Tribunal federal
{T 0/2}
5C.98/2006 /sza
Urteil vom 3. Juli 2006
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Ersatzrichter Riemer,
Gerichtsschreiber Zbinden.
Parteien
X.________,
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Harold Külling,
gegen
Y.________,
Beklagten und Berufungsbeklagten.
Gegenstand
Ehescheidung,
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, vom 16. November 2004.
Sachverhalt:
A.
X.________ und Y.________ heirateten am 4. September 1986, nachdem sie am 27. Januar 1986 einen Ehevertrag auf Gütertrennung abgeschlossen hatten. Am 3. Oktober 2002 erhob X.________ (Klägerin) Scheidungsklage. Am 11. Mai 2004 sprach das Bezirksgericht Baden/AG gestützt auf Art. 112
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 112 - 1 Die Ehegatten können gemeinsam die Scheidung verlangen und erklären, dass das Gericht die Scheidungsfolgen beurteilen soll, über die sie sich nicht einig sind. |
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1 | Die Ehegatten können gemeinsam die Scheidung verlangen und erklären, dass das Gericht die Scheidungsfolgen beurteilen soll, über die sie sich nicht einig sind. |
2 | Das Gericht hört sie wie bei der umfassenden Einigung zum Scheidungsbegehren, zu den Scheidungsfolgen, über die sie sich geeinigt haben, sowie zur Erklärung, dass die übrigen Folgen gerichtlich zu beurteilen sind, an. |
3 | ...191 |
B.
Mit Urteil vom 22. November 2005 entschied das Bezirksgericht Baden über die noch offenen Punkte (berufliche Vorsorge, Herausgabe von Gegenständen), gegen welches Urteil gemäss Mitteilung des Obergerichts vom 18. April 2006 keine Appellation erhoben wurde.
C.
Die Klägerin hat am 13. April 2006 beim Bundesgericht erneut Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, vom 16. November 2004 erhoben mit dem Antrag, Disp. Ziff. 1 dieses Urteils aufzuheben und festzustellen, "dass die Parteien gegenseitig keine vermögensrechtlichen Ansprüche mehr besitzen." Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege. Es wurde keine Berufungsantwort eingeholt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die vorliegende Berufung richtet sich ausschliesslich gegen Disp. Ziff. 1 des vorinstanzlichen Urteils vom 16. November 2004, wobei Aufhebung von Disp. Ziff. 1 (Verpflichtung der Klägerin zur Bezahlung von Fr. 31'131.-- an den Beklagten) und die Feststellung verlangt wird, dass die Parteien gegenseitig keine vermögensrechtlichen Ansprüche mehr besitzen. Mit Urteil vom 22. November 2005 hat das Bezirksgericht Baden über die noch offenen Punkte (berufliche Vorsorge, Herausgabe von Gegenständen) entschieden; dieses Urteil ist unangefochten geblieben und am 21. März 2006 rechtskräftig geworden. Mit Bezug auf den mit vorliegender Berufung angefochtenen Punkt stellt das Urteil des Obergerichs des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, vom 16. November 2004 nunmehr einen berufungsfähigen Endentscheid im Sinne von Art. 48 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 112 - 1 Die Ehegatten können gemeinsam die Scheidung verlangen und erklären, dass das Gericht die Scheidungsfolgen beurteilen soll, über die sie sich nicht einig sind. |
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1 | Die Ehegatten können gemeinsam die Scheidung verlangen und erklären, dass das Gericht die Scheidungsfolgen beurteilen soll, über die sie sich nicht einig sind. |
2 | Das Gericht hört sie wie bei der umfassenden Einigung zum Scheidungsbegehren, zu den Scheidungsfolgen, über die sie sich geeinigt haben, sowie zur Erklärung, dass die übrigen Folgen gerichtlich zu beurteilen sind, an. |
3 | ...191 |
2.
Gemäss vorinstanzlichem Urteil ergibt sich der Betrag von Fr. 31'131.-- aus von der Klägerin anerkannten Forderungen des Beklagten von Fr. 46'000.-- für seine Investitionen in Liegenschaften der Klägerin in Ungarn, abzüglich Gegenforderungen von Fr. 10'000.-- und Fr. 4'869.--. Die Klägerin beanstandet einzig, die Vorinstanz sei von einer Anerkennung der Forderung von Fr. 46'000.-- ihrerseits ausgegangen. Im Umstand, dass sie nicht bestritten habe, dass der Beklagte diesen Betrag in ihre Liegenschaften in Ungarn gesteckt habe, sei keine Anerkennung einer entsprechenden Forderung zu erblicken. Angesichts der Gütertrennung könne vorliegend überhaupt keine güterrechtliche Auseinandersetzung stattfinden; vielmehr sei der Beklagte auf das OR zu verweisen, um seinen Rückforderungsanspruch zu begründen. Dabei fehle es aber an einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Parteien.
2.1 Ob vermögensmässige Auseinandersetzungen unter dem Güterstand der Gütertrennung als "güterrechtliche" Auseinandersetzungen zu qualifizieren sind, ist nicht ohne weiteres klar. Entsprechende Fragen, insbesondere auch diejenige der "Schulden zwischen Ehegatten" (Art. 250
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 250 - 1 Der Güterstand hat keinen Einfluss auf die Fälligkeit von Schulden zwischen Ehegatten. |
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1 | Der Güterstand hat keinen Einfluss auf die Fälligkeit von Schulden zwischen Ehegatten. |
2 | Bereitet indessen die Zahlung von Geldschulden oder die Erstattung geschuldeter Sachen dem verpflichteten Ehegatten ernstliche Schwierigkeiten, welche die eheliche Gemeinschaft gefährden, so kann er verlangen, dass ihm Fristen eingeräumt werden; die Forderung ist sicherzustellen, wenn es die Umstände rechtfertigen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 247 - Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder Ehegatte sein Vermögen und verfügt darüber. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 251 - Steht ein Vermögenswert im Miteigentum und weist ein Ehegatte ein überwiegendes Interesse nach, so kann er bei Auflösung des Güterstandes neben den übrigen gesetzlichen Massnahmen verlangen, dass ihm dieser Vermögenswert gegen Entschädigung des andern Ehegatten ungeteilt zugewiesen wird. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 247 - Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder Ehegatte sein Vermögen und verfügt darüber. |
Vorliegend ist die Anwendbarkeit letzterer Bestimmungen zu verneinen.
2.2 Im Rahmen der förmlichen Befragung der Parteien vor erster Instanz am 23. März 2004 zu den verschiedenen finanziellen Aspekten ihrer Ehe erklärte der Beklagte: "Ich habe Fr. 46'000.-- in die Liegenschaften in Ungarn gesteckt", worauf die Klägerin ausführte: "Fr. 46'000.-- könnte etwa stimmen".
Es verletzt kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz von einer derartigen, vorbehaltlosen Zustimmung zur Höhe des in die Liegenschaften der Klägerin gesteckten Betrages bzw. Mehrwertes in rechtlicher Hinsicht auf die Anerkennung einer entsprechenden schuldrechtlichen Forderung schloss; dies trifft jedenfalls dann zu, wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass der Beklagte zuvor immer nur von "Forderungen" bzw. "Rückzahlung" gesprochen hatte und dabei ausdrücklich auch im Zusammenhang mit dem Betrag von Fr. 46'000.-- erwähnte: "In der Anklageschrift vermisse ich die Aufstellung meiner geforderten Beträge (46'000.--) die die Hälfte meinem investiertem Geld für die Liegenschaften ausmachen". Es musste daher der Klägerin einleuchten, dass es sich bei den Fr. 46'000.-- um eine an sie gestellte Forderung handelte. Vor Obergericht hat sie sich denn auch in keiner Weise mit der Frage ihrer Zustimmung bzw. ihrer Anerkennung befasst, sondern, anders als vor Bundesgericht, lediglich darauf hingewiesen, es gehe grundsätzlich um einen "güterrechtlichen Anspruch" bzw. eine "güterrechtliche Auseinandersetzung"; immerhin hat aber auch sie den Betrag von Fr. 46'000.-- ausdrücklich als "Forderung" des Beklagten qualifiziert. Schliesslich ist auf die
Bemerkung von Rechtsanwalt Külling hinzuweisen, welcher in der Appellationsantwort schrieb: "Unstrittig ist, dass er in Liegenschaften in Ungarn diesen Betrag gesteckt hat."
Unter diesen Umständen ist die Berufung abzuweisen.
3.
Ausgangsgemäss wird die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 247 - Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder Ehegatte sein Vermögen und verfügt darüber. |
4.
Das Gesuch der Klägerin um unentgeltliche Rechtspflege ist zufolge Aussichtslosigkeit ihrer Berufung abzuweisen (Art. 152 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 247 - Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder Ehegatte sein Vermögen und verfügt darüber. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch der Klägerin um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Klägerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Juli 2006
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: