Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C 916/2011
Urteil vom 3. Februar 2012
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Schmutz.
Verfahrensbeteiligte
G.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger,
Beschwerdeführer,
gegen
Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV
(Berechnung des Leistungsanspruchs),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 2. November 2011.
Sachverhalt:
A.
G.________, geboren 1959, war seit 1. August 2000 Bezüger einer ganzen und ab 1. September 2003 einer halben Invalidenrente. Im Kanton Zürich bezog er Ergänzungsleistungen. Auf den 1. August 2010 übersiedelte er mit Ehefrau H.________ und drei Kindern (geboren 1994, 1996 und 1998) in den Kanton Thurgau. Am 24. August 2010 beantragte er dort die Weiterausrichtung der Ergänzungsleistungen. Mit Verfügungen vom 11. März 2011 sprach das Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau G.________ ab 1. August 2010 monatliche Ergänzungsleistungen in Höhe von Fr. 2'196.- zu (ab 1. Januar 2011: Fr. 2'282.-). Dabei wurde ein hypothetisches Einkommen der Ehefrau in Höhe von Fr. 19'499.- einbezogen. Zudem wurde G.________ im Jahr 2010 ein hypothetisches Einkommen in Höhe von Fr. 18'720.- und im Jahr 2011 ein solches von Fr. 19'050.- angerechnet. In beiden Jahren wurden überdies Ausbildungs- und Kinderzulagen von Fr. 7'800.- berücksichtigt. Die von G.________ erhobene Einsprache hiess das Amt für AHV und IV mit Entscheid vom 17. Juni 2011 teilweise gut; es stellte fest, dass für eine Übergangsperiode vom 1. August 2010 bis 28. Februar 2011 Ergänzungsleistungen in Höhe von Fr. 4'781.- nachzuzahlen seien.
B.
Die von G.________ hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 2. November 2011 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt G.________ beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben; bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen sei das hypothetische Einkommen der Ehefrau nicht zu berücksichtigen; die Familienzulagen seien entweder gar nicht oder nur zu zwei Dritteln anzurechnen; zudem beantragt er die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Mit Verfügung vom 28. Dezember 2011 weist das Bundesgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. Der Beschwerdeführer bezahlt am 17. Januar 2012 den Gerichtskostenvorschuss. Sein Rechtsvertreter ersucht mit Schreiben vom am 18. Januar 2012 um Wiedererwägung der Verfügung.
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.
Erwägungen:
1.
1.1 Streitig ist die Höhe des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen ab 1. August 2010. Anwendbar sind daher die seit 1. Januar 2008 gültigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG), welches im Rahmen des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2006 über die Schaffung von Erlassen zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (AS 2007 5779) umfassend neu geregelt worden ist.
1.2 Nach Art. 9 Abs. 1



1.3 Unter dem Titel des Verzichtseinkommens (heute: Art. 11 Abs. 1 lit. a

langen Abwesenheit vom Berufsleben die volle Integration in den Arbeitsmarkt in einem gewissen Alter nicht mehr möglich ist. Dies geschieht einerseits in Anlehnung an die Festsetzung von nachehelichen Unterhaltsansprüchen durch Einräumung einer gewissen realistischen Übergangsfrist für die Aufnahme oder Erhöhung des Arbeitspensums, bevor ein hypothetisches Einkommen angerechnet wird. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass nach neuem Scheidungsrecht bezüglich der durch die Rechtsprechung festgelegten bisherigen Altersgrenze von 45 Jahren für einen vollständigen und dauerhaften (Wieder-)Einstieg ins Erwerbsleben eine Erhöhung in Betracht zu ziehen ist; auch geht Art. 14b lit. c

2.
Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
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1 | Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
2 | Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht. |
3 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.96 |

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
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1 | Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
2 | Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht. |
3 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.96 |
3.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe bei der Anrechnung eines hypothetischen Einkommens verkannt, dass der Ehefrau schon deshalb die Aufnahme einer 50%igen Erwerbstätigkeit nicht zuzumuten sei, weil sie Mutter von drei betreuungsbedürftigen Kindern sei. Dazu müsse sie sich um den invaliden Ehemann kümmern. Als 44-Jährige sei sie seit siebzehn Jahren mit der Kinderbetreuung beschäftigt gewesen und vom Arbeitsalltag entwöhnt. Dass ihr eine Beschäftigung zugemutet werde, verletze familienrechtliche Grundsätze und stelle eine Ermessensüberschreitung dar.
3.1 Die familienrechtliche Rechtsprechung, wonach eine Teilzeitarbeit aufgenommen werden kann, sobald das jüngste Kind zehn Jahre alt ist, stellt keine starre Regel, sondern eine Richtlinie dar, die auf durchschnittliche Verhältnisse zugeschnitten ist und vor einer Einzelfallbetrachtung standhalten muss (in BGE 132 III 593 [5C.43/2006] nicht publizierte E. 6.3 mit Hinweis). Sie bezieht sich insbesondere auf die Regelung des nachehelichen Unterhalts nach Auflösung des gemeinsamen Haushalts und ist schon deshalb hier nicht anwendbar, weil die Ehegatten in der gemeinsamen ehelichen Wohnung leben. Der Beschwerdeführer bezieht keine Hilflosenentschädigung (Übersicht Renten und Hilflosenentschädigungen der AHV/IV ab 1. Januar 2011 der Ausgleichskasse Gärtner und Floristen vom 28. Dezember 2010), und es besteht bei ihm laut letztinstanzlichem Urteil 8C 178/2011 vom 11. Mai 2011 eine 50%ige Arbeitsfähigkeit in einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit mit Wechselbelastung sowie Heben von Lasten bis maximal 15 kg (Bericht Psychiatrie X.________ vom 12. August 2008). Die neben den Eheleuten im Haushalt lebenden Kinder waren bei Beginn der Anrechnung der Verzichtseinkommen sechzehn, vierzehn und zwölf Jahre alt. In den Akten finden sich
zwar Hinweise darauf, dass die Ehefrau in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein könnte (Einspracheentscheid vom 17. Juni 2011 E. 2a/b). Der Beschwerdeführer hat indes nie vorgebracht, die Ehefrau sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ein ausserhäusliches Teilzeitpensum zu absolvieren; der RAD-Arzt Dr. med. M.________ schätzte in seiner internen Stellungnahme vom 7. Juni 2011 das der Ehefrau zumutbare theoretische Arbeitspensum auf 50 %.
3.2 Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer dazu mit Recht auf die Schadenminderungspflicht hingewiesen. Sie ist als allgemeiner Grundsatz des Sozialversicherungsrechts bei der Leistungsfestsetzung regelmässig und zwingend zu beachten (BGE 129 V 460 E. 4.2 i.f. S. 463 mit Hinweis). Art. 11 Abs. 1 lit. g

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
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1 | Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
2 | Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht. |
3 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.96 |

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
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1 | Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
2 | Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht. |
3 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.96 |

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
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1 | Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
2 | Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht. |
3 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.96 |
4.
Nach dem Gesagten hat das kantonale Gericht gestützt auf eine einlässliche Würdigung der konkreten Verhältnisse, ohne Bundesrecht zu verletzen, im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der 1967 geborenen Ehefrau, deren jüngstes Kind im Zeitpunkt der Anrechnung eines hypothetischen Einkommens bereits zwölf Jahre alt war, die Aufnahme einer 50%igen Teilzeitbeschäftigung ohne Weiteres zumutbar war.
5.
Zur Höhe der angerechneten Einkommen der Ehegatten ist festzuhalten, dass Annahmen kantonaler Instanzen über hypothetische Geschehensabläufe, die auf Schlussfolgerungen aus konkreten Anhaltspunkten (wie Alter, Gesundheitszustand, Arbeitsmarktlage) beruhen, nicht als Rechtsfrage, sondern als Ergebnis von Beweiswürdigung gelten (in BGE 132 III 593 [5C.43/2006] nicht publizierte E. 6.4 mit Hinweisen). Die Feststellung des kantonalen Gerichts, wonach die Ehefrau des Beschwerdeführers aus der erwerblichen Verwertung einer zumutbaren Teilzeittätigkeit in einem 50 %-Pensum ein Jahreseinkommen von Fr. 19'499.- zu erzielen vermöchte, ist tatsächlicher Natur und für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Sie ist weder offensichtlich unrichtig noch sonst wie bundesrechtswidrig. Zur Frage der Anrechnung der Familienzulagen gilt dasselbe. Die in den Beschwerde erneut gestellte Forderung, wenn schon, sei die Anrechnung nur zu zwei Dritteln vorzunehmen, hat die Vorinstanz unter Hinweis auf Art. 11 Abs. 1 lit. a

6.
Mit der Bezahlung des Kostenvorschusses am 17. Januar 2012 und der durch Endentscheid bestätigten Aussichtslosigkeit der letztinstanzlichen Beschwerde ist das am 18. Januar 2012 gestellte Gesuch um Wiedererwägung der Verfügung vom 28. Dezember 2011 über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos.
7.
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
|
1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 3. Februar 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Meyer
Der Gerichtsschreiber: Schmutz