Tribunal federal
{T 0/2}
1A.108/2004 /sta
1P.290/2004
Urteil vom 17. November 2004
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, Bundesrichter Aeschlimann, Ersatzrichter Seiler,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Flückiger,
gegen
1. Y.________,
2. Z.________,
Beschwerdegegner, beide vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Walter Keller,
Baukommission der Einwohnergemeinde Deitingen, 4543 Deitingen, vertreten durch Fürsprech und Notar lic. iur. Theo Strausak,
Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, Rötihof, Werkhofstrasse 65, 4509 Solothurn,
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, Amthaus 1, Postfach 157, 4502 Solothurn.
Gegenstand
Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes (Geruchsimmissionen),
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (1A.108/2004) und staatsrechtliche Beschwerde (1P.290/2004) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 6. April 2004.
Sachverhalt:
A.
X.________ reichte am 29. Juni 2000 bei der Baukommission der Einwohnergemeinde Deitingen ein Baugesuch ein. Geplant war in diesem Rahmen der "Abbruch Schweinestall sowie Neubau Schweinestall (Mutterschweine) nach den Richtlinien von Coop-Natura-Plan/ Hühnerhaus dito" an der ... in Deitingen. Das Grundstück lag in der Bauernhofzone (heute Landwirtschaftszone). Unter der Beschreibung des Betriebs war vermerkt: "Es ist keine Mehrbelastung zu erwarten".
Das Gesuch wurde publiziert, ohne dass Einsprachen eingingen.
Nach Ablauf der Einsprachefrist sandte die Baukommission Deitingen das Gesuch mit dem offiziellen Begleitformular für Bauvorhaben mit kantonaler Bewilligungserfordernis, adressiert an "Landwirtschaftsdepartement", der Solothurner Kantonsverwaltung. Das kantonale Amt für Landwirtschaft teilte der Bauverwaltung Deitingen mit Schreiben vom 7. August 2000 mit, entgegen der ursprünglichen Annahme könne auf ein Zirkulationsverfahren innerhalb der Kantonsverwaltung verzichtet werden. Der Schweinestall entspreche den Anforderungen der Tierschutzgesetzgebung, grundsätzlich auch der Hühnerstall. Da kein Gesamtkonzept für den Betrieb vorliege, könnten die Anforderungen bezüglich Gewässerschutz nicht geprüft werden, weshalb allfällige Auflagen seitens der zuständigen Stelle im Amt für Umweltschutz vorbehalten bleiben würden.
Die Baukommission Deitingen erteilte am 30. August 2000 die Baubewilligung unter Vorbehalt allfälliger Auflagen des Amtes für Umweltschutz bezüglich Gewässerschutz.
In der Folge wurde der neue Schweinestall errichtet und in Betrieb genommen.
B.
Nachdem sich Nachbarn, namentlich Z.________ und Y.________, über untragbare Geruchsimmissionen infolge des Betriebs des Schweinestalls beklagt und die Herstellung des rechtmässigen Zustandes verlangt hatten, erliess das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn (im Folgenden: Departement) am 30. Oktober 2003 eine Verfügung. Darin erwog es, die Nachbarn hätten keine Einsprache erhoben, weshalb sie bloss die Stellung von Anzeigern hätten. Diese Anzeige sei zu überprüfen. Die erstellte Baute sei formell rechtswidrig, weil die erforderliche Verfügung zur Einhaltung der Luftreinhalteverordnung nicht vorliege; sie sei auch materiell rechtswidrig, nachdem dadurch die Mindestabstände zu Zonen mit Wohnnutzung verletzt würden. Im Hinblick auf einen allfälligen Widerruf der Bewilligung sei zu berücksichtigen, dass die Baubewilligung in einem ordentlichen Verfahren erteilt worden sei, in welchem die Nachbarn Gelegenheit gehabt hätten, sich gegen das Vorhaben zu wehren. Weiter habe der Bauherr gestützt auf die Baubewilligung eine erhebliche Investition (über Fr. 900'000.--) getätigt. Demzufolge verfügte das Departement:
1. Es wird festgestellt, dass die von der Baukommission Deitingen erteilte Baubewilligung vom 30. August 2000 für Schweinestall und Hühnerhaus formell (fehlende Verfügung des Bau- und Justizdepartements) und materiell (Verletzung der Mindestabstände) rechtswidrig ist.
2. Die Baubewilligung wird aufgrund von § 22 VRG nicht widerrufen."
C.
Y.________ und Z.________ erhoben dagegen am 12. November 2003 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und beantragten den Widerruf der Baubewilligung.
Das Verwaltungsgericht führte am 2. April 2004 einen Augenschein durch. Mit Urteil vom 6. April 2004 erwog es, die erstellte Baute weiche von der erteilten Baubewilligung ab, indem die Anlage in einer Art genutzt werde, die im Baubewilligungsverfahren nicht beurteilt worden sei. Es sei daher ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren durchzuführen. In diesem Rahmen werde zu prüfen sein, ob die Beseitigung der formell und materiell rechtswidrigen Baute oder die Änderung des Betriebs verlangt werden könne. Folglich entschied es wie folgt:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen: Die Verfügung vom 30. Oktober 2003 des Bau- und Justizdepartements wird aufgehoben.
2. Die Baukommission der Einwohnergemeinde Deitingen wird angewiesen, ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren mit Publikation durchzuführen und über die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes zu entscheiden."
Im Übrigen wurden X.________ die Verfahrenskosten auferlegt und er wurde zur Bezahlung einer Parteientschädigung an Y.________ und Z.________ verpflichtet.
D.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist X.________ am 26. April 2004 mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gelangt. Er stellt den Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben; eventuell sei der Kostenentscheid aufzuheben. Mit Eingabe vom 14. Mai 2004 hat er das Urteil auch mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten und damit wiederum dessen Aufhebung verlangt. Zudem hat er um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ersucht.
E.
Der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der staatsrechtlichen Beschwerde mit Verfügung vom 7. Juni 2004 aufschiebende Wirkung erteilt.
F.
Y.________ und Z.________ sowie das Verwaltungsgericht beantragen die Abweisung der beiden Beschwerden. Das Departement und die Baukommission der Einwohnergemeinde Deitingen ersuchen um Gutheissung der Beschwerden, mit Ausnahme des Eventualbegehrens in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das zur Vernehmlassung eingeladene Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) ist der Ansicht, das Verwaltungsgericht habe bezüglich des Umweltschutzrechts bundesrechtskonform entschieden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der angefochtene, kantonal letztinstanzliche Entscheid stützt sich inhaltlich auf eidgenössisches Umweltschutzrecht und unterliegt daher grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 97





2.
Der Beschwerdeführer bringt vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Beschwerdelegitimation der damaligen Beschwerdeführer und heutigen Beschwerdegegner bejaht. Diese Rüge ist vorab zu beurteilen. Erweist sie sich als begründet, wäre nämlich das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf die bei ihm erhobene Beschwerde eingetreten, weshalb der angefochtene Entscheid schon aus diesem Grund aufzuheben wäre.
2.1 Die Legitimation im Verfahren vor dem kantonalen Verwaltungsgericht beurteilt sich grundsätzlich nach kantonalem Recht. Soweit - wie hier - materiell Bundesverwaltungsrecht anzuwenden ist, ist die Beschwerdelegitimation jedoch mindestens im gleichen Umfang wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zu gewährleisten (Art. 98a Abs. 3


2.2 Nach Meinung des Beschwerdeführers hat das Departement im Rahmen seiner Verfügung den Widerruf der Baubewilligung von Amtes wegen überprüft; den heutigen Beschwerdegegnern sei in diesem Verfahren keine Parteistellung zugekommen. Sie seien daher auch zur kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht legitimiert gewesen, zumal sie seinerzeit gegen das Bauvorhaben nicht Einsprache erhoben hätten. Das Verwaltungsgericht ist grundsätzlich gleicher Ansicht, bejahte aber dennoch die Legitimation, weil im Baubewilligungsverfahren die beanstandeten Mängel nicht ersichtlich gewesen und die gerügten Immissionen erst nach der Inbetriebnahme der Anlage entstanden seien. Die (damaligen) Beschwerdeführer hätten daher nach dem Vertrauensgrundsatz im Baubewilligungsverfahren keine Veranlassung gehabt, ihre Rügen geltend zu machen.
2.3 Wer von einer schädlichen oder lästigen Umweltbelastung mehr als jedermann betroffen ist und daher Parteistellung im Sinne von Art. 103 lit. a


SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 6 - Als Parteien gelten Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll, und andere Personen, Organisationen oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht. |

SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 48 |
|
1 | Zur Beschwerde ist berechtigt, wer: |
a | vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; |
b | durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und |
c | ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. |
2 | Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt. |
2.4 Die Beschwerdegegner wohnen rund 80 Meter vom Schweinestall des Beschwerdeführers entfernt. Der Beschwerdeführer macht geltend, sie seien damit ausserhalb der Mindestabstände gemäss den Empfehlungen der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik (sog. FAT-Richtlinien, gemäss Anhang 2 Ziff. 512 Abs. 1 der Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 [LRV; SR 814.318.142.1]) oder nur tangential vom äussersten Kreis betroffen. Die FAT-Richtlinien befassen sich mit der vorsorglichen Emissionsbegrenzung, dienen aber auch als Hilfsmittel zur Beurteilung, ob die Tierhaltungsanlage übermässige Immissionen verursacht (Urteil 1A.58/2001 vom 12. November 2001, E. 2d, in: URP 2002, S. 101). In der baurechtlichen Praxis wird den in der Nähe Wohnenden die Beschwerdebefugnis eingeräumt, wobei keine feste Grenzziehung möglich, sondern auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist (vgl. BGE 116 Ib 321 E. 2d S. 325: bejaht bei 120 m Abstand; BGE 112 Ia 119 E. 4b S. 123: verneint bei 150 m Abstand; BGE 121 II 171 E. 2c/bb S. 175: bejaht bei 150 m Abstand). Im Zusammenhang mit Umweltbeeinträchtigungen ist die Beschwerdelegitimation nicht erst dann gegeben, wenn die Belastung festgelegte Grenzwerte erreicht,
sondern auch schon vorher, sofern die Beschwerdeführer mehr als jedermann betroffen sind (vgl. bzgl. Fluglärm BGE 124 II 293 E. 3a S. 303 f.; bzgl. Schiesslärm BGE 110 Ib 99 E. 1d S. 102; bzgl. Strassenlärm BGE 124 II 517 E. 1 und 3a S. 519; bzgl. nicht-ionisierende Strahlen BGE 128 II 168 E. 2.3 S. 171). Ist dies zu bejahen, können die Beschwerdeführer generell die Rechtmässigkeit des Vorhabens in Frage stellen und somit auch die Überschreitung von Grenzwerten auf anderen Grundstücken rügen (BGE 128 II 168 E. 2.6 S. 172). Im Bereich von Tierställen hat das Bundesgericht die Legitimation abgelehnt bei einem Abstand von 600 Metern (Urteil 1A.179/1996 vom 8. April 1997, E. 3a, in: Pra 1998 S. 32), hingegen anerkannt bei einem Abstand von 45 Metern (Urteil 1A.86/2001 vom 21. Mai 2002 E. 1.3, in: RDAF 2003 I S. 223). Im Urteil 1A.70/2001 vom 3. Oktober 2001, E. 1a, hat es bei einem Abstand von 70 Metern die Legitimation als offensichtlich bezeichnet.
Im Lichte dieser Praxis ist die besondere Betroffenheit der Beschwerdegegner zu bejahen. Diese können somit den Erlass emissionsbeschränkender Massnahmen verlangen und gegen die Weigerung, solche Massnahmen zu treffen, eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben (Art. 97 Abs. 2

SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 48 |
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1 | Zur Beschwerde ist berechtigt, wer: |
a | vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; |
b | durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und |
c | ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. |
2 | Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt. |

3.
3.1 Das Departement ist davon ausgegangen, dass der Schweinestall entsprechend der rechtskräftigen Baubewilligung erstellt worden sei; es hat den Streitfall deshalb nach den Regeln des Widerrufs von Verfügungen behandelt und einen solchen abgelehnt. Dagegen haben die heutigen Beschwerdegegner mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht verlangt, die Baubewilligung sei zu widerrufen.
Das Verwaltungsgericht vertritt demgegenüber die Auffassung, die Baute sei mit der erteilten Baubewilligung nur teilweise bewilligt, teilweise weiche sie jedoch von der Bewilligung ab. Es erachtet für den nicht bewilligten Teil ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren als notwendig; in diesem Rahmen sei über die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes zu befinden. Zu diesem Zweck hat das Verwaltungsgericht die Sache an die Gemeinde zur Durchführung eines Baubewilligungsverfahrens zurückgewiesen. Die vom Departement vorgenommene Interessenabwägung hat es deshalb noch gar nicht materiell überprüft.
Umstritten ist im vorliegenden Verfahren nur, ob die Baute tatsächlich von der erteilten Baubewilligung abweicht. Trifft dies zu, ist die Folgerung des Verwaltungsgerichts richtig. Sollte die Baute hingegen der erteilten Baubewilligung entsprechen, so hätte das Verwaltungsgericht zu Unrecht ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren verlangt.
3.2 Das Verwaltungsgericht wirft dem Beschwerdeführer nicht vor, den Stall anders gebaut zu haben als bewilligt. Es ist aber der Ansicht, die Baugesuchsunterlagen seien in Bezug auf die Nutzung und die daraus resultierenden Immissionen unvollständig gewesen und hätten der Baubehörde nicht erlaubt, die Tragweite der bewilligten Pläne zu erkennen. Der Beschwerdeführer habe zugesichert, dass keine Mehrbelastung entstehe. Die heute bestehende Nutzung des Stalles mit 60 Muttersauen sei nicht bewilligt.
3.3 Den Überlegungen des Verwaltungsgerichts kann nicht gefolgt werden.
3.3.1 Der Beschwerdeführer hatte im Baubewilligungsverfahren einen Plan im Massstab 1:200 eingereicht. In der Vernehmlassung an das Bundesgericht bringt das Verwaltungsgericht vor, aufgrund des kantonalen Bauverfahrensrechts seien Pläne im Massstab 1:50 oder 1:100 verlangt. Indessen gehen aus dem vom Beschwerdeführer eingereichten Plan die Abmessungen des Stalls sowie der einzelnen Boxen klar hervor. Die Anzahl Tiere wird zwar weder im Baugesuch noch im Plan ausdrücklich genannt. Aus dem Plan ist aber ersichtlich, dass der Galtmorenstall eine Fläche von 44 m2 aufweist. Da gemäss Art. 5 Abs. 5

SR 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV) TSchV Art. 5 Pflege |
|
1 | Die Tierhalterin oder der Tierhalter muss das Befinden der Tiere und den Zustand der Einrichtungen so oft wie nötig überprüfen. Sie oder er muss Mängel an den Einrichtungen, die das Befinden der Tiere beeinträchtigen, unverzüglich beheben oder geeignete Massnahmen zum Schutz der Tiere treffen. |
2 | Die Pflege soll Krankheiten und Verletzungen vorbeugen. Die Tierhalterin oder der Tierhalter ist dafür verantwortlich, dass kranke oder verletzte Tiere unverzüglich ihrem Zustand entsprechend untergebracht, gepflegt und behandelt oder getötet werden. Die dafür notwendigen Einrichtungen müssen im Bedarfsfall innerhalb nützlicher Frist zur Verfügung stehen. Die Tiere müssen für tierärztliche oder sonstige Behandlungen sicher fixiert werden können. |
3 | Das arttypische Körperpflegeverhalten darf durch die Haltung nicht unnötig eingeschränkt werden. Soweit es eingeschränkt wird, muss es durch Pflege ersetzt werden. |
4 | Hufe, Klauen, Nägel und Krallen sind soweit nötig regelmässig und fachgerecht zu pflegen und zu beschneiden. Hufe sind soweit nötig fachgerecht zu beschlagen. |
Projekt zu beurteilen.
3.3.2 Eine Baubewilligung für landwirtschaftliche und gewerbliche Bauten legt in der Regel nicht in quantitativer Weise die maximal zulässige Produktion fest, sondern die Grösse der Anlage und die Betriebsart. Daraus ergibt sich dann die zulässige Kapazität der Anlage. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass mit der Baubewilligung diejenige Nutzung bewilligt ist, welche aufgrund der Art und Grösse der Baute zulässig und zu erwarten ist (vgl. Urteil 1P.489/2000 vom 29. Mai 2001, E. 4c, in: Semjud 2001 I S. 581; vgl. auch Urteil 1A.216/2003 vom 16. März 2004, E. 3.2 und 3.3, in: BVR 2004, S. 519 f.). Aufgrund der nachgesuchten und erteilten Baubewilligung musste somit mit einem Bestand von rund 50 Mutterschweinen gerechnet werden. Mindestens dieser Bestand muss als bewilligt gelten. Nach den Angaben des Beschwerdeführers ist zudem im alten Gebäude noch Platz für weitere acht Schweine. Selbst wenn dies nicht zutreffen sollte und die heute gehaltene Zahl von 60 Schweinen tierschutzrechtlich nicht zulässig sein sollte, würde dies nicht bedeuten, dass die Baubewilligung unvollständig wäre, sondern nur, dass der Schweinebestand entsprechend herabgesetzt werden müsste. Da die Geruchsimmissionen nicht linear zu der Anzahl der Tiere
sind, ist dies jedoch für die immissionsrechtliche Beurteilung der Baute nicht ausschlaggebend.
3.3.3 Das Verwaltungsgericht legt entscheidendes Gewicht auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer im Baugesuch vermerkt habe, es sei keine Mehrbelastung zu erwarten. Die Zulässigkeit der Umweltbelastung ist allerdings nicht Inhalt der Baubewilligung, sondern vielmehr deren Voraussetzung. Bei der Erteilung einer Baubewilligung sind die Anforderungen des Umweltrechts einzubeziehen (BGE 126 II 43 E. 3 S. 44). Dabei sind alle Emissionen zu berücksichtigen, die durch die bestimmungsgemässe Nutzung der Anlage verursacht werden (BGE 124 II 272 E. 2a S. 275, mit Hinweisen). Die Luftreinhalte-Verordnung des Kantons Solothurn vom 18. November 1986 (LRV-SO; BGS 812.41) sieht denn auch vor, dass die Baubehörden nach durchgeführtem Einspracheverfahren die Akten dem Amt für Umwelt einreichen, sofern Belange der Luftreinhaltung betroffen sind (§ 2 Abs. 2 LRV-SO). Dieses Amt prüft die Anlage unter dem Gesichtspunkt des Umweltrechts und verlangt gegebenenfalls von der Bauherrschaft eine Immissionsprognose (§ 9 LRV-SO in Verbindung mit Art. 28

