Tribunal federal
{T 0/2}
2A.454/2005 /vje
Urteil vom 2. Februar 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler.
Wurzburger, Müller,
Gerichtsschreiber Matter.
Parteien
A.________,
B.________,
C.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Fürsprecher Matthias Miescher,
gegen
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern,
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Speichergasse 12, 3011 Bern.
Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 13. Juni 2005.
Sachverhalt:
A.
A.________, geb. 1964, Staatsangehörige von Serbien und Montenegro, reiste im Dezember 1990 zusammen mit ihrem Ehemann D.________ und ihren beiden Kindern B.________, geb. 1988, und C.________, geb. 1990, in die Schweiz ein, wo die Familie am 20. Dezember 1990 ein Asylgesuch stellte. Dieses wurde mit Entscheid der Asylrekurskommission vom 8. April 1993 abgewiesen; der Familie wurde eine Ausreisefrist bis zum 31. Juli 1993 gesetzt.
Mit Urteil des Zivilamtsgerichts Interlaken vom 2. Juli 1993 wurde die Ehe geschieden. Die Kinder wurden unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellt. Am 31. August 1993 heiratete D.________ eine Schweizer Bürgerin und erhielt daraufhin eine Aufenthaltsbewilligung. A.________ und ihre Kinder wurden mehrmals unter Androhung der Ausschaffung zum Verlassen der Schweiz aufgefordert, kamen dieser Aufforderung jedoch nicht nach. Am 23. September 1996 verfügte das (damalige) Bundesamt für Flüchtlinge ihre vorläufige Aufnahme. D.________ wurde am 16. Dezember 1997 erleichtert eingebürgert. In die Einbürgerung wurden auch die Kinder B.________ und C.________ einbezogen.
B.
Mit Schreiben vom 19. August 2002 orientierte das Bundesamt A.________, es ziehe in Betracht, die vorläufige Aufnahme aufzuheben, und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Am 19. September 2002 empfahl es A.________, bei der zuständigen kantonalen Behörde ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu stellen. Am 20. September 2002 kam A.________ dieser Empfehlung nach. Ihr Gesuch wurde vom Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern mit Verfügung vom 30. Januar 2004 und folgender Begründung abgewiesen: Das durch Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
Dagegen erhoben A.________ sowie ihre Kinder B.________ und C.________ am 4. März 2004 Beschwerde an die kantonale Polizei- und Militärdirektion.
C.
Am 10. Mai 2004 verfügte das Bundesamt für Flüchtlinge, A.________ habe aufgrund von Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
Der Kanton Bern, vertreten durch das Amt für Migration und Personenstand, erhob dagegen Beschwerde an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, welches die Beschwerde bezüglich des Erlöschens der vorläufigen Aufnahme zuständigkeitshalber an die Asylrekurskommission weiterleitete. Diese hiess mit Entscheid vom 15. Dezember 2004 die Beschwerde gut und hob - soweit sie eintrat - den Entscheid des Bundesamtes mit der Begründung auf, A.________ habe aufgrund Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
D.
Mit Entscheid vom 28. Februar 2005 wies die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Berns die Beschwerde von A.________ und ihren Kindern betreffend Aufenthaltsbewilligung (vgl. hiervor B.) ab. Sie hielt fest, ein Eingriff in Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 13 Schutz der Privatsphäre - 1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
|
1 | Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
2 | Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
Dagegen gelangten A.________ und ihre Kinder an das kantonale Verwaltungsgericht, das mit Urteil vom 13. Juni 2005 auf ihre Beschwerde nicht eintrat.
E.
Am 14. Juli 2005 haben A.________, B.________ und C.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben. Der Mutter sei eine Aufenthaltsbewilligung B zu erteilen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Weiteren stellen sie ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und -verbeiständung.
Das Bundesamt für Migration schliesst auf Gutheissung, das Verwaltungsgericht sowie die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer nach Art. 98a
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 13 Schutz der Privatsphäre - 1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
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1 | Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
2 | Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 13 Schutz der Privatsphäre - 1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
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1 | Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
2 | Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. |
2.
2.1 Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 13 Schutz der Privatsphäre - 1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
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1 | Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
2 | Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 13 Schutz der Privatsphäre - 1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
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1 | Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
2 | Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. |
2.2 Es wird zu Recht nicht behauptet, dass die Beschwerdeführerin 1 aufgrund von Vorschriften des innerstaatlichen Gesetzesrechts oder eines bilateralen Staatsvertrages einen Anspruch auf Erteilung einer ordentlichen Aufenthaltsbewilligung habe. Zu prüfen bleibt, ob sich ein dahingehender Anspruch aus dem in Art. 8 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 13 Schutz der Privatsphäre - 1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
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1 | Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
2 | Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. |
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
jede Aufenthaltsberechtigung genüge, welche dies zulasse, was auch bei der vorläufigen Aufnahme der Fall sei.
2.3 Weder die Ausführungen in der Beschwerde noch diejenigen in der Vernehmlassung des Bundesamtes geben Anlass zu einer Änderung dieser Praxis:
2.3.1 Als nicht stichhaltig erweisen sich vorab die Argumente, die sich auf den Entscheid der Asylrekurskommission vom 15. Dezember 2004 stützen:
Die dort aufgestellte Behauptung, es sei in Lehre und Praxis unbestritten, dass der (sich aus Art. 8
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
In ihrem Entscheid hatte die Asylrekurskommission zudem nur (soweit hier massgeblich) über das Erlöschen der vorläufigen Aufnahme zu urteilen. Diese Frage verneinte sie entgegen der Ansicht des Bundesamtes. Die Auffassung der Kommission, die vorläufige Aufnahme sei trotz des angeblich vorliegenden Anspruchs auf eine Aufenthaltsbewilligung nicht erloschen, steht mit der bundesgerichtlichen Praxis, einen solchen Anspruch zu verneinen, nicht im Widerspruch: Die Kommission sprach sich gegen das Erlöschen der vorläufigen Aufnahme nicht deswegen aus, weil sie im Unterschied zum Bundesgericht einen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung bejahte, sondern obwohl sie dies tat. Ihr Entscheid wäre somit nicht anders ausgefallen, wenn sie davon ausgegangen wäre, es bestehe kein solcher Anspruch.
Im Übrigen war die Kommission der Aufassung, die an sich weiterhin in Kraft stehende Wegweisung könnte heute angesichts des vierzehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalts in der Schweiz und der Integration von Mutter und Kindern wegen einer schwerwiegenden persönlichen Notlage (vgl. Art. 44 Abs. 3 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [SR 142.31]) bzw. Unzumutbarkeit (vgl. Art. 14b Abs. 2
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
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2.3.2 Entgegen der Auffassung des Bundesamtes besteht ausserdem kein fester Grundsatz, wonach die Angehörigen einer Familie stets denselben ausländerrechtlichen Status haben sollten (vgl. z.B. Art. 7
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
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3.
Nach dem Gesagten besteht auf die anbegehrte Aufenthaltsbewilligung kein Rechtsanspruch. Daher kann auf die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden. Wie schon die Vorinstanz erkannt hat, kann der Standpunkt der offensichtlich mittellosen Beschwerdeführer nicht als aussichtslos gelten. Für das bundesgerichtliche Verfahren ist ihnen somit die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren (Art. 152
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Den Beschwerdeführern wird für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gewährt. Ihnen wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter Fürsprecher Matthias Miescher beigegeben.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Fürsprecher Matthias Miescher wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Polizei- und Militärdirektion und dem Verwaltungsgericht, Verwaltungsrechtliche Abteilung, des Kantons Bern sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. Februar 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: