6S.461/2005
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6S.461/2005 /sza
Urteil vom 11. Januar 2006
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Willisegger.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Brunner,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
Postfach, 8090 Zürich.
Gegenstand
Mehrfache versuchte schwere Körperverletzung, mehrfache Verbreitung menschlicher Krankheiten; Strafzumessung,
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom
19. Mai 2005.
Sachverhalt:
A.
Das Geschworenengericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 15. Juli 2004 der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 231 - Wer aus gemeiner Gesinnung eine gefährliche übertragbare menschliche Krankheit verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. |
X.________ wurde zur Last gelegt, zwischen August 1995 und Juni/Juli 1998 mit fünf Männern, wissend um seine HIV-Infektion, ungeschützt sexuell verkehrt zu haben.
B.
Eine von X.________ erhobene eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 27. Oktober 2004 teilweise gut, hob das Urteil des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom 15. Juli 2003 auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.
Das Bundesgericht bestätigte den Schuldspruch der Vorinstanz weitgehend. Es beanstandete einzig, dass X.________ bezüglich des Geschädigten A.________, den er als einzigen ab einem bestimmten Zeitpunkt über seine HIV-Infektion informiert hatte, für die danach vorgenommenen sexuellen Handlungen nicht nur wegen versuchten Verbreitens menschlicher Krankheiten, sondern auch wegen versuchter schwerer Körperverletzung schuldig gesprochen wurde.
C.
Mit Urteil vom 19. Mai 2005 sprach das Geschworenengericht des Kantons Zürich X.________ erneut der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung und des mehrfachen versuchten Verbreitens menschlicher Krankheiten schuldig, legte das Strafmass jedoch unter Berücksichtigung eines teilweisen materiellen Freispruchs bezüglich des Geschädigten A.________ auf drei Jahre Gefängnis unter Anrechnung von 29 Tagen Untersuchungshaft fest.
D.
X.________ führt mit Eingabe vom 1. Dezember 2005 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Geschworenengerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
E.
Das Geschworenengericht des Kantons Zürich verzichtet auf Gegenbemerkungen. Eine Vernehmlassung der Oberstaatsanwaltschaft wurde nicht eingeholt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerde richtet sich nur gegen das Strafmass. Gemäss Art. 63

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
ausgegangen ist oder wenn er wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch seines Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 129 IV 6 E. 6.1 S. 20 mit Hinweisen).
2.
2.1 Das Geschworenengericht ging unter Verweis auf das erste von ihm ausgefällte Urteil von der schwersten Straftat aus, nämlich der schweren Körperverletzung (Art. 122

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 231 - Wer aus gemeiner Gesinnung eine gefährliche übertragbare menschliche Krankheit verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 66 - 1 Besteht die Gefahr, dass jemand ein Verbrechen oder Vergehen ausführen wird, mit dem er gedroht hat, oder legt jemand, der wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verurteilt wird, die bestimmte Absicht an den Tag, die Tat zu wiederholen, so kann ihm das Gericht auf Antrag des Bedrohten das Versprechen abnehmen, die Tat nicht auszuführen, und ihn anhalten, angemessene Sicherheit dafür zu leisten. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, das Geschworenengericht habe (unter Verweis auf das erste Urteil, S. 93) in Missachtung des Doppelverwertungsverbots erheblich straferhöhend berücksichtigt, dass ein Opfer schon kürzeste Zeit nach der Tat Drittpersonen mit dem Virus hätte infizieren können. Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass dieser Umstand vom Schuldspruch des Verbreitens menschlicher Krankheiten erfasst wird. Es trifft aber nicht zu, dass das Geschworenengericht ihn bei der Strafzumessung doppelt veranschlagt hätte. Vielmehr hat es diesen Strafschärfungsgrund wie übrigens auch die Strafmilderungsgründe zunächst (unter dem Titel "theoretischer Strafrahmen/allgemeine Grundsätze") in seinem ersten Urteil vom 15. Juli 2003 (S. 91 ff.) erwähnt und ihn alsdann gleich wie die Strafmilderungsgründe straferhöhend beziehungsweise -mindernd (S. 93 ff.) in Rechnung gestellt. Daran ist nichts auszusetzen.
2.3 Das Geschworenengericht ist sodann bei der Strafzumessung weder von unmassgeblichen Kriterien ausgegangen, noch hat es wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen oder in Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens falsch gewichtet. In seinem ersten und vom Bundesgericht aufgehobenen Urteil hatte es den Beschwerdeführer mit 3 ½ Jahren Gefängnis bestraft. Nunmehr war der Beschwerdeführer in Bezug auf den Tatbestand der versuchten schweren Körperverletzung in der Mehrzahl der Tathandlungen materiell freizusprechen, wobei er allerdings in Bezug auf den Tatbestand des Verbreitens menschlicher Krankheiten auch in diesen Fällen strafbar blieb. Das Geschworenengericht hat in nicht zu beanstandender Weise aber in Rechnung gestellt, dass der Beschwerdeführer gleichwohl für zahlreiche Straftaten verantwortlich blieb und er die Infektion von insgesamt fünf Personen in Kauf nahm. Im Vergleich zum ersten Urteil zu berücksichtigen war ferner, dass bereits damals (erstes Urteil S. 105) erheblich strafmindernd berücksichtigt worden war, dass der Geschädigte A.________ die Sexualkontakte auch nach Kenntnis der HIV-Infektion beim Beschwerdeführer fortgesetzt hatte. Insofern konnte der materielle Freispruch in diesem Punkt nicht zu einer
massiven Strafreduktion führen. Die Strafreduktion um sechs Monate unter Berücksichtigung der positiven Entwicklung in den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers seit der ersten Hauptverhandlung und des seitherigen Zeitablaufs lässt sich daher nicht als zu geringfügig beanstanden. Schliesslich kann die ausgesprochene Strafe von drei Jahren Gefängnis auch im Ergebnis nicht als übertrieben hart qualifiziert werden, so dass von einem eigentlichen Ermessensmissbrauch gesprochen werden müsste (BGE 127 IV 101 E. 2c S. 104; 123 IV 49 E. 2a S. 51 mit Hinweisen).
3.
Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Geschworenengericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. Januar 2006
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Gesetzesregister
BStP 278OG 152
StGB 11
StGB 21
StGB 22
StGB 63
StGB 66
StGB 68
StGB 122
StGB 231
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 66 - 1 Besteht die Gefahr, dass jemand ein Verbrechen oder Vergehen ausführen wird, mit dem er gedroht hat, oder legt jemand, der wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verurteilt wird, die bestimmte Absicht an den Tag, die Tat zu wiederholen, so kann ihm das Gericht auf Antrag des Bedrohten das Versprechen abnehmen, die Tat nicht auszuführen, und ihn anhalten, angemessene Sicherheit dafür zu leisten. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich: |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 231 - Wer aus gemeiner Gesinnung eine gefährliche übertragbare menschliche Krankheit verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft. |
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