Bundesstrafgericht
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal
Geschäftsnummer:
BA.2006.2
Entscheid vom 2. Februar 2007 I. Beschwerdekammer
Besetzung
Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Tito Ponti und Cornelia Cova , Gerichtsschreiber Hanspeter Lukács
Parteien
A.,
Beschwerdeführer
gegen
Schweizerische Bundesanwaltschaft,
Beschwerdegegnerin
Gegenstand
Aufsichtsbeschwerde betreffend Kontrollmassnahmen gegenüber Rechtsanwälten (Art. 28 Abs. 2
SGG)
Sachverhalt:
A. A. vertritt B. anwaltlich in einem durch die Schweizerische Bundesanwaltschaft (nachfolgend: „Bundesanwaltschaft“) geführten gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren. Vor den Einvernahmen im Einvernahmezentrum in Bern (nachfolgend: „EZ“) wurde A. einer Durchsuchung unterzogen, sein Aktenkoffer kontrolliert und er wurde angewiesen, sein Mobiltelefon abzugeben. Mit Eingabe vom 5. September 2006 ersuchte A. die Bundesanwaltschaft um Aufhebung dieser Kontrollmassnahmen (act. 1.1). Die Bundesanwaltschaft teilte A. mit Schreiben vom 6. November 2006 mit, dass seinem Gesuch nicht entsprochen werden könne (act. 1.3).
B. Gegen dieses Schreiben erhebt A. am 13. November 2006 Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes und beantragt unter Entschädigungsfolgen, dass die Bundesanwaltschaft anzuweisen sei, die Kontrollmassnahmen gegenüber Rechtsanwälten zu unterlassen (act. 1). Auf entsprechende Rückfrage hin teilt A. mit, dass er seine Eingabe als Aufsichtsbeschwerde betrachte (act. 3).
Die Bundesanwaltschaft beantragt in ihrer Beschwerdeantwort das kostenfällige Nichteintreten auf die Beschwerde (act. 5).
Mit Replik vom 7. Dezember 2006 und Duplik vom 20. Dezember 2006 halten die Parteien an ihren Anträgen fest (act. 7 und 9).
Auf die Ausführungen der Parteien sowie die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den rechtlichen Erwägungen eingegangen.
Die I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 28 Abs. 2
SGG obliegt der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes die Aufsicht über die Ermittlungen der gerichtlichen Polizei und die Voruntersuchung in Bundesstrafsachen. In verfahrensmässiger und materieller Hinsicht regelt das SGG das Aufsichtsverfahren nicht. Gemäss Botschaft des Bundesrates zur Totalrevision der Bundesrechtspflege handelt es sich um eine allgemeine Aufsicht (
BBl 2001 S. 4365) und geht über das durch Art. 105bis Abs. 2
und Art. 214
BStP statuierte Beschwerdeverfahren gegen Amtshandlungen und Säumnis des Bundesanwaltes bzw. des Eidgenössischen Untersuchungsrichters hinaus. Der Zweck von Aufsichtsbeschwerden besteht darin, dass übergeordnete Behörden mittels Aufsichts- und Disziplinargewalt gegen Missstände einschreiten können (Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, N. 1018). Mittels Aufsichtsbeschwerden können in einem umfassenden Sinne Rechts- und Pflichtverletzungen von Justizfunktionären gerügt werden, wie fehlerhafte (vor allem willkürliche und klar rechtswidrige) Anordnungen, aber auch unbotmässiges Verhalten (Schmid, a.a.O., N. 1018; Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Basel 2006, S. 464 N. 6). Eine Frist zum Vorbringen entsprechender Rügen besteht nicht. Da im Aufsichtsbeschwerdeverfahren der beschwerdeführenden Partei in der Regel keine Kosten überbunden werden, entfällt eine Kostenvorschusspflicht (TPF
BA.2005.9 vom 16. November 2005 E. 1).
2.
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die zur Diskussion stehenden Kontrollen vom „Sicherheitspersonal“ durchgeführt werden (act. 1). Die Beschwerdegegnerin führt dazu zusammengefasst aus, dass das EZ vom Bundesamt für Polizei (nachfolgend: „Fedpol“) geführt und die Sicherheit des EZ von einer Sektion des Bundessicherheitsdienstes (nachfolgend „BSD“) gewährleistet werde. Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes verfüge über keine Aufsichtskompetenzen gegenüber dem BSD, da dieser vollumfänglich der Fedpol eingegliedert sei (act. 5). Demzufolge könne auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
2.2. Die Beschwerdegegnerin verkennt in ihrer Argumentation, dass sich die Beschwerde nicht gegen den BSD, sondern gegen die Bundesanwaltschaft als Beschwerdegegnerin richtet, welche es unterlassen habe, den BSD anzuweisen, von Kontrollmassnahmen gegenüber Rechtsanwälten abzusehen.
Unbestrittenermassen finden die gerügten Kontrollen im Kontext von Einvernahmen statt, die durch die Beschwerdegegnerin durchgeführt werden. Wie aus der Beschwerdeantwort hervorgeht, erbringt das EZ für die zivilen Strafverfolgungsbehörden des Bundes Dienstleistungen wie beispielsweise die Vorführung von Häftlingen für Einvernahmen. Das Reglement des EZ spricht denn auch von einem Leistungsauftrag (act. 5.1, Ziff. 2.2). Damit sind die Kontrollmassnahmen als technische Dienstleistungen ohne weiteres Teil der gerichtspolizeilichen Ermittlungen in Bundesstrafsachen und die Zuständigkeit der Beschwerdekammer ist gegeben. Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten.
3. Zusammengefasst macht der Beschwerdeführer geltend, dass die Kontrollmassnahmen (Durchsuchung mittels Metalldetektoren, Kontrolle des Aktenkoffers und Abgabe des Mobiltelefones) schikanös seien und die Würde des Anwaltsstandes sowie der Bundesanwaltschaft verletzten. Solche erniedrigenden Untersuchungen würden im weiteren durch keine einzige kantonale Strafuntersuchungsbehörde der Schweiz durchgeführt. Selbst in einem französischen Einvernahmezentrum, wo sich der Beschwerdeführer im Verfahren gegen B. aufgehalten habe, sei er nicht kontrolliert worden. Diese Kontrollmassnahmen im EZ würden einen Generalverdacht gegen Rechtsanwälte implizieren, zumal die Angestellten der Bundesanwaltschaft diesen Untersuchungen nicht unterzogen würden.
3.1. Durch Art. 337
StGB (bzw. Art. 340bis aStGB), welcher am 1. Januar 2002 in Kraft trat, wurden im Bereiche der Strafverfolgung neue Bundeskompetenzen geschaffen. Ziel und Zweck der sogenannten Effizienzvorlage war es, gewisse Formen schwerer Kriminalität (z.B. kriminelle Organisation) in die Verfahrenskompetenz des Bundes zu überführen (
BBl 1998 S. 1541). Am 1. Oktober 2003 trat sodann der neue Art. 260quinquies (Finanzierung des Terrorismus) in Kraft, welcher ebenfalls der Bundesgerichtsbarkeit untersteht. Diese neue Gesetzesnorm war nötig geworden, da nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA die Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus durch internationale Zusammenarbeit wesentlich an Bedeutung gewonnen hatte (
BBl 2002 S. 5391). Die Beschwerdegegnerin bewegt sich daher mit ihren Ermittlungen in einem Umfeld, welches zweifelsohne ein Sicherheitsdispositiv notwendig macht.
3.2. Es ist notorisch, dass beispielsweise in den USA schon seit vielen Jahren (und nicht erst seit dem 11. September 2001) weder Justiz- noch Regierungsgebäude betreten werden können, ohne dass ein Metalldetektor durchschritten und das mitgeführte Gepäck geröntgt wird. Zwar herrschten in der Schweiz diesbezüglich bis vor einigen Jahren noch idyllische Verhältnisse, doch spätestens seit dem Attentat vom 27. September 2001 im Regierungsgebäude des Kantons Zug, bei welchem 14 Personen ums Leben kamen und mehrere zum Teil schwer verletzt wurden, hat man generell damit begonnen, die Sicherheitsmassnahmen in sensiblen Bereichen, wie beispielsweise der Strafjustiz, markant zu verstärken.
3.3. Die im EZ durchgeführten Kontrollmassnahmen stellen einen geringfügigen Eingriff dar, welcher der Sicherheit aller Beteiligter und damit auch den von diesen Massnahmen betroffenen Rechtsanwälten dient. Dadurch kann in zweckmässiger Weise sichergestellt werden, dass keine Schuss- oder Stichwaffen, Kassiber etc. eingeschmuggelt werden. Dies soll weder dem Beschwerdeführer im konkreten noch der Anwaltschaft im generellen entsprechende Absichten unterstellen, jedoch sind auch sie nicht davor gefeit, von dritter Seite unwissentlich zum Einschmuggeln der unerwünschten Gegenstände missbraucht zu werden.
3.4. Die heutigen Mobiltelefone können nicht nur für die verschiedensten Formen der Kommunikation verwendet werden, sie dienen auch als Ton- und Bildspeichermedium. Die Missbrauchsmöglichkeiten sind dementsprechend vielfältig. Auch hier besteht die Möglichkeit, dass ein solches Mobiltelefon im Rahmen einer Einvernahme ohne das Wissen des Eigentümers von einem Unberechtigten behändigt wird. Denkbar ist beispielsweise, dass ein Mobiltelefon aus einer Jacke heraus auf den Boden gleitet und so unbemerkt in die Hände von Unberechtigten gelangt. Ob es angesichts der möglichen Konstellationen auch für die Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft empfehlenswert wäre, ihre Mobiltelefone zu deponieren, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Abgabe des Mobiltelefones für den Zeitraum der Einvernahme hindert im übrigen den Beschwerdeführer nicht an der Ausübung seines Mandates.
3.5. Eine Rechts- oder Pflichtverletzung der Beschwerdegegnerin ist angesichts dieser Erwägungen nicht erkennbar. Die Aufsichtsbeschwerde ist demzufolge abzuweisen.
4. Es sind keine Kosten zu erheben.
Demnach erkennt die I. Beschwerdekammer:
1. Die Aufsichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Es werden keine Kosten erhoben.
Bellinzona, 8. Februar 2007
Im Namen der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung an
- A.
- Schweizerische Bundesanwaltschaft
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.