SR 814.318.142.1 Verordnung vom 10. Dezember 1984 über Luftreinhalte-Massnahmen bei Feuerungen (LMFV) LMFV Art. 28 Immissionsprognose |
|
1 | Bevor eine stationäre Anlage oder eine Verkehrsanlage, aus der erhebliche Emissionen zu erwarten sind, errichtet oder saniert wird, kann die Behörde vom Inhaber eine Immissionsprognose verlangen. |
2 | Die Prognose muss angeben, welche Immissionen in welchen Gebieten, in welchem Umfang und mit welcher Häufigkeit zu erwarten sind. |
3 | In der Prognose sind die Art und Menge der Emissionen sowie die Ausbreitungsbedingungen und die Berechnungsmethoden anzugeben. |
Dementsprechend hätte vorliegend im Baubewilligungsverfahren geprüft werden müssen, ob mit dem Stallbetrieb, wie er aufgrund der Gesuchseingabe zu erwarten war, übermässige Immissionen verursacht würden. Aufgrund der eingereichten Unterlagen wäre für eine Umweltfachstelle ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die Mindestabstände zu bewohnten Zonen gemäss den FAT-Richtlinien (vgl. Anhang 2 Ziff. 512 Abs. 1 LRV; BGE 126 II 43 E. 4a S. 45) erheblich unterschritten sind. Diese Prüfung wurde indessen nicht durchgeführt und hatte zur Folge, dass die Baubewilligung erteilt worden ist, obwohl die Mindestabstände nicht eingehalten sind. Die Baubewilligungsbehörde gibt an, die FAT-Richtlinien nicht gekannt zu haben. Immerhin hat sie aber das Baugesuch mit dem offiziellen Begleitformular für Bauvorhaben mit kantonalem Bewilligungserfordernis an die kantonalen Behörden geleitet. Offenbar infolge eines Missverständnisses innerhalb der kantonalen Verwaltung wurde diese umweltrechtliche Frage dort nicht weiter abgeklärt. Das Versäumnis hat dazu geführt, dass für die materiell rechtswidrige Baute eine nunmehr formell rechtskräftige Baubewilligung vorliegt.
3.3.4 Ist im Baubewilligungsverfahren eine an sich erforderliche Prüfung unterblieben, so ist die Baubewilligung deswegen nicht unvollständig, sondern allenfalls zu Unrecht erteilt worden. Der Stall muss somit in der Art und Weise, wie er heute betrieben wird, als bewilligt, wenn auch materiell rechtswidrig, gelten. Das Departement hat deshalb den Streitfall mit Recht als Frage des Widerrufs formell rechtskräftiger, aber materiell rechtswidriger Verfügungen behandelt und eine entsprechende Interessenabwägung vorgenommen.
3.4 Aufgrund dieser Sachlage hätte das Verwaltungsgericht die Interessenabwägung des Departements überprüfen müssen, anstatt die Sache zur Durchführung eines nachträglichen Baubewilligungsverfahrens an die Gemeinde zurückzuweisen. Diese Zurückweisung erscheint zudem auch prozessual problematisch: Da nämlich aufgrund der materiellen Rechtswidrigkeit eine nachträgliche Baubewilligung wohl kaum erteilt werden könnte, wäre auch in diesem Verfahren im Wesentlichen nur noch zu prüfen, ob im Lichte des Vertrauensschutzes und des Verhältnismässigkeitsprinzips die Wiederherstellung anzuordnen sei. Der Entscheid der Gemeinde könnte dann wiederum beim Departement angefochten werden, das jedoch genau diese Frage bereits beurteilt hat. Der Entscheid des Departements wäre erneut beim Verwaltungsgericht anfechtbar. Ausser einem Zeitverlust würde durch die Zurückweisung nichts erreicht.
3.5 Die Beschwerde ist aus diesen Gründen gutzuheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts grundsätzlich aufzuheben. Da aber das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers mit Recht auf die Beschwerde der heutigen Beschwerdegegner eingetreten ist (vorne E. 2), hat die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht zur Folge, dass der Entscheid des Departements rechtskräftig würde. Vielmehr ist damit das Verfahren wieder vor Verwaltungsgericht hängig. Es wird die vom Departement beurteilte Frage zu überprüfen haben, ob die Baubewilligung zu widerrufen ist.
3.6 Als mildere Massnahme ist freilich denkbar, dass mit baulichen, technischen oder betrieblichen Massnahmen die Emissionen reduziert werden können. Solche Massnahmen können auch unabhängig von einem allfälligen Widerruf der Baubewilligung angeordnet werden, wenn die Anlage übermässige Immissionen verursacht (Art. 11 Abs. 3

SR 814.01 Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG) - Umweltschutzgesetz USG Art. 11 Grundsatz |
|
1 | Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen und Strahlen werden durch Massnahmen bei der Quelle begrenzt (Emissionsbegrenzungen). |
2 | Unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung sind Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist. |
3 | Die Emissionsbegrenzungen werden verschärft, wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden. |

SR 814.01 Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG) - Umweltschutzgesetz USG Art. 16 Sanierungspflicht |
|
1 | Anlagen, die den Vorschriften dieses Gesetzes oder den Umweltvorschriften anderer Bundesgesetze nicht genügen, müssen saniert werden. |
2 | Der Bundesrat erlässt Vorschriften über die Anlagen, den Umfang der zu treffenden Massnahmen, die Fristen und das Verfahren. |
3 | Bevor die Behörde erhebliche Sanierungsmassnahmen anordnet, holt sie vom Inhaber der Anlage Sanierungsvorschläge ein. |
4 | In dringenden Fällen ordnen die Behörden die Sanierung vorsorglich an. Notfalls können sie die Stilllegung einer Anlage verfügen. |

SR 814.318.142.1 Verordnung vom 10. Dezember 1984 über Luftreinhalte-Massnahmen bei Feuerungen (LMFV) LMFV Art. 9 Verschärfte Emissionsbegrenzungen |
|
1 | Steht fest, dass eine einzelne bestehende Anlage übermässige Immissionen verursacht, obwohl sie die vorsorglichen Emissionsbegrenzungen einhält, so verfügt die Behörde für diese Anlage ergänzende oder verschärfte Emissionsbegrenzungen. |
2 | Die Emissionsbegrenzungen sind so weit zu ergänzen oder zu verschärfen, dass keine übermässigen Immissionen mehr verursacht werden. |
3 | Die ergänzenden oder verschärften Emissionsbegrenzungen werden durch Sanierungsverfügungen mit den Fristen nach Artikel 10 Absatz 2 angeordnet. Notfalls verfügt die Behörde für die Dauer der Sanierung Betriebseinschränkungen oder die Stilllegung der Anlage. |
4 | Werden die übermässigen Immissionen durch mehrere Anlagen verursacht, so richtet sich das Verfahren nach den Artikeln 31-34. |
3.7 In einer besonderen Konstellation besteht die Möglichkeit, dass in einem späteren Zeitpunkt die Durchführung eines Baubewilligungsverfahrens erforderlich sein wird: Wenn eine Sanierung bauliche Massnahmen bedingt, die ihrerseits baubewilligungspflichtig sind, muss die Sanierungsanordnung mit dem Baubewilligungsverfahren koordiniert werden (Art. 25a

SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz RPG Art. 25a Grundsätze der Koordination |
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1 | Erfordert die Errichtung oder die Änderung einer Baute oder Anlage Verfügungen mehrerer Behörden, so ist eine Behörde zu bezeichnen, die für ausreichende Koordination sorgt. |
2 | Die für die Koordination verantwortliche Behörde: |
a | kann die erforderlichen verfahrensleitenden Anordnungen treffen; |
b | sorgt für eine gemeinsame öffentliche Auflage aller Gesuchsunterlagen; |
c | holt von allen beteiligten kantonalen und eidgenössischen Behörden umfassende Stellungnahmen zum Vorhaben ein; |
d | sorgt für eine inhaltliche Abstimmung sowie möglichst für eine gemeinsame oder gleichzeitige Eröffnung der Verfügungen. |
3 | Die Verfügungen dürfen keine Widersprüche enthalten. |
4 | Diese Grundsätze sind auf das Nutzungsplanverfahren sinngemäss anwendbar. |
4.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Treu und Glauben (Art. 9

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
5.
Aus diesen Gründen ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Fortführung des Verfahrens im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang obsiegt keine Partei vollständig. Für die Kostenverlegung ist zu berücksichtigen, dass die ganze Situation durch den Kanton Solothurn zu vertreten ist, weil kantonale Amtsstellen im Baubewilligungsverfahren die Aspekte der Luftreinhaltung nicht geprüft haben. Die Kosten wären daher dem Kanton anzulasten, dem indessen keine Verfahrenskosten auferlegt werden können (Art. 156 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 6. April 2004 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Fortführung des Verfahrens im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
3.
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Verfahrenskosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Baukommission der Einwohnergemeinde Deitingen, dem Bau- und Justizdepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn sowie dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. November 2004
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: