Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B 783/2011
Urteil vom 2. März 2012
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
X.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Vergehen gegen das Ausländergesetz (Art. 115 Abs. 1 lit. b

SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz AIG Art. 115 Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 5. September 2011.
Sachverhalt:
A.
X.________ reiste am 25. April 2002 in die Schweiz ein und stellte in Vallorbe ein Asylgesuch. Das damals zuständige Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) wies das Gesuch am 30. Oktober 2002 ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz und den Vollzug an. Auf Beschwerde von X.________ hin bestätigte die Schweizerische Asylrekurskommission (ARK) den Entscheid des BFF mit Urteil vom 18. Februar 2003. X.________ wurde in der Folge wiederholt zum Verlassen der Schweiz aufgefordert, letztmals am 28. März 2008 nach Verbüssung einer Freiheitsstrafe von 90 Tagen wegen Widerhandlung gegen das Ausländergesetz im Sinne von Art. 115 Abs. 1 lit. b

SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz AIG Art. 115 Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
Mit Anklageschrift vom 17. Dezember 2010 wird X.________ vorgeworfen, er habe sich von Anfang April 2008 bis zum 6. Dezember 2010 in der Schweiz aufgehalten, obwohl er aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Asylgesuchs und der Anordnung der Wegweisung gewusst habe, dass er das Land seit dem 30. Oktober 2002 hätte verlassen müssen. Stattdessen habe er sich weiterhin hier aufgehalten, den Behörden eine falsche Nationalität angegeben und sich keine Reisepapiere beschafft, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.
B.
Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich sprach X.________ am 10. Februar 2011 wegen illegalen Aufenthalts im Sinne von Art. 115 Abs. 1 lit. b

SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz AIG Art. 115 Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
C.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, das obergerichtliche Urteil vom 5. September 2011 sei wegen Verletzung von Bundesrecht aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1 Wer sich rechtswidrig, namentlich nach Ablauf des bewilligungsfreien oder des bewilligten Aufenthalts, in der Schweiz aufhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft (Art. 115 Abs. 1 lit. b

SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz AIG Art. 115 Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
1.2 Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner sich im Zeitraum von Anfang April 2008 bis zum 6. Dezember 2010 wissentlich und willentlich ohne Aufenthaltstitel in der Schweiz aufgehalten hat. Sein Asylgesuch wurde rechtskräftig abgewiesen, die Wegweisung definitiv verfügt und er wiederholt, letztmals am 28. März 2008, zum Verlassen der Schweiz aufgefordert.
1.3 Für die Strafbarkeit des rechtswidrigen Verweilens nach Art. 115 Abs. 1 lit. b

SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz AIG Art. 115 Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
1.4
1.4.1 Nach den Feststellungen der Vorinstanz konnte die Identität des Beschwerdegegners nicht mittels eines Ausweispapieres festgestellt werden. Dieser hielt jedoch stets daran fest, Angolaner zu sein. Bei den Akten des Migrationsamts liegt denn auch eine entsprechende Geburtsurkunde des Beschwerdegegners in Kopie. Der angolanische Staat hat diesen indessen anlässlich von zwei Befragungen in den Jahren 2006 und 2008 nicht als Staatsangehörigen anerkannt. Die Gründe hierfür sind den Akten nicht zu entnehmen. Auch wenn nicht auszuschliessen ist, dass der Beschwerdegegner die hiesigen Behörden über seine wahre Herkunft täuscht, kann ihm solches nach den unangefochten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Entscheid (S. 8) nicht nachgewiesen werden. Die Vorinstanz nimmt daher an, der Beschwerdegegner sei angolanischer Staatsangehöriger. Die Beschwerdeführerin beanstandet diesen Schluss zu Recht nicht als willkürlich (vgl. Beschwerde, S. 4).
1.4.2 Ist davon auszugehen, der Beschwerdegegner sei Angolaner, steht die Weigerung des angolanischen Staates, ihn als solchen anzuerkennen und entsprechende Identitäts- und Reisepapiere auszustellen, einer rechtmässigen Ausreise des Beschwerdegegners in sein Heimatland entgegen. Von ihm kann nach rechtsstaatlichen Grundsätzen auch keine illegale Ausreise in einen Drittstaat verlangt werden (BGE 133 II 97 E. 4.2.2). Mit andern Worten war es dem Beschwerdegegner objektiv unmöglich, die Schweiz legal zu verlassen. Der Normverstoss kann ihm unter diesen Umständen nicht zur Last gelegt werden. Das ergibt sich bereits aus der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 115 Abs. 1 lit. b

SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz AIG Art. 115 Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |

SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz AIG Art. 115 Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
die Anerkennung der Staatsangehörigkeit bei den angolanischen Behörden sowie bei anderen Institutionen/Organisationen und die Beschaffung von Reisepapieren hätte bemühen müssen, stellt sich daher entgegen der Annahme in der Beschwerde (S. 4 ff.) nicht im Zusammenhang mit dem Vorwurf des illegalen Aufenthalts nach Art. 115 Abs. 1 lit. b

SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz AIG Art. 115 Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |

SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz AIG Art. 120 Weitere Widerhandlungen - 1 Mit Busse wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig: |
1.4.3 Der vorinstanzliche Freispruch des Beschwerdegegners vom Vorwurf des illegalen Aufenthalts ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
|
1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. März 2012
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill