vom Amtsgericht von Olten-Gösgen erneut des gleichen Straftatbestandes schuldig gesprochen. Das Gericht verurteilte ihn zu 8 Monaten Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von 3 Jahren. Der im Urteil vom 29. November 1995 gewährte bedingte Strafvollzug wurde widerrufen.
C.
Auf Appellation des Verurteilten hin bestätigte das Obergericht des Kantons Solothurn am 16. Dezember 2004 den Schuldspruch, reduzierte aber die Strafe auf 5 Monate Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von 3 Jahren. Es ordnete zudem den Widerruf des bedingten Strafvollzuges für die Vorstrafe und die Einweisung in eine Klinik für Suchtkranke an. Der Vollzug der Gefängnisstrafe wurde für die Dauer der Massnahme aufgeschoben.
D.
X.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof und beantragt, das Urteil der Vorinstanz sei insofern (teilweise) aufzuheben, als der am 29. November 1995 gewährte bedingte Straf-vollzug widerrufen und damit eine Klinikeinweisung verbunden wurde. Er stellt zudem Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und um auf-schiebende Wirkung.
E.
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn schliessen auf Gutheissung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB geltend. Der Vollzug der im Urteil vom 29. November 1995 aufgeschobenen Gefängnisstrafe habe im Urteil vom 16. Dezember 2004 nicht mehr angeordnet werden dürfen, weil seit Ablauf der Probezeit mehr als fünf Jahre verstrichen seien.
2.
Der Einwand trifft zu.
Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen, handelt er trotz förmlicher Mahnung des Richters einer ihm erteilten Weisung zuwider, entzieht er sich beharrlich der Schutz-aufsicht oder täuscht er in anderer Weise das auf ihn gesetzte Vertrauen, so lässt der Richter die Strafe vollziehen (Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB). Der Vollzug der aufgeschobenen Strafe kann nicht mehr angeordnet werden, wenn seit Ablauf der Probezeit fünf Jahre verstrichen sind (Art. 41 Ziff. 3 Abs. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB).

Die Probezeit beginnt mit der Eröffnung des Urteils zu laufen, das vollstreckbar wird (BGE 120 IV 172 E. 2a; 118 IV 102 E. 1bb; 109 IV 89 E. b; 104 IV 59 E. 2; 90 IV 241 ff.). Der Beschwerdeführer wurde am 29. November 1995 vom Obergericht des Kantons Solothurn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 4 Monaten verurteilt. Das Urteil wurde ihm am gleichen Tag eröffnet. Die dreijährige Probezeit endete am 29. November 1998. Eine allfällige Anordnung des Strafvollzuges war nur bis am 29. November 2003 möglich. Der am 16. Dezember 2004 vom Obergericht des Kantons Solothurn angeordnete Widerruf ist daher bundesrechtswidrig. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist gutzu-heissen.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 278 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
BStP) und ist dem Beschwerdeführer aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung zuzusprechen (Art. 278 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
BStP).

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gegenstandslos. Mit dem Entscheid in der Sache wird auch der Antrag um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht
1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Ober-gerichts des Kantons Solothurn vom 16. Dezember 2004 aufgehoben, soweit es den Widerruf der Vorstrafe und die damit verbundene Klinik-einweisung betrifft, und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos abgeschrieben.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dem Beschwerdeführer wird aus der Bundesgerichtskasse eine Par-teientschädigung von Fr. 3'000.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. Mai 2005
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 6S.49/2005
Datum : 21. Mai 2005
Publiziert : 07. Juni 2005
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Strafrecht (allgemein)
Gegenstand : Widerruf des bedingten Strafvollzuges


Gesetzesregister
BStP: 278
StGB: 41
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
BGE Register
104-IV-58 • 109-IV-87 • 118-IV-102 • 120-IV-172 • 90-IV-241
Weitere Urteile ab 2000
6S.49/2005
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
probezeit • 1995 • verurteilter • monat • bedingter strafvollzug • kassationshof • unentgeltliche rechtspflege • bundesgericht • unterhaltspflicht • gerichtsschreiber • widerruf des bedingten strafvollzuges • vorinstanz • olten • weisung • entscheid • straf- und massnahmenvollzug • solothurn • richterliche behörde • kantonales rechtsmittel • vormundschaftliche behörde
... Alle anzeigen