Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 278/05
Urteil vom 15. März 2006
II. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Borella und Kernen; Gerichtsschreiber Hadorn
Parteien
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn, Untere Sternengasse 2, 4500 Solothurn, Beschwerdeführerin, vertreten durch das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, Untere Sternengasse 2, 4500 Solothurn,
gegen
S.________, 1959, Beschwerdegegner
Vorinstanz
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn
(Entscheid vom 13. September 2005)
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 11. Februar 2005 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn den Anspruch von S.________ (geb. 1959) auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Januar 2005 wegen fortdauernder arbeitgeberähnlicher Stellung. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 24. März 2005 fest.
B.
Die dagegen eingereichte Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 13. September 2005 gut. Es verneinte die arbeitgeberähnliche Stellung von S.________ und sprach ihm ab 1. Januar 2005 Arbeitslosenentschädigung zu, sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien.
C.
Das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Solothurn führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.
S.________ und das kantonale Gericht schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz hat die gesetzliche Bestimmung zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz AVIG Art. 31 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn: |
|
1 | Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn: |
a | sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben; |
b | der Arbeitsausfall anrechenbar ist (Art. 32); |
c | das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist; |
d | der Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre Arbeitsplätze erhalten werden können. |
1bis | Zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzung nach Absatz 1 Buchstabe d kann in Ausnahmefällen eine Betriebsanalyse zu Lasten des Ausgleichsfonds durchgeführt werden.145 |
2 | Der Bundesrat kann abweichende Bestimmungen erlassen über die Kurzarbeitsentschädigung: |
a | für Heimarbeitnehmer; |
b | für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit innerhalb vertraglich festgelegter Grenzen veränderlich ist.146 |
3 | Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben: |
a | Arbeitnehmer, deren Arbeitsausfall nicht bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist; |
b | der mitarbeitende Ehegatte des Arbeitgebers; |
c | Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten. |
2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Januar 2005.
2.1 Unbestrittenermassen wurde der Beschwerdegegner auf Ende 2004 aus der Firma H.________ AG entlassen. Indessen blieb er mindestens bis zum Datum des Einspracheentscheides (24. März 2005), welches rechtsprechungsgemäss (BGE 129 V 169 Erw. 1) die zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet, als Verwaltungsratsmitglied dieser Firma mit Einzelunterschrift im Handelsregister eingetragen. Wohl schrieb er am 31. Dezember 2004 dem Betrieb, er trete mit sofortiger Wirkung aus dem genannten Gremium aus, und bat, die Löschung im Handelsregister zu veranlassen. In der Folge geschah dies nicht. Am 5. März 2005 fand eine ausserordentliche Generalversammlung der Firma statt, an welcher auch der Beschwerdegegner teilnahm. Dort bestätigte er seine Demission und ersuchte die Versammlung, "dem Verwaltungsrat den Auftrag zur Löschung der Einzelunterschrift zu erteilen" (Protokollauszug). Auch dies wurde nicht vorgenommen.
2.2 Während die Verwaltung davon ausging, dass angesichts des nach wie vor bestehenden Handelsregistereintrags weiterhin ein Missbrauchsrisiko im Sinne von BGE 123 V 236 bestehe, erwog die Vorinstanz, der Versicherte habe am 31. Dezember 2004 seinen Rücktritt aus dem Verwaltungsrat eingereicht und sei damit effektiv aus der Firma ausgeschieden. Daher komme es nicht mehr auf den Zeitpunkt der Löschung im Handelsregister an. Hiegegen macht das AWA geltend, wohl habe der Versicherte im Schreiben vom 31. Dezember 2004 den Austritt mitgeteilt. Eine Löschung im Handelsregister sei jedoch nicht erfolgt. Nach Art. 711
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 711 |
für einen einzigen Monat gehe und ein Ausscheiden aus der Firma unter den gegebenen Umständen nicht mehr dringlich gewesen sei.
2.3 Als Verwaltungsrat ist der Beschwerdeführer von Gesetzes wegen arbeitgeberähnliche Person (BGE 122 V 273 Erw. 3), denn es gehört nach dem Obligationenrecht (Art. 716-716b) begriffsnotwendigerweise zum Wesen eines solchen, dass er auf die Entscheidfindung der Gesellschaft massgeblichen Einfluss hat. Zwar hat er mit Schreiben vom 31. Dezember 2004 seinen sofortigen Austritt bekannt gegeben. Indessen ist in der Folge nichts geschehen. Nicht nur hat die Firma die Löschung im Handelsregister nicht veranlasst, sondern auch der Beschwerdegegner selbst hat nicht für eine Löschung gesorgt. An der Generalversammlung vom 5. März 2005 nahm er in seiner Funktion als Verwaltungsrat teil. Gemäss dem Protokoll hat er dort erneut auf den Austritt per Ende 2004 hingewiesen. Dennoch war er nach einem entsprechenden Auszug Mitte Juni 2005, somit über drei Monate nach der Generalversammlung, weiterhin als Verwaltungsrat mit Einzelunterschrift im Handelsregister eingetragen. Irgendwelche Bemühungen, die sich verzögernde Löschung zu beschleunigen, sind nicht nachgewiesen. Unter solchen Umständen hatte der Beschwerdegegner immer noch die Möglichkeit, seine arbeitgeberähnliche Stellung zu benutzen. Damit verblieb ein Missbrauchsrisiko, wie die
Rechtsprechung bereits in vergleichbaren Fällen festgehalten hat. Im Urteil M. vom 19. Februar 2003 (C 173/02) erfolgte der Beschluss zur Löschung des Handelsregistereintrags am 19. Juli 2001. Die Anmeldung zur Löschung traf jedoch erst am 14. Dezember 2001 beim Handelsregisteramt ein. Daher verneinte das Gericht den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für das zwischen diesen Daten liegende halbe Jahr und hielt dem Versicherten ebenfalls entgegen, er hätte selber den Antrag auf Löschung stellen können. Auf die Bedeutung des Handelsregistereintrags im Zusammenhang mit der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an arbeitgeberähnliche Personen im Allgemeinen hat das Gericht mehrmals hingewiesen (Urteile B. vom 11. Juli 2005, C 51/05, und K. vom 8. Juni 2004, C 110/03). Denn erst mit der Löschung ist nach aussen hin gegenüber Dritten in verlässlicher Weise kundgetan, dass die betreffende Person endgültig aus der Firma ausgeschieden ist. Im Urteil D. vom 5. Januar 2005 (C 172/04) erwog das Gericht, selbst wenn die Generalversammlung den Austritt aus dem Verwaltungsrat beschlossen habe, bleibe dieser so lange ungewiss, als er nicht in rechtsgenügliche Form gekleidet sei. Dort stellte das Gericht auf den Zeitpunkt ab, an welchem
die entsprechenden notariellen Urkunden erstellt wurden, wobei die Anmeldung beim Handelsregisteramt noch am selben Tag geschah. Vorliegend finden sich keine derartigen Urkunden in den Akten. Die erwähnte Rechtsprechung bezweckt nicht nur dem ausgewiesenen Missbrauch an sich, sondern bereits dem Risiko eines solchen zu begegnen, welches der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an arbeitgeberähnliche Personen inhärent ist (ARV 2003 S. 240 [Urteil F. vom 14. April 2002, C 92/02]). Dass der Beschwerdegegner bereits auf Februar 2005 eine neue Stelle fand, ändert nichts daran, dass im Januar 2005 ein Missbrauchsrisiko im Sinne von BGE 123 V 236 bestanden hat.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 13. September 2005 aufgehoben.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 15. März 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: