8C_245/2015
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
8C 245/2015
Urteil vom 19. August 2015
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Simon Kehl,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Unfallversicherung (Unfallbegriff; unfallähnliche Körperschädigung),
Beschwerde gegen den Entscheid
des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 19. November 2014.
Sachverhalt:
A.
A.________ war bei der B.________ AG beschäftigt und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 26. März 2013 meldete die Arbeitgeberin, dass er sich am 12. März 2013 auf einer Baustelle beim Tragen von Material am Arm verletzt habe. Mit Verfügung vom 17. Juni 2013 und Einspracheentscheid vom 6. März 2014 lehnte die SUVA ihre Leistungspflicht ab mit der Begründung, dass das Ereignis weder als Unfall noch als unfallähnliche Körperschädigung zu qualifizieren sei.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Obergericht Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 19. November 2014 gut und verpflichtete die SUVA, die gesetzlichen Leistungen zu erbringen.
C.
Die SUVA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides und Bestätigung ihres Einspracheentscheides.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95






1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2


2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Unfallbegriff (Art. 4



3.
Nach den vorinstanzlichen Erwägungen hat sich der Versicherte am 12. März 2013 beim Anheben eines 140 Kilogramm schweren Lamellenrostes zusammen mit einem oder allenfalls auch mit zwei Arbeitskollegen eine Läsion der Brachialissehne zugezogen. Das kantonale Gericht erachtete den Unfallbegriff wegen einer dadurch bedingten ausserordentlichen Belastung des Versicherten als erfüllt. Im Übrigen liege zweifellos eine Sehnenaffektion im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. f

4.
Die SUVA bringt dagegen vor, dass es bei der gegebenen Schwere des angehobenen Rostes an der Ungewöhnlichkeit fehle und das Ereignis daher nicht als Unfall im Rechtssinne zu qualifizieren sei. Des Weiteren handle es sich bei der zugezogenen Verletzung nicht um einen Sehnenriss im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. f

5.
Die Rechtsprechung erachtete den für den Unfallbegriff vorausgesetzten ungewöhnlichen äusseren Faktor bisweilen als erfüllt, wenn beim Heben oder Verschieben einer Last ein ganz ausserordentlicher Kraftaufwand zu einer Schädigung geführt hat (BGE 116 V 136 E. 3b S. 139). Dies galt namentlich dann, wenn zu diesem Kraftaufwand besondere sinnfällige Umstände hinzutraten, wie etwa beim Klavierbauer, welcher einen 500 Kilogramm schweren wegrollenden Flügel aufhalten musste, nachdem er ihn zusammen mit einem Mitarbeiter von zwei Böcken heruntergehoben hatte (RKUV 1991 Nr. U 122 S. 143 E. 3c), beim Versicherten, welcher eine schwere Schachtröhre halten wollte, die auf der nassen, leicht geneigten Unterlage ins Rutschen geraten war und eine Telefonleitung zu beschädigen drohte, und dabei selbst ausglitt (RKUV 1993 Nr. U 162 S. 53), oder bei der Gemeindekrankenschwester, die einen schwergewichtigen Patienten beim Transfer vom Bett in den Rollstuhl vor dem unvermuteten Sturz bewahrte (RKUV 1994 Nr. U 185 S. 79; vgl. auch RKUV 1994 Nr. U 180 S. 37; RKUV 1991 Nr. K 855 S. 15). Hingegen hat das Eidgenössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) das Begriffsmerkmal der
Ungewöhnlichkeit als nicht erfüllt erachtet beim Umlagern eines 100 bis 120 Kilogramm schweren Patienten durch einen Hilfspfleger allein (BGE 116 V 136 E. 3 S. 138 f.), beim Transport einer 200 Kilogramm schweren Glasscheibe zu zweit (Urteil U 214/95 vom 23. Dezember 1996) sowie beim Heben eines 100 Kilogramm schweren Radiators (Urteil U 110/99 vom 12. April 2000 E. 2 und 3) und einer 85 Kilogramm schweren Steinplatte (Urteil U 7/00 vom 27. Juli 2001 E. 3; vgl. auch RKUV 1991 Nr. U 122 S. 143 E. 3c).
Dass im vorliegenden Fall besondere sinnfällige Umstände zur Kraftanstrengung hinzugekommen wären, hat der Versicherte nicht geltend gemacht. Mit Blick auf die geschilderten vergleichbaren Fälle kann das Anheben des 140 Kilogramm schweren Lamellenrostes zu zweit für sich gesehen nicht als ausserordentlicher Kraftaufwand qualifiziert werden, welcher den Unfallbegriff zu begründen vermöchte. Damit entfällt eine Leistungspflicht der SUVA aus Unfall.
6.
Das kantonale Gericht hat unter fachrichterlicher Mitwirkung festgestellt, dass die SUVA im Übrigen auch gestützt auf Art. 9 Abs. 2 lit. f



7.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65





Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 19. November 2014 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom 6. März 2014 bestätigt.
2.
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Simon Kehl wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
4.
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdegegners wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. August 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Leuzinger
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo