Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

6B 110/2020

Urteil vom 1. Oktober 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Muschietti,
Bundesrichterin Koch,
Gerichtsschreiber Matt.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln, Beweiswürdigung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 17. Dezember 2019 (SST.2019.243).

Sachverhalt:

A.
Am 13. September 2019 verurteilte das Bezirksgericht Laufenburg A.________ wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu 20 Tagessätzen à Fr. 40.-- Geldstrafe bedingt und Fr. 200.-- Busse. Er soll am 29. September 2018 auf einem Motorrad mit 115 km/h statt der erlaubten 80 km/h unterwegs gewesen sein und die zulässige Höchstgeschwindigkeit ausserorts nach Abzug der Sicherheitsmarge um 31 km/h überschritten haben. Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid am 17. Dezember 2019.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, er sei freizusprechen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Sein Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde weist das Bundesgericht am 28. Januar 2020 ab. Obergericht und Oberstaatsanwaltschaft verzichten auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer bestreitet seine Täterschaft. Er rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs resp. eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung, indem die Vorinstanz auf die Befragung eines zum Tatzeitpunkt ebenfalls anwesenden Motorradfahrers verzichtet habe.

1.1.

1.1.1. Im Strafverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz. Danach klären die Strafbehörden von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab (Art. 6 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 6 Untersuchungsgrundsatz - 1 Die Strafbehörden klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab.
1    Die Strafbehörden klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab.
2    Sie untersuchen die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt.
StPO). Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt (Art. 139 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 139 Grundsätze - 1 Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind.
1    Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind.
2    Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt.
StPO). Beweisanträge dürfen mithin nur in den engen Grenzen von Art. 139 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 139 Grundsätze - 1 Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind.
1    Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind.
2    Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt.
StPO abgewiesen werden. Ungeeignet ist ein Beweismittel, wenn es offensichtlich untauglich ist und bei dem daher von vornherein feststeht, dass der angebotene Beweis die streitige Tatsache nicht zu beweisen vermag.
Die Ermittlung des wahren Sachverhalts ist von zentraler Bedeutung. Insofern ist es mit Blick auf das Ziel der Erforschung der materiellen Wahrheit erforderlich, dass die Gerichte eine aktive Rolle bei der Beweisführung einnehmen (BGE 144 I 234 E. 5.6.2). Nur wenn die Gerichte ihrer Amtsermittlungspflicht genügen, dürfen sie einen Sachverhalt als erwiesen (oder nicht erwiesen) ansehen und in freier Beweiswürdigung darauf eine Rechtsentscheidung gründen. Der Grundsatz "in dubio pro reo" kann sachlogisch erst zur Anwendung kommen, wenn alle aus Sicht des urteilenden Gerichts notwendigen Beweise erhoben wurden (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.2; Urteil 6B 789/2019 vom 12. August 2020 E. 2.3).

1.1.2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 3 Achtung der Menschenwürde und Fairnessgebot - 1 Die Strafbehörden achten in allen Verfahrensstadien die Würde der vom Verfahren betroffenen Menschen.
1    Die Strafbehörden achten in allen Verfahrensstadien die Würde der vom Verfahren betroffenen Menschen.
2    Sie beachten namentlich:
a  den Grundsatz von Treu und Glauben;
b  das Verbot des Rechtsmissbrauchs;
c  das Gebot, alle Verfahrensbeteiligten gleich und gerecht zu behandeln und ihnen rechtliches Gehör zu gewähren;
d  das Verbot, bei der Beweiserhebung Methoden anzuwenden, welche die Menschenwürde verletzen.
, Art. 107
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 107 Anspruch auf rechtliches Gehör - 1 Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör; sie haben namentlich das Recht:
1    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör; sie haben namentlich das Recht:
a  Akten einzusehen;
b  an Verfahrenshandlungen teilzunehmen;
c  einen Rechtsbeistand beizuziehen;
d  sich zur Sache und zum Verfahren zu äussern;
e  Beweisanträge zu stellen.
2    Die Strafbehörden machen rechtsunkundige Parteien auf ihre Rechte aufmerksam.
StPO) räumt dem Betroffenen das persönlichkeitsbezogene Mitwirkungsrecht ein, erhebliche Beweise beizubringen, mit solchen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken. Dem Mitwirkungsrecht entspricht die Pflicht der Behörden, die Argumente und Verfahrensanträge der Parteien entgegenzunehmen und zu prüfen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Untersuchungsgrundsatzes im Sinne von Art. 6
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 6 Untersuchungsgrundsatz - 1 Die Strafbehörden klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab.
1    Die Strafbehörden klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab.
2    Sie untersuchen die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt.
StPO liegt nicht vor, wenn eine Behörde auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil sie aufgrund der bereits abgenommenen Beweise ihre Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener (antizipierter) Beweiswürdigung annehmen kann, dass ihre Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 143 III 297 E. 9.3.2; 141 I 60 E. 3.3). Beim Verzicht auf weitere Beweisabnahmen muss die Strafbehörde das vorläufige Beweisergebnis hypothetisch um die Fakten des Beweisantrags ergänzen und würdigen. Die Ablehnung des Beweisantrags ist zulässig, wenn die zu beweisende Tatsache nach dieser Würdigung als unerheblich, offenkundig der Strafbehörde bekannt oder bereits als
rechtsgenügend erwiesen anzusehen ist. Lehnt die Strafbehörde den Beweisantrag ab, hat sie nicht nur darzulegen, weshalb sie aufgrund der bereits abgenommenen Beweise eine bestimmte Überzeugung gewonnen hat, sondern auch, weshalb die beantragte Beweismassnahme aus ihrer Sicht nichts an ihrer Überzeugung zu ändern vermag. Die Rüge unzulässiger antizipierter Beweiswürdigung prüft das Bundesgericht nur unter Willkürgesichtspunkten (Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
BGG; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 141 III 564 E. 4.1; je mit Hinweisen). Sie muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG), andernfalls das Bundesgericht darauf nicht eintritt (BGE 143 IV 500 E. 1.1).

1.2. Die Vorinstanz begründet überzeugend, weshalb sie die Täterschaft des Beschwerdeführers als erwiesen erachtet. Sie stützt sich dabei im Wesentlichen auf die Angaben des die Verkehrskontrolle durchführenden Polizisten B.________, den sie persönlich befragte, die angefertigten Radarfotos sowie die Angaben des Beschwerdeführers selbst.
Demnach ist erstellt, dass der fehlbare Motorradfahrer ein schwarz-weisses resp. ein grau-schwarz-rotes Lederkombi und einen farbigen Helm trug, während der ebenfalls kontrollierte, korrekt fahrende Lenker, schwarz gekleidet war. Gemäss Aussage des Polizisten B.________ konnte aufgrund der Bekleidung zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer das zu schnell gefahrene Motorrad der Marke BMW lenkte. Der Polizist hat ihn in der Berufungsverhandlung auch wiedererkannt. Die Vorinstanz erachtet eine Verwechslung des Täters bei der Identifizierung durch die Polizei nachvollziehbar als ausgeschlossen. Zum einen würden sich die beiden Motorradfahrer bereits auf der Radaraufnahme aufgrund ihrer Bekleidung visuell deutlich unterscheiden. Zum andern sind die ersten beiden Ziffern des Kennzeichens des Tatfahrzeugs (11) erkennbar. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ein Motorrad der Marke BMW mit dem Kontrollschild xxx auf ihn zugelassen ist. Ebenso wenig stellt er seine Anwesenheit am Tatort zur Tatzeit in Abrede. Es ist daher plausibel anzunehmen, dass der Beschwerdeführer die inkriminierte Verkehrswidrigkeit begangen hat.
Soweit der Beschwerdeführer einwendet, in den Akten befänden sich Fotos, welche seine Täterschaft widerlegen und das Tragen einer schwarzen Bekleidung bestätigen würden, so hat der Polizist B.________ die Existenz solcher Fotos mehrfach, auch anlässlich der vorinstanzlichen Einvernahme bestritten. Sein Vorgesetzter hat dies schriftlich bestätigt. Es besteht für das Bundesgericht kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Vor diesem Hintergrund war die Vorinstanz zudem nicht gehalten, neuerlich die Edition der vom Beschwerdeführer verlangten Fotos anzuordnen. Gleiches gilt für die beantragte Befragung des anderen Fahrers. Wie die Vorinstanz nachvollziehbar ausführt, ist nicht anzunehmen, dass sich dieser nach der nunmehr vergangenen Zeit noch an den Vorfall, insbesondere an die Bekleidung des Beschwerdeführers erinnern könnte. Die Vorinstanz verzichtet daher willkürfrei auf weitere Abklärungen.

2.
Der Beschwerdeführer beanstandet die Kostenverlegung. Aufgrund der manifesten Verletzung seines rechtlichen Gehörs hätten ihm trotz Heilung desselben durch die Vorinstanz nicht die gesamten Verfahrenskosten auferlegt werden dürfen.

2.1. Die beschuldigte Person trägt gemäss Art. 426 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 426 - 1 Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Ausgenommen sind die Kosten für die amtliche Verteidigung; vorbehalten bleibt Artikel 135 Absatz 4.
1    Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Ausgenommen sind die Kosten für die amtliche Verteidigung; vorbehalten bleibt Artikel 135 Absatz 4.
2    Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen, so können ihr die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat.
3    Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten nicht, die:
a  der Bund oder der Kanton durch unnötige oder fehlerhafte Verfahrenshandlungen verursacht hat;
b  für Übersetzungen anfielen, die durch die Fremdsprachigkeit der beschuldigten Person nötig wurden.
4    Die Kosten für die unentgeltliche Verbeiständung der Privatklägerschaft trägt die beschuldigte Person nur, wenn sie sich in günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet.
5    Die Bestimmungen dieses Artikels gelten sinngemäss für die Partei im selbstständigen Massnahmeverfahren, wenn der Entscheid zu ihrem Nachteil ausfällt.
erster Satz StPO die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 428 Kostentragung im Rechtsmittelverfahren - 1 Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
1    Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
2    Erwirkt eine Partei, die ein Rechtsmittel ergriffen hat, einen für sie günstigeren Entscheid, so können ihr die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn:
a  die Voraussetzungen für das Obsiegen erst im Rechtsmittelverfahren geschaffen worden sind; oder
b  der angefochtene Entscheid nur unwesentlich abgeändert wird.
3    Fällt die Rechtsmittelinstanz selber einen neuen Entscheid, so befindet sie darin auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung.
4    Hebt sie einen Entscheid auf und weist sie die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück, so trägt der Bund oder der Kanton die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und, nach Ermessen der Rechtsmittelinstanz, jene der Vorinstanz.
5    Wird ein Revisionsgesuch gutgeheissen, so entscheidet die Strafbehörde, die anschliessend über die Erledigung der Strafsache zu befinden hat, nach ihrem Ermessen über die Kosten des ersten Verfahrens.
erster Satz StPO). Die Verlegung der Kosten richtet sich nach dem Grundsatz, wonach Kosten zu tragen hat, wer sie verursacht. So gründet namentlich die Kostentragungspflicht des Beschuldigten im Falle eines Schuldspruchs auf der Annahme, dass er die Verfahrenskosten als Folge seiner Tat veranlasst hat. Bei der Aufteilung der Verfahrenskosten steht der Behörde ein gewisser Ermessensspielraum zu, in den das Bundesgericht nur eingreift, wenn sich der Ermessensentscheid als offensichtlich unbillig oder in stossender Weise als ungerecht erweist (vgl. BGE 138 IV 248 4.2.4 und E. 4.4.1; Urteile 6B 580/2019 vom 8. August 2019 E. 2.2; 6B 921/2018 vom 20. Mai 2019 E. 4.2; je mit Hinweisen).

2.2. Von vornherein unbegründet ist nach dem in der vorstehenden Erwägung 1.2 zur antizipierten Beweiswürdigung Gesagten zunächst der Einwand des Beschwerdeführers, wonach aufgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs infolge unvollständiger Aktenerhebung durch die Vorinstanzen eine bloss teilweise Kostenauflage an ihn erfolgen dürfe. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und infolge dessen ein teilweises Obsiegen des Beschwerdeführers mit Bezug auf das erstinstanzliche Verfahren liegt nicht vor.
Entgegen seiner Auffassung muss sodann der Umstand, dass der Beschwerdeführer erst im ordentlichen Einspracheverfahren vollständige Akteneinsicht, namentlich Kenntnis vom Messprotokoll und Radarfoto sowie -video erhielt, zu keiner Reduktion der erstinstanzlichen Verfahrenskosten führen. Dies ändert nichts daran, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Verurteilung die Verfahrenskosten verursacht und diese damit zu tragen hat. Dies gilt im Übrigen unbestrittenermassen nicht für diejenigen Kosten des Vorverfahrens, welche auf die ungenügende Ermittlung des Sachverhalts zurückzuführen waren. Auch die vom Beschwerdeführer gerügte - im Berufungsverfahren geheilte - Verletzung seines rechtlichen Gehörs, indem das Erstgericht nach Erhebung weiterer Beweise auf die Fortsetzung der mündlichen Hauptverhandlung verzichtete und sogleich schriftlich urteilte, lässt die vorinstanzliche Kostenregelung nicht als Ermessensmissbrauch resp. als offensichtlich unbillig oder in stossender Weise ungerecht erscheinen.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Indes sind keine Kosten zu erheben, zumal das Rechtsbegehren des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege nicht aussichtslos war. Da er nicht anwaltlich vertreten war, ist keine Entschädigung zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen und es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Matt
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 6B_110/2020
Datum : 01. Oktober 2020
Publiziert : 19. Oktober 2020
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Straftaten
Gegenstand : Grobe Verletzung von Verkehrsregeln, Beweiswürdigung


Gesetzesregister
BGG: 97 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
106
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BV: 29
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
StPO: 3 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 3 Achtung der Menschenwürde und Fairnessgebot - 1 Die Strafbehörden achten in allen Verfahrensstadien die Würde der vom Verfahren betroffenen Menschen.
1    Die Strafbehörden achten in allen Verfahrensstadien die Würde der vom Verfahren betroffenen Menschen.
2    Sie beachten namentlich:
a  den Grundsatz von Treu und Glauben;
b  das Verbot des Rechtsmissbrauchs;
c  das Gebot, alle Verfahrensbeteiligten gleich und gerecht zu behandