Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C 510/2010

Urteil vom 13. Dezember 2010
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Stadelmann,
Gerichtsschreiber Küng.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Gemeinde Dintikon, vertreten durch den Gemeinderat, Altweg 8, 5606 Dintikon,
Kanton Aargau, vertreten durch das Kantonale Steueramt, Rechtsdienst, Telli-Hochhaus, 5004 Aarau,
Beschwerdegegner,

Reformierte Kirchgemeinde Ammerswil, vertreten durch die Kirchenpflege, handelnd durch Heiner Studer, Kurator der Kirchgemeinde, Austrasse 17, 5430 Wettingen.

Gegenstand
Art. 15
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit - 1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
1    Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
2    Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.
3    Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen.
4    Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.
BV (Kirchensteuerpflicht).

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 21. April 2010.
Sachverhalt:

A.
Die Steuerkommission Dintikon veranlagte am 10. März 2005 das Ehepaar X.________ und Y.________ für die Kantons- und Gemeindesteuern 2003. Dabei ging sie davon aus, dass zwar nicht die Ehegatten, wohl aber ihre beiden Söhne A.________ und B.________ der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Aargau angehörten. Dementsprechend erhob die Steuerkommission eine reformierte Kirchensteuer von 2/4 im Betrag von Fr. 623.60. Alle gegen die Erhebung der erwähnten Kirchensteuer gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg.

B.
X.________ und Y.________ beantragen dem Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, das zuletzt in dieser Sache ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 21. April 2010 aufzuheben, die Nichtmitgliedschaft ihrer Söhne A._______ und B.________ bei der evangelisch-reformierten Landeskirche festzustellen und die ungerechtfertigt erhobene Kirchensteuer rückzuvergüten.
Der Gemeinderat Dintikon und das kantonale Steueramt beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Das Verwaltungsgericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Die Kirchenpflege Ammerswil hat sich nicht vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführer stellen in ihrer Eingabe an das Bundesgericht weitgehend bloss ihre Auffassung derjenigen der Vorinstanz gegenüber, ohne näher aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid die von ihnen angerufene Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt. Es erscheint deshalb zweifelhaft, ob ihre Rechtsschrift die Begründungsanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 14 15
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201616 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.17
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
und Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG erfüllt. Wie es sich damit verhält, kann indessen offen bleiben, da die Beschwerde aus den nachstehenden Gründen ohnehin abzuweisen ist.

2.
2.1 Nach Ansicht der Vorinstanz schulden die Beschwerdeführer gestützt auf § 154 Abs. 3 des Steuergesetzes des Kantons Aargau vom 15. Dezember 1998 (StG/AG) für das Steuerjahr 2003 eine reformierte Kirchensteuer von 2/4, da zwar nicht sie selber, wohl aber ihre beiden Söhne damals Mitglied der evangelisch-reformierten Landeskirche gewesen seien. Es sei erwiesen, dass ihre beiden Kinder spätestens seit ihrer Taufe dieser Kirche angehörten und seither nicht aus ihr ausgetreten seien. Ein Nachweis eines Kirchenaustritts vor dem Jahr 2003 sei nicht erbracht worden.

2.2 Die Beschwerdeführer räumen ein, dass ihre Söhne auch nach ihrem eigenen Kirchenaustritt in der evangelisch-reformierten Kirche verblieben seien. Die Kinder seien zum Religionsunterricht angemeldet worden, damit sie sich selber ein Bild über den Glauben machen könnten. Die Beschwerdeführer machen jedoch geltend, die Abmeldung ihrer Kinder vom Religionsunterricht am 4. Januar 2001 müsse als Austritt anerkannt werden. Ergänzend bringen sie vor, dass ihre Söhne im Grunde genommen gar nie vollwertige Kirchenmitglieder geworden seien, da die Säuglingstaufe allein keine Gültigkeit habe, sondern eine Taufe im biblischen Sinn erst mit der Konfirmation stattfinden könne. Solange die Konfirmation nicht erfolgt sei, brauche mangels Mitgliedschaft in der Kirche auch kein Austritt erklärt zu werden.

3.
3.1 Im Kanton Aargau ist Mitglied der evangelisch-reformierten Kirche jeder Einwohner dieser Konfession, der im Kanton seinen Wohnsitz hat und nicht ausdrücklich seinen Austritt erklärt hat (Art. 2 des Organisationsstatuts der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Aargau vom 21. November 1984 [OS]; § 3 der Kirchenordnung der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Aargau vom 22. November 1976 [KO]). Der Erwerb der Konfession und damit der Mitgliedschaft erfolgt - abgesehen von der Aufnahme gemäss § 11 KO - durch blosse Abstammung, wird aber regelmässig durch bestimmte Akte wie die Taufe oder die Anmeldung zum Religionsunterricht bestätigt. Die Beschwerdeführer verkennen, dass nach dieser Regelung die Zugehörigkeit zur Landeskirche nicht auf einer ausdrücklichen Erklärung beruhen muss und in diesem Punkt ein Unterschied zur Regelung des Austritts besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verletzt eine solche Ordnung die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit - 1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
1    Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
2    Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.
3    Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen.
4    Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.
BV) nicht, weil die allenfalls durch blosse Abstammung erworbene Zugehörigkeit jederzeit durch Austritt aufgegeben werden kann (Urteil vom 14. November 1978, in: ZBl 80/1979 78 ff.).

3.2 Aus dem Ausgeführten ergibt sich, dass die Ansicht der Beschwerdeführer, wonach ihre Kinder vor der Konfirmation noch gar nicht Mitglied einer Kirche sein könnten, unzutreffend ist. Soweit ersichtlich haben ihre beiden Söhne die Zugehörigkeit zur evangelisch-reformierten Konfession von ihrem Vater, der früher ebenfalls dieser Kirche angehörte, erworben, was die Eltern später durch die Taufe der Kinder in dieser Kirche und deren Anmeldung zum Religionsunterricht bestätigt haben. Weiter erklären die Beschwerdeführer selber, dass ihre Kinder auch nach ihrem eigenen Kirchenaustritt in den Jahren 1995 und 1999 weiterhin der evangelisch-reformierten Kirche angehörten. Die umstrittene Kirchensteuerpflicht für das Jahr 2003 hängt somit davon ab, ob die beiden Söhne in einem späteren Zeitpunkt, aber noch vor der erwähnten Steuerperiode aus der Kirche ausgetreten sind.

3.3 Nach § 12 KO erfolgt der Austritt aus der Landeskirche durch persönliche schriftliche Erklärung an die Kirchenpflege. Gemäss § 3 Abs. 3 KO kann der Inhaber der elterlichen Sorge für Personen unter 16 Jahren den Austritt erklären. Mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit ist diese Regelung ohne weiteres vereinbar. Denn die Rechtsprechung lässt es zu, dass an die Austrittserklärung gewisse formelle Anforderungen gestellt werden, um überstürzte Austritte unter dem momentanen Einfluss von Drittpersonen zu verhindern. Es darf ausserdem im Interesse der Rechtssicherheit verlangt werden, dass der Wille, der Kirche oder Religionsgemeinschaft nicht mehr anzugehören, unzweideutig erklärt wird (BGE 134 I 75 E. 4.3 S. 78).

3.4 Wie sich aus den Akten ergibt, sind die beiden Söhne der Beschwerdeführer am 11. November 2005 aus der evangelisch-reformierten Kirche ausgetreten. Das Schreiben vom 4. Januar 2001, mit dem die Beschwerdeführer ihre Kinder vom Religionsunterricht abmeldeten, stellt keine genügende Austrittserklärung dar. Denn es wird in ihm mit keinem Wort erwähnt, dass die Söhne der Kirche nicht länger angehören wollten und den Austritt erklärten. Die Beschwerdeführer machen deshalb zu Unrecht geltend, dass der Kirchenaustritt bereits vor der Steuerperiode 2003 erfolgt sei. Der angefochtene Entscheid verletzt daher die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht.

3.5 Die veranlagte Kirchensteuer in Höhe von Fr. 623.60 wird von den Beschwerdeführern betragsmässig nicht bestritten, weshalb sich dazu weitere Ausführungen erübrigen.

4.
Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist demzufolge abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt, unter solidarischer Haftung.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Dezember 2010
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Zünd Küng
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 2C_510/2010
Date : 13. Dezember 2010
Published : 31. Dezember 2010
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Öffentliche Finanzen und Abgaberecht
Subject : Kantons- und Gemeindesteuern 2003 (Kirchensteuerpflicht)


Legislation register
BGG: 42  66  106
BV: 15
BGE-register
134-I-75
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