B_94/02
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
B 94/02
Urteil vom 8. April 2003
I. Kammer
Besetzung
Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Lustenberger, Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber Nussbaumer
Parteien
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, 3003 Bern, Beschwerdeführer,
gegen
1. M.________, vertreten durch Advokat Georges Schmid, Brückenweg 6, 3930 Visp,
2. Berufliche Vorsorgekasse für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber des Walliserhandels (CAPUVA), Bahn- hofstrasse 2, 1951 Sion,
Beschwerdegegner
Vorinstanz
Kantonales Versicherungsgericht Wallis, Sitten
(Entscheid vom 29. August 2002)
Sachverhalt:
A.
M.________ und L.________ heirateten am 20. Juli 1990. Mit Urteil des Bezirksgerichts A.________ vom 8. April 2002, welches am 10. Mai 2002 in Rechtskraft erwuchs, wurde ihre Ehe geschieden. Gemäss Ziff. 2 lit. g des Urteilsdispositivs werden die gegenseitigen Pensionskassenansprüche auf das Scheidungsdatum halbiert.
B.
Nach Überweisung der Sache durch das Scheidungsgericht verpflichtete das Kantonale Versicherungsgericht des Wallis mit Entscheid vom 29. August 2002 die Berufliche Vorsorgekasse für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber des Walliserhandels CAPUVA, vom Freizügigkeitskonto des M.________ Fr. 41'320.10 auf das Freizügigkeitskonto der L.________ bei der Ruhegehalts- und Vorsorgekasse des Lehrpersonals des Kantons Wallis zu überweisen.
C.
Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung von Ziff. 1 des vorinstanzlichen Entscheiddispositivs sei die CAPUVA anzuweisen, vom Vorsorgekonto des M.________ Fr. 41'320.10 auf das Vorsorgekonto der L.________ bei der Ruhegehalts- und Vorsorgekasse des Lehrpersonals nebst Verzugszinsen von 4,25 % nach Ablauf von 30 Tagen seit Datum des Entscheids des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zu überweisen. Die CAPUVA sei weiter anzuweisen, L.________ zusätzlich zur festgelegten Austrittsleistung von Fr. 41'320.10 die auf diesem Betrag in der Zeitspanne zwischen Rechtskraft des Scheidungsurteils und Datum der Überweisung der Austrittsleistung angefallenen reglementarischen Zinsen zu vergüten.
Das kantonale Gericht äussert sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde. M.________, L.________, die CAPUVA und die Ruhegehalts- und Vorsorgekasse des Lehrpersonals des Kantons Wallis verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die vorliegende Streitigkeit unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art. 73




1.2 Beim Prozess um Ausgleichszahlungen aus beruflicher Vorsorge im Scheidungsfall handelt es sich wie bei Austrittsleistungen (Entstehung, Höhe, Erfüllung usw.) um einen Streit um Versicherungsleistungen, weshalb sich die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nach Art. 132


2.
2.1 Art. 122 Abs. 1











2.2
2.2.1 Nach Art. 15 Abs. 1 lit. a


Die zu teilende Austrittsleistung eines Ehegatten entspricht gemäss Art. 22 Abs. 2




Nach Art. 2 Abs. 3


2.2.2 Die in diesen Bestimmungen geregelte Verzinsung der Vorsorgeguthaben bildet wesentliches Merkmal der beruflichen Vorsorge. Die Vorsorgeeinrichtungen sind verpflichtet, die Altersguthaben zu einem Mindestsatz zu verzinsen. Für die Berechnung der zu teilenden Austrittsleistung wird der im Zeitpunkt der Eheschliessung vorhandene Betrag ebenfalls aufgezinst. Damit verbleibt der während der Ehe aufgelaufene Zins dem Ehegatten, welcher der beruflichen Vorsorge angehört (Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995, BBl 1996 I 107). Mit dem Ausscheiden aus der Vorsorgeeinrichtung wird die Austrittsleistung fällig und ist ab diesem Zeitpunkt von der Vorsorgeeinrichtung zu verzinsen (vgl. auch BGE 119 V 135 Erw. 4c). Diese Pflicht zur Entrichtung eines Verzugszinses auf der Austrittsleistung (vgl. Art. 2 Abs. 3

"Damit der Vorsorgeschutz bei einem Stellenwechsel nicht geschmälert wird, muss vorgesehen werden, dass die Austrittsleistung ab Verlassen der Vorsorgeeinrichtung zu verzinsen ist. In der Praxis gewähren zwar die Vorsorgeeinrichtungen vielfach keinen Zins, wenn die Austrittsleistung innerhalb eines Monats nach Fälligkeit überwiesen wird. Diese Praxis benachteiligt aber die Vorsorgenehmer, die beispielsweise von einer Spareinrichtung zu einer andern Spareinrichtung wechseln, da auch die Letztere für diesen Monat keinen Zins gutschreibt; der entstehende Zinsverlust beeinträchtigt direkt den Vorsorgeschutz. Diese Praxis benachteiligt auch die Vorsorgenehmer, denen die Austrittsleistung bar ausbezahlt wird. Die sofortige Verzinsung der Austrittsleistung ab Freizügigkeitsfall stellt geringe administrative Probleme, die sich mit entsprechenden Valutierungsvorschriften bei der Überweisung lösen lassen."
Mit der (durchgehenden) Verzinsung der Vorsorgeguthaben soll der Vorsorgeschutz erhalten bleiben. Diese Überlegungen haben ihre Gültigkeit auch für den Fall der verfahrensmässig bedingten Verzögerung der Aufteilung der Austrittsleistungen bei Ehescheidung und deren Vollzug. Dem Gesichtspunkt der Wahrung und Erhaltung des Vorsorgeschutzes würde es ebenfalls zuwiderlaufen, wenn die Einrichtung der beruflichen Vorsorge (vgl. dazu auch BGE 128 V 45 Erw. 2b mit Hinweisen) vom Zeitpunkt der Scheidung bis zur Übertragung mit dem Guthaben, das der ausgleichsberechtigten geschiedenen Person zusteht, Anlagen tätigen und Erträge erzielen oder der andere geschiedene Ehepartner von den Zinsen auf dem ganzen Altersguthaben alleine profitieren könnte. Der Grundsatz der durchgehenden Verzinsung gilt auch für den Fall, wenn die Teilung der Austrittsleistung auf einen Zeitpunkt vor dem Datum des Ehescheidungsurteils vorgenommen wird.
2.3 Demzufolge ist die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten im Falle der Scheidung zustehende Austrittsleistung vom massgebenden Stichtag der Teilung an bis zum Zeitpunkt der Überweisung oder des Beginns der Verzugszinspflicht zu verzinsen.
3.
Es stellt sich des Weitern die Frage, zu welchem Satz die Austrittsleistungen zu verzinsen sind.
3.1 Im Rahmen des Obligatoriums werden die Altersguthaben mindestens zu dem in Art. 12 BVV2 festgelegten Zinssatz verzinst. Dieser Mindestzinssatz ist auch für die Verzinsung der dem ausgleichsberechtigten Ehegatten geschuldeten Austrittsleistung heranzuziehen. Sofern das Reglement (vgl. dazu Riemer, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 58 § 2 Rz 35 ff., § 4 Rz 15-17) für die Verzinsung der Altersguthaben einen höheren Zinssatz vorsieht, gelangt dieser zur Anwendung. Im Bereich des Obligatoriums hat daher eine Vorsorgeeinrichtung auf der Austrittsleistung (Art. 122


Umhüllende Leistungs- oder Beitragsprimatkassen haben die Austrittsleistung mit dem reglementarischen Zinssatz zu verzinsen, sofern damit im Rahmen der so genannten Schattenrechnung dem BVG-Mindestzinssatz Genüge getan wird. Für nur in der weitergehenden Vorsorge tätige Vorsorgeeinrichtungen gilt ebenfalls in erster Linie der reglementarische Zinssatz. Sieht in diesen beiden Fällen das Reglement keinen Zinssatz vor, so rechtfertigt es sich, subsidiär den in Art. 12 BVV2 vorgesehenen Mindestzinssatz anzuwenden. Dieses Vorgehen ist angezeigt, da Art. 8a

3.2 Zu prüfen ist schliesslich, von welchem Zeitpunkt an eine Vorsorgeeinrichtung auf der Austrittsleistung gegebenenfalls einen Verzugszins schuldet.
3.2.1 Wird die Austrittsleistung infolge Einigung der Parteien unter Einbezug der Vorsorgeeinrichtung im Verfahren nach Art. 141


3.2.2 Etwas anders verhält sich die Situation, wenn nicht das Scheidungsgericht, sondern das Vorsorgegericht gestützt auf Art. 142



3.2.3 In betraglicher Hinsicht ist der Verzugszins auf der Austrittsleistung samt dem reglementarischen oder gesetzlichen Zins bis zum Zeitpunkt des Beginns der Verzugszinspflicht zu bezahlen.
4.
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Beschwerdegegnerin auf der L.________ geschuldeten Austrittsleistung in Höhe von Fr. 41'320.10 ab 10. Mai 2002 einen Zins in reglementarischer oder gesetzlicher (Mindest-)Höhe bis zum Zeitpunkt der Überweisung zu entrichten hat. Ab 31. Tag nach Erlass des vorliegenden Urteils wäre ein Verzugszins von 3,5 % (vgl. Art. 7

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird Ziff. 1 des Dispositivs des Entscheids des Kantonalen Versicherungsgerichts des Wallis vom 29. August 2002 insofern abgeändert, als die von der CAPUVA zu erbringende Austrittsleistung ab 10. Mai 2002 im Sinne der Erwägungen zu verzinsen ist.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonalen Versicherungs-gericht des Wallis, der Ruhegehalts- und Vorsorgekasse des Lehrpersonals des Kantons Wallis und L.________ zugestellt.
Luzern, 8. April 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber: