Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung III
C-6726/2010
Urteil vom 18. Januar 2011
Richter Antonio Imoberdorf (Vorsitz),
Besetzung Richter Jean-Daniel Dubey, Richterin Ruth Beutler,
Gerichtsschreiber Daniel Grimm.
R._______,
Parteien
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand Visum zu Besuchszwecken für S._______.
Sachverhalt:
A.
Die aus Thailand stammende S._______ (geb. [...], nachfolgend: Gesuchstellerin bzw. Eingeladene) beantragte am 25. Mai 2010 bei der Schweizerischen Botschaft in Bangkok ein Schengenvisum für einen 90-tägigen Besuchsaufenthalt bei R._______ (im Folgenden: Gastgeber bzw. Beschwerdeführer) im Kanton Schwyz.
B.
Die Schweizer Vertretung weigerte sich am 27. Mai 2010, das Visum in eigener Kompetenz zu erteilen, und leitete das Gesuch nach Erhebung eines Kostenvorschusses zur Prüfung und zum Entscheid an die Vorinstanz weiter. In der Folge wurden die Gesuchsunterlagen zwecks Durchführung ergänzender Abklärungen beim Gastgeber an das Amt für Migration des Kantons Schwyz übermittelt.
C.
Obwohl die Schweizerische Botschaft in Bangkok am 27. Mai 2010 nicht eine förmliche Verfügung im Sinne von Art. 6 Abs. 2

D.
Mit Rechtsmitteleingabe vom 15. September 2010 beantragt der Beschwerdeführer implizit die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und die Erteilung des gewünschten Besuchervisums an die Gesuchstellerin. Hierzu bringt er vor, die Zweifel an der Rückreise des Gastes erwiesen sich als in keiner Weise begründet und stellten keinen Grund für eine Visumsverweigerung dar. Zusätzlich zu den bisherigen Garantien biete er eine unwiderrufliche Garantie von Fr. 50'000.- an. In einem beigelegten, an das BFM gerichteten Schreiben vom 3. September 2010 äussert sich der Beschwerdeführer zu seiner Person sowie zur Beziehung zur Gesuchstellerin (es handle sich um seine Freundin) und zu deren familiären Verhältnissen.
E.
Die Vorinstanz schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 16. November 2010 auf Abweisung der Beschwerde. Dabei bringt sie zum Ausdruck, dass an der persönlichen Integrität des Beschwerdeführers nicht gezweifelt werde, seine Zusicherungen jedoch nur schon mangels ihrer rechtlichen Durchsetzbarkeit nicht genügend Gewähr für eine anstandslose und fristgerechte Rückkehr des Gastes zu bieten vermöchten.
F.
In Entgegnung dazu hält der Beschwerdeführer an den gestellten Begehren fest. Der Replik vom 9. Dezember 2010 legte er eine Bürgschaftsverpflichtung (Solidarbürgschaft) der Schwyzer Kantonalbank über Fr. 50'000.- bei.
G.
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1Gemäss Art. 31





1.2Sofern das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt, richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG (Art. 37

1.3Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 48 Abs. 1



2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und - sofern nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49


3.
Das BFM hat trotz nicht ganz korrekter Abwicklung der Angelegenheit durch die Schweizerische Botschaft in Bangkok (formlose Ablehnung des Einreisegesuches am 27. Mai 2010, obwohl dies seit dem 15. Mai 2010 förmlich auf einem eigens hierfür vorgesehenen Formular geschehen müsste) einen Einspracheentscheid gefällt (vgl. hierzu Art. 6 Abs. 2 bzw. Art. 6 Abs. 2BisAuG). Aufgrund der gesamten Umstände (Leisten eines Kostenvorschusses, Entgegennahme von Eingaben als sinngemässe Einsprache) erscheint ein solches Vorgehen nicht zuletzt aus verfahrensökonomischen Überlegungen vertretbar, zumal dem Beschwerdeführer daraus kein Nachteil erwachsen ist und er dagegen keine Einwände erhebt.
4.
Das schweizerische Ausländerrecht kennt weder ein allgemeines Recht auf Einreise noch gewährt es einen besonderen Anspruch auf Erteilung eines Visums. Die Schweiz ist daher - wie andere Staaten auch - grundsätzlich nicht gehalten, Ausländerinnen und Ausländern die Einreise zu gestatten. Vorbehältlich völkerrechtlicher Verpflichtungen handelt es sich dabei um einen autonomen Entscheid (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002, BBl 2002 3774; BGE 135 II 1 E. 1.1 mit Hinweisen).
5.
Die inländischen Bestimmungen über das Visumverfahren und über die Ein- und Ausreise finden Anwendung, sofern die Schengen-Assoziierungsabkommen keine abweichenden Bestimmungen enthalten (vgl. Art. 2 Abs. 4


6.
6.1Angehörige von Drittstaaten benötigen zur Einreise in die Schweiz bzw. den Schengenraum für einen Aufenthalt von höchstens drei Monaten gültige Reisedokumente, die zum Grenzübertritt berechtigen, und ein Visum, sofern dieses erforderlich ist (vgl. Art. 5 Abs. 1 Bst. a


6.2 Im Weiteren müssen Drittstaatsangehörige den Zweck und die Umstände ihres beabsichtigten Aufenthalts belegen und hierfür über ausreichende finanzielle Mittel verfügen (Art. 5 Abs. 1 Bst. b





6.3Werden die Voraussetzungen für die Ausstellung eines für den Schengenraum einheitlichen Visums nicht erfüllt, so kann in Ausnahmefällen ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit erteilt werden. Unter anderem kann der betreffende Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn er es aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen für erforderlich hält (vgl. zum Ganzen Art. 25 Abs. 1 Bst. a Visakodex; ebenso Art. 5 Abs. 4 Bst. c SGK).
7.
Gemäss Anhang I zur Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1 - 7) unterliegt die Gesuchstellerin als thailändische Staatsangehörige der Visumspflicht.
8.
8.1Zur Prüfung des Kriteriums der gesicherten Wiederausreise muss ein zukünftiges Verhalten beurteilt werden. Dazu lassen sich in der Regel keine gesicherten Feststellungen, sondern lediglich Prognosen treffen. Dabei sind sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalles zu würdigen.
8.2Anhaltspunkte zur Beurteilung der Gewähr für eine fristgerechte Wiederausreise können sich aus der allgemeinen Situation im Herkunftsland der Besucherin oder des Besuchers ergeben. Einreisegesuche von Bürgerinnen und Bürgern aus Staaten bzw. Regionen mit politisch oder wirtschaftlich vergleichsweise ungünstigen Verhältnissen können darauf hindeuten, dass die persönliche Interessenlage in solchen Fällen nicht mit dem Ziel und Zweck einer zeitlich befristeten Einreisebewilligung in Einklang steht.
8.3In Thailand sind - vorab in den ländlichen Gebieten des Nordostens, aus denen die Gesuchstellerin stammt - breite Bevölkerungsschichten von kargen ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen betroffen. Die Region der Nordostprovinzen gilt im landesweiten Vergleich als ärmste der insgesamt sechs Regionen (vgl. www.thaiweb-sites.com > Economy and Politics in Thailand > GDP of Thai Regions and Provinces).
8.4Vom Druck zur wirtschaftlichen Existenzsicherung sind häufig Frauen besonders betroffen, die mit ihrem Einkommen oft für die Überlebenschancen ihrer eigenen Haushalte und ganzer Gemeinden sorgen müssen und deren Arbeitsplätze in Zeiten angespannter wirtschaftlicher Verhältnisse - je nach Sektor - besonders gefährdet sind. Entsprechend hat die wirtschaftlich motivierte Emigration von Thailänderinnen nach 1997 zugenommen (Quelle: Schlussbericht vom 13. Mai 2002 der Kommission des Deutschen Bundestags zum Thema Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten, Ziff. 6.2.2.2 S. 317 f., online abrufbar als Bundesdrucksache 14/9200 unter www.bundestag.de > Dokumente & Recherche > Drucksachen; zu den wirtschaftlichen Eckdaten allgemein vgl. Staatssekretariat für Wirtschaft > Themen > Aussenwirtschaft > Länderinformationen > Asien/Ozeanien > Thailand,
8.5 Im Falle der Schweiz wird die Tendenz zur Immigration erfahrungsgemäss dort noch begünstigt, wo durch die Anwesenheit von Verwandten oder Freunden bereits ein minimales soziales Beziehungsnetz besteht. Angesichts der restriktiven Zulassungsregelung werden dabei nicht selten ausländerrechtliche Bestimmungen umgangen, indem versucht wird, den Aufenthalt - einmal eingereist - auf eine ganz andere rechtliche oder faktische Basis zu stellen und sich so der Pflicht zur Wiederausreise zu entziehen. Solche Umstände und Erfahrungen sind beim Entscheid über die Erteilung eines Visums zu berücksichtigen.
8.6Bei der Risikoanalyse sind allerdings nicht nur die erwähnten allgemeinen Umstände und Erfahrungen, sondern auch sämtliche Gesichtspunkte des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen. Obliegt einer gesuchstellenden Person im Heimatland beispielsweise eine besondere berufliche, gesellschaftliche oder familiäre Verantwortung, kann dieser Umstand durchaus die Prognose für eine anstandslose Wiederausreise begünstigen. Umgekehrt muss bei Personen, die in ihrer Heimat keine besonderen Verpflichtungen haben, das Risiko für ein ausländerrechtlich nicht regelkonformes Verhalten (nach bewilligter Einreise zu einem Besuchsaufenthalt) hoch eingeschätzt werden.
9.
9.1Bei der Gesuchstellerin handelt es sich um eine 27-jährige, unverheiratete Frau und Mutter einer bald 6-jährigen Tochter. Der leibliche Vater nimmt seine diesbezügliche Verantwortung laut Darstellung in der Replik nicht wahr. Eltern und Geschwister wohnen am selben Ort. Ansonsten ist über die persönlichen und familiären Verhältnisse wenig bekannt. Aus dem Kindesverhältnis könnte zwar auf gewisse Verpflichtungen geschlossen werden, welche angesichts der geplanten langen Auslandabwesenheit allerdings wieder zu relativieren sind. Der Beschwerdeführer äusserte sich zu besagtem Aspekt nur beiläufig. Ganz allgemein gilt es zu bedenken, dass die Existenz eigener Kinder häufig nicht daran hindert, den Entschluss zur Emigration zu fassen, denn ein solcher Entschluss ist oft mit der Hoffnung verbunden, nahe Angehörige aus dem Ausland besser unterstützen und später allenfalls nachziehen zu können. Sonstige besondere Verpflichtungen familiärer oder beruflicher Natur (siehe formlose Verweigerung des Visums durch die Schweizervertretung vom 27. Mai 2010), welche die Gesuchstellerin nachhaltig von einer möglichen Emigration abzuhalten vermöchten, sind nicht ersichtlich.
9.2Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer wiederholt erklärte, die eingeladene Person (seine Freundin) nach näherem Kennenlernen eventuell heiraten zu wollen. Ob dies noch während des Besuchsaufenthalts oder danach der Fall wäre, lässt der Gastgeber offen. Von daher bestehen hinsichtlich des Aufenthaltszwecks unbestrittenermassen gewisse Bedenken und Unsicherheiten. Hierbei geht es keineswegs darum, eine mögliche Heirat durch Einreisebestimmungen zu erschweren oder verhindern. Wenn aber ein Visum für einen befristeten Besuchsaufenthalt beantragt wird, dessen Erteilung an eine fristgerechte Wiederausreise geknüpft ist, und der Besuch dann je nach Entwicklung der Umstände für Heiratsvorbereitungen benutzt wird (vgl. etwa das Einladungsschreiben vom 24. März 2010), dann liegt es auf der Hand, dass zumindest optionsweise eine dauerhaftere Anwesenheit hierzulande angestrebt wird, was eben nicht dem Zweck eines befristeten Besuchsaufenthalts entspricht. Einreisegesuche zwecks Eheabschluss richten sich derweil nach eigenen Verfahren mit besonderen Zuständigkeiten (vgl. Art. 10



9.3 Vor dem allgemeinen und persönlichen Hintergrund durfte die Vorinstanz demnach davon ausgehen, dass keine hinreichende Gewähr für eine fristgerechte und anstandslose Wiederausreise der Gesuchstellerin nach einem Besuchsaufenthalt besteht. An dieser Beurteilung vermag die Bürgschaftsverpflichtung der Schwyzer Kantonalbank über Fr. 50'000.- nichts zu ändern. Die Integrität des Beschwerdeführers wird, wie schon von der Vorinstanz hervorgehoben, in keiner Weise in Zweifel gezogen. Die von ihm eingegangenen Verpflichtungen umfassen jedoch ausschliesslich das Risiko ungedeckter Kosten im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Besuchsaufenthalt und sind betragsmässig nach oben beschränkt (Art. 8 Abs. 5

Der (durchaus verständliche) Wunsch des Beschwerdeführers, seine Freundin mittels des vorgesehenen Aufenthalts hierzulande besser kennen zu lernen und ihr das Lebensumfeld in der Schweiz zu zeigen, hat demnach in den Hintergrund zu treten. Den Beteiligten ist zuzumuten, ihre freundschaftliche Beziehung vorderhand anderweitig zu pflegen; dies umso mehr, als sich der Beschwerdeführer schon mehrmals nach Thailand begeben hat und eine Wohnsitzverlegung dorthin für ihn laut Stellungnahme vom 3. September 2010 ein Thema ist. Die Visumsverweigerung erscheint unter besagtem Gesichtspunkt daher auch nicht als unverhältnismässig.
10.
Aus den dargelegten Gründen ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das öffentliche Interesse sowie die Beachtung der geltenden Bestimmungen entsprechend gewichtete und der Gesuchstellerin die Einreise verweigerte. Die angefochtene Verfügung ist somit im Ergebnis rechtmässig (Art. 49

11.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie werden mit dem am 12. Oktober 2010 in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
3.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Einschreiben)
- die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. [...] retour)
- das Amt für Migration des Kantons Schwyz
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Antonio Imoberdorf Daniel Grimm
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