Tribunal federal
{T 0/2}
6S.378/2005 /rom
Urteil vom 20. Dezember 2005
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Briw.
Parteien
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Fritz Heeb,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 190 - 1 Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. |
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 22. Juni 2005.
Sachverhalt:
A.
Am 28. September 2004 sprach das Kreisgericht Werdenberg-Sargans A.________ der Vergewaltigung, des Fahrens ohne Haftpflichtversicherung, des Fahrens ohne Fahrzeugausweis oder Kontrollschilder, des Nichttragens des Schutzhelms als Führer eines Motorfahrrads und des Nichtmitführens des Lernfahrausweises als Führer eines Motorfahrrades schuldig. Es bestrafte ihn mit 24 Monaten Zuchthaus.
Am 22. Juni 2005 wies das Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, die Berufung von A.________ ab.
B.
A.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung bzw. Freisprechung oder eventualiter zur Ausfällung einer bedingten Freiheitsstrafe von deutlich unter 18 Monaten an dieses zurückzuweisen. Weiter beantragt er, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren.
Das Kantonsgericht St. Gallen verzichtet auf Gegenbemerkungen.
Der Präsident des Kassationshofs erteilte der Beschwerde mit Verfügung vom 2. November 2005 die aufschiebende Wirkung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
In seinem Hauptstandpunkt rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 190 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 190 - 1 Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 190 - 1 Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. |
2.
Im Eventualstandpunkt wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Strafzumessung. Er macht eine Verletzung von Art. 63

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
|
a | der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und |
b | zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen. |
2.1 Gemäss Art. 63

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
|
a | der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und |
b | zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen. |
Dem Sachrichter steht bei der Gewichtung der genannten Strafzumessungskomponenten ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift in diesen im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde, mit der ausschliesslich eine Rechtsverletzung geltend gemacht werden kann, nur ein, wenn der kantonale Richter den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn er von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist, oder wenn er wesentliche Faktoren ausser Acht gelassen hat, und schliesslich, wenn er solche Elemente in Überschreitung oder Missbrauch seines Ermessens falsch gewichtet hat (vgl. BGE 129 IV 6 E. 6.1).
2.2 Der Beschwerdeführer begründet eine Ermessensverletzung mit dem Hinweis auf verschiedene Urteile des Bundesgerichts, die er dem vorliegenden Sachverhalt gegenüberstellt und die es als offensichtlich erscheinen liessen, dass die von der Vorinstanz verhängte Strafe unverhältnismässig streng sei.
Dem ist entgegen zu halten, dass ein Vergleich mit Urteilen des Bundesgerichts schon deshalb wenig aussagekräftig ist, weil dieses (abgesehen von Rechtsverletzungen) bloss bei Ermessensmissbrauch einschreitet. Im Übrigen führen der Grundsatz der Individualisierung und der dem Sachrichter vom Gesetz bei der Strafzumessung eingeräumte weite Ermessensspielraum nach der Rechtsprechung notwendigerweise zu einer gewissen, vom Gesetzgeber in Kauf genommenen Ungleichheit. Unterschiedliche Gewichtungen der massgebenden Faktoren sind zudem Folge der Unabhängigkeit des Richters, der weiten Strafrahmen, der freien Beweiswürdigung sowie des erheblichen Ermessens des Sachrichters. Die aus diesen Umständen resultierende Ungleichheit in der Zumessung der Strafe reicht für sich allein nicht aus, um auf einen Missbrauch des Ermessens zu schliessen. Soweit die Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens, gestützt auf alle wesentlichen Gesichtspunkte und im Rahmen des richterlichen Ermessens, festgesetzt wurde, sind Unterschiede in der Strafzumessungspraxis innerhalb dieser Grenzen als Ausdruck unseres Rechtssystems hinzunehmen (BGE 6S.460/1999 vom 2. September 1999, E. 2b; BGE 123 IV 150 E. 2a).
2.3 Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers hat sich die Vorinstanz unter Hinweis auf die Ausführungen des Kreisgerichts mit den persönlichen Verhältnissen und dem Vorleben befasst (angefochtenes Urteil S. 21 mit Verweisung auf das Urteil des Kreisgerichts S. 21). Es ist ihr nicht entgangen, dass er erst 23 Jahre alt und einschlägig nicht vorbestraft ist. Zu Recht hat die Vorinstanz aber darauf hingewiesen, dass er neben der Vergewaltigung mehrere Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz begangen hat. Insbesondere durfte sie straferhöhend die verschiedenen Vorstrafen berücksichtigen, vor allem jene wegen Raubes und Beschimpfung mit einer bedingten Gefängnisstrafe von 10 Monaten und einer Busse von Fr. 500.-- (angefochtenes Urteil S. 21 mit Verweisung auf das Urteil des Kreisgerichts S. 21). Wenn er schliesslich geltend macht, dass der Vollzug einer Gefängnisstrafe von 24 Monaten für ihn und seine Familie eine Katastrophe bedeuten würde, so ist ihm entgegen zu halten, dass jedes Strafverfahren - neben Schuldspruch und Sanktion - zusätzliche Belastungen für einen Angeklagten mit sich bringt, die aber nur strafmindernd zu berücksichtigen wären, wenn sie das durchschnittliche Mass übersteigen, was vorliegend nicht der
Fall ist und auch nicht geltend gemacht wird.
2.4 Im Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, er sei durch das Verhalten der Beschwerdegegnerin in Versuchung geführt worden. Das habe die Vorinstanz nicht berücksichtigt.
Gemäss Art. 64 Abs. 2

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59 |
|
a | Der Täter hat mit dem Verbrechen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person besonders schwer beeinträchtigt oder beeinträchtigen wollen. |
b | Beim Täter besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass er erneut eines dieser Verbrechen begeht. |
c | Der Täter wird als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft, weil die Behandlung langfristig keinen Erfolg verspricht.61 |
Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz haben sich der Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerin zwar bereits in einem früheren Zeitpunkt des fraglichen Abends zu einem Flirt getroffen und sich "ein wenig berührt" (angefochtenes Urteil S. 9 und 16), und war die Beschwerdegegnerin später mit dem Beschwerdeführer auf dessen Zimmer gegangen. Aufgrund der festgestellten klaren Haltung der Beschwerdegegnerin im unmittelbaren Zusammenhang mit der Tathandlung (angefochtenes Urteil S. 19) kann aber von einer ernstlichen Versuchung zum Geschlechtsverkehr im Sinne von Art. 64

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59 |
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a | Der Täter hat mit dem Verbrechen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person besonders schwer beeinträchtigt oder beeinträchtigen wollen. |
b | Beim Täter besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass er erneut eines dieser Verbrechen begeht. |
c | Der Täter wird als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft, weil die Behandlung langfristig keinen Erfolg verspricht.61 |
2.5 Schliesslich hätte sich die Vorinstanz mit der Frage des bedingten Strafvollzuges gemäss Art. 41 Ziff. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
|
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Entsprechend diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten vor Bundesgericht (Art. 278 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Dezember 2005
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: