Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C 632/2020
Urteil vom 19. Oktober 2021
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Haag,
nebenamtlicher Bundesrichter Weber,
Gerichtsschreiber Mattle.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch die Rechtsanwälte
Bruno Baer und Dr. Michael E. Dreher,
gegen
Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich,
Bereich Administrativmassnahmen,
Lessingstrasse 33, Postfach, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Rekursabteilung, Neumühlequai 10,
Postfach, 8090 Zürich.
Gegenstand
Führerausweisentzug,
Beschwerde gegen das Urteil vom 22. September 2020
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,
1. Abteilung, Einzelrichter (VB.2020.00504).
Sachverhalt:
A.
A.________ lenkte gemäss Rapport der Kantonspolizei Zürich am 30. Mai 2019 kurz nach 19.00 Uhr ein Motorfahrzeug mit Sportgeräteanhänger bei Oetwil am See auf die A52. Auf der Höhe der Einfahrt auf die A52 verlor der einachsige, mit einem Motorboot beladene Anhänger das linke Rad. In der Folge fuhr A.________ mit dem Anhänger mit dem fehlenden Rad ungefähr 4,3 km auf der A52 Richtung Zürich. Bei der anschliessenden Kontrolle durch die Kantonspolizei wurde festgestellt, dass auf der Achse des Anhängers zwei verschiedene Reifen montiert waren und am Anhänger das Wechselkontrollschild fehlte.
Wegen des beschriebenen Vorfalls wurde A.________ mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 19. Februar 2020 des Statthalteramts des Bezirks Uster der Verletzung unter anderem von Art. 93 Abs. 2 lit. a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 93 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich die Betriebssicherheit eines Fahrzeugs beeinträchtigt, sodass die Gefahr eines Unfalls entsteht. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse. |

SR 741.41 Verordnung vom 19. Juni 1995 über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS) VTS Art. 96 Kontrollschild - Motorwagen müssen vorn und hinten das für diese Stellen bestimmte Kontrollschild tragen. |
B.
Mit Entscheid vom 11. Mai 2020 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich A.________ den Führerausweis für die Dauer eines Monats wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften. Den von A.________ dagegen erhobenen Rekurs wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich am 9. Juli 2020 ab. Dagegen erhob A.________ Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches die Beschwerde am 22. September 2020 abwies.
C.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat A.________ am 16. November 2020 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und von einem Führerausweisentzug sei abzusehen. Das Strassenverkehrsamt beantragt Beschwerdeabweisung. Die Sicherheitsdirektion hat auf Vernehmlassung und Antragstellung verzichtet. Die Vorinstanz beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das vom Bundesgericht zur Stellungnahme eingeladene Bundesamt für Strassen (ASTRA) beantragt Beschwerdeabweisung.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über einen Führerausweisentzug. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 82 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden: |
|
a | gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts; |
b | gegen kantonale Erlasse; |
c | betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen. |

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 89 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer: |
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1 | Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer: |
a | vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; |
b | durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist; und |
c | ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. |
2 | Zur Beschwerde sind ferner berechtigt: |
a | die Bundeskanzlei, die Departemente des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, die ihnen unterstellten Dienststellen, wenn der angefochtene Akt die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann; |
b | das zuständige Organ der Bundesversammlung auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses des Bundespersonals; |
c | Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, wenn sie die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen die Kantons- oder Bundesverfassung gewährt; |
d | Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt. |
3 | In Stimmrechtssachen (Art. 82 Bst. c) steht das Beschwerderecht ausserdem jeder Person zu, die in der betreffenden Angelegenheit stimmberechtigt ist. |
2.
2.1. Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte die Vorinstanz den Entscheid des Strassenverkehrsamts, dem Beschwerdeführer den Führerausweis wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16b - 1 Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer: |
2.2. Das Gesetz unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften (Art. 16a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16b - 1 Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16c - 1 Eine schwere Widerhandlung begeht, wer: |
2.3. Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16b - 1 Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16c - 1 Eine schwere Widerhandlung begeht, wer: |
2.4. Eine Gefahr für die Sicherheit anderer im Sinne von Art. 16a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer: |
3.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, eine Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften begangen und verschuldet zu haben. Er macht aber sinngemäss geltend, die Widerhandlung sei nicht als mittelschwer, sondern als leicht einzustufen. Damit rügt er sinngemäss eine Verletzung von Art. 16a Abs. 1 lit. a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16b - 1 Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer: |
3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, sein Verschulden sei als gering einzustufen. Im Sinne der früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung dürfe die Grösse der Gefährdung nicht unabhängig von der Höhe des Verschuldens beurteilt werden.
Die vom Beschwerdeführer erwähnte Rechtsprechung (BGE 125 II 561) bezog sich auf eine Bestimmung der Verkehrszulassungsverordnung vom 27. Oktober 1976 (VZV; SR 741.51), die mit der Revision des Strassenverkehrsrechts geändert wurde, und überholt ist (BGE 135 II 138 E. 2.2.3). Gründe, weshalb die überholte Rechtsprechung, die auf einer früheren, ausser Kraft getretenen gesetzlichen Grundlage beruhte, vorliegend anzuwenden sei, werden vom Beschwerdeführer nicht genannt und sind nicht erkennbar. Vielmehr müssten für die Annahme einer leichten Widerhandlung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 lit. a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer: |
Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer im angefochtenen Urteil kein hohes Verschulden attestiert. Auf die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach sein Verschulden gering sei, ist somit nicht näher einzugehen.
3.2. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, die Gefährdung des Verkehrs sei nicht gravierend gewesen. Wie die Polizeifotos belegen würden, sei das Verkehrsaufkommen sehr gering gewesen. Die Annahme einer erheblichen abstrakten Gefährdung sei nicht gerechtfertigt. Die A52 sei auf der ganzen Länge richtungsgetrennt mit Leitplanken. Eine Gefährdung des Gegenverkehrs sei somit praktisch ausgeschlossen gewesen. Der Umstand, dass ihn ein überholender Autofahrer mit Hupe und Lichtsignal gewarnt habe, zeige, dass das fehlende Rad für andere Verkehrsteilnehmer sehr leicht erkennbar gewesen sei und dass überholende bzw. nachfolgende Fahrzeuge ein allenfalls schwankendes Fahrzeug ohne weiteres hätten erkennen und reagieren können. Das Statthalteramt sei im Strafbefehl vom 19. Februar 2020 ebenfalls nicht von einer relevanten Verkehrsgefährdung ausgegangen.
Wie die Vorinstanz im angefochtenen Urteil ausführte, enthielt der Strafbefehl keine Tatsachenfeststellungen und keine rechtliche Würdigung zur Frage, ob das Verhalten des Beschwerdeführers eine hohe abstrakte oder konkrete Gefährdung nach sich zog. Damit war diese Frage vom Strassenverkehrsamt im Administrativverfahren bzw. von den Rechtsmittelbehörden frei zu prüfen (vgl. BGE 139 II 95 E. 3.2; 136 II 447 E. 3.1; je mit Hinweisen). Nachdem der einachsige, mit einem Motorboot beladene Anhänger des Beschwerdeführers ein Rad verloren hatte, fuhr der Beschwerdeführer auf der A52 mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 80 km/h noch mehr als vier Kilometer Richtung Zürich. Wie die Vorinstanz zu Recht erwogen hat, stellte das Abfallen eines Rads eine Gefahr für nachfolgende Fahrzeuge dar und bestand ausserdem die Möglichkeit, dass der Anhänger ausschert oder kippt und nachfolgende oder überholende Fahrzeuge gefährdet. Die Einschätzung der Vorinstanz, wonach der Beschwerdeführer nicht nur eine geringe, sondern eine ernstliche (konkrete oder abstrakte) Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen oder in Kauf genommen hat, ist nicht zu beanstanden. Die Einwände des Beschwerdeführers ändern daran nichts.
3.3. Weil der Beschwerdeführer durch sein Verhalten nicht bloss eine geringe, sondern eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit Dritter verursacht hat, hat er - wenn man ihm wie die Vorinstanzen kein schweres Verschulden attestieren will - eine mittelschwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16b - 1 Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16b - 1 Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |
4.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Bereich Administrativmassnahmen, der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, Einzelrichter, und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 19. Oktober 2021
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Chaix
Der Gerichtsschreiber: Mattle