Tribunal federal
{T 0/2}
5P.368/2004 /bnm
Urteil vom 10. Dezember 2004
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Gerichtsschreiberin Scholl.
Parteien
X.________ (Ehefrau),
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Pasquino Bevilacqua,
gegen
Y.________ (Ehemann),
Beschwerdegegner,
vertreten durch Fürsprecher Ulrich Rubeli,
Appellationshof des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern.
Gegenstand
Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationshofs des Kantons Bern, 1. Zivilkammer,
vom 17. August 2004.
Sachverhalt:
A.
Im Rahmen eines Verfahrens auf Abänderung von Eheschutzmassnahmen reduzierte der Gerichtspräsident 3 des Gerichtskreises IV Aarwangen-Wangen am 25. Juni 2004 die von Y.________ an seine Ehefrau, X.________, zu leistenden persönlichen Unterhaltsbeiträge von Fr. 2'840.-- auf Fr. 2'500.-- pro Monat. Dieser Entscheid wurde vom Appellationshof des Kantons Bern am 17. August 2004 vollumfänglich bestätigt.
B.
X.________ gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie verlangt die Aufhebung des Entscheids des Appellationshofs bezüglich der herabgesetzten Unterhaltsbeiträge. Zudem stellt sie ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege einschliesslich Verbeiständung.
Mit Verfügung vom 11. Oktober 2004 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Vernehmlassungen sind nur zum Gesuch um aufschiebende Wirkung eingeholt worden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Entscheide oberer kantonaler Instanzen im Eheschutzverfahren gelten nicht als Endentscheide im Sinne von Art. 48 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
2.
Das Obergericht hat den Umstand, dass die beiden Töchter der Parteien das Mündigkeitsalter erreicht haben, als eine wesentliche, dauerhafte Änderung gewertet, welche zur Neuberechnung der Ehegattenunterhaltsbeiträge Anlass gibt.
Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die Mündigkeit der Töchter einen Abänderungsgrund darstellt, begründet ihre Auffassung indes nicht substantiiert. Damit kann in diesem Punkt mangels rechtsgenüglicher Begründung nicht auf die Beschwerde eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
3.
Strittig ist in der Hauptsache das der Beschwerdeführerin anzurechnende (hypothetische) Einkommen. Die Beschwerdeführerin rügt, der Appellationshof habe die Kriterien gemäss Art. 125
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 125 - 1 Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten. |
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1 | Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten. |
2 | Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind insbesondere zu berücksichtigen: |
1 | die Aufgabenteilung während der Ehe; |
2 | die Dauer der Ehe; |
3 | die Lebensstellung während der Ehe; |
4 | das Alter und die Gesundheit der Ehegatten; |
5 | Einkommen und Vermögen der Ehegatten; |
6 | der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder; |
7 | die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person; |
8 | die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen. |
3 | Ein Beitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre, insbesondere weil die berechtigte Person: |
1 | ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat; |
2 | ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat; |
3 | gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Person eine schwere Straftat begangen hat. |
Diese Rüge erweist sich als unbegründet: Der Appellationshof hat keineswegs die Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin einzig auf Grund ihrer nebenamtlichen Tätigkeiten beurteilt. Vielmehr hat er die Leistungsfähigkeit (auch) anhand der in Art. 125
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 125 - 1 Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten. |
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1 | Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten. |
2 | Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind insbesondere zu berücksichtigen: |
1 | die Aufgabenteilung während der Ehe; |
2 | die Dauer der Ehe; |
3 | die Lebensstellung während der Ehe; |
4 | das Alter und die Gesundheit der Ehegatten; |
5 | Einkommen und Vermögen der Ehegatten; |
6 | der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder; |
7 | die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person; |
8 | die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen. |
3 | Ein Beitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre, insbesondere weil die berechtigte Person: |
1 | ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat; |
2 | ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat; |
3 | gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Person eine schwere Straftat begangen hat. |
und das Stellenangebot sei dementsprechend gross.
Daraus wird ersichtlich, dass der Appellationshof eine Gesamtwürdigung der wesentlichen Faktoren vorgenommen hat; von einem einseitigen Abstellen auf einzelne Kriterien kann damit nicht die Rede sein. Namentlich kann unter Willkürgesichtspunkten nicht beanstandet werden, dass der Appellationshof nicht allein das Alter der Beschwerdeführerin als massgeblich erachtet hat. Bei der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach dem haushaltsführenden Ehegatten, der auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat, die Wiederaufnahme einer solchen dann nicht mehr zuzumuten ist, wenn er im Zeitpunkt der Scheidung das 45. Altersjahr erreicht hat (BGE 114 II 9 E. 7b S. 11; 115 II 6 E. 5a S. 11), handelt es sich nicht um eine starre Regel. Im Einzelfall ist auf die konkreten Umstände abzustellen. Im vorliegenden Fall ist es haltbar, wenn der Appellationshof auf Grund der teilweisen Erwerbstätigkeit während der Ehe und der heutigen nebenamtlichen Tätigkeiten zum Schluss gelangt ist, dass es der Beschwerdeführerin - trotz ihres Alters und ihres angeschlagenen Gesundheitszustandes - zumutbar sei, einer Teilzeitarbeit nachzugehen. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als unbegründet.
4.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Behandlung der Rügen, welche die Beschwerdeführerin gegen die Eventualerwägung des Appellationshofs (Wohnkosten Sohn) vorbringt. Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 125 - 1 Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten. |
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1 | Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten. |
2 | Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind insbesondere zu berücksichtigen: |
1 | die Aufgabenteilung während der Ehe; |
2 | die Dauer der Ehe; |
3 | die Lebensstellung während der Ehe; |
4 | das Alter und die Gesundheit der Ehegatten; |
5 | Einkommen und Vermögen der Ehegatten; |
6 | der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder; |
7 | die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person; |
8 | die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen. |
3 | Ein Beitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre, insbesondere weil die berechtigte Person: |
1 | ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat; |
2 | ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat; |
3 | gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Person eine schwere Straftat begangen hat. |
5.
Die Beschwerdeführerin hat für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Diese ist einer Partei zu bewilligen, die bedürftig und deren Sache nicht aussichtslos ist (Art. 152 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 125 - 1 Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten. |
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1 | Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten. |
2 | Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind insbesondere zu berücksichtigen: |
1 | die Aufgabenteilung während der Ehe; |
2 | die Dauer der Ehe; |
3 | die Lebensstellung während der Ehe; |
4 | das Alter und die Gesundheit der Ehegatten; |
5 | Einkommen und Vermögen der Ehegatten; |
6 | der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder; |
7 | die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person; |
8 | die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen. |
3 | Ein Beitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre, insbesondere weil die berechtigte Person: |
1 | ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat; |
2 | ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat; |
3 | gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Person eine schwere Straftat begangen hat. |
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin in der Hauptsache vorgebracht, der Appellationshof habe keine Gesamtwürdigung der Umstände vorgenommen. Diese Rüge muss angesichts der diesbezüglich einlässlichen Ausführungen im angefochtenen Entscheid als von vornherein aussichtslos angesehen werden. Gleiches gilt, soweit auf Grund mangelnder Begründung überhaupt nicht auf die Beschwerde eingetreten werden konnte. Damit ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Dezember 2004
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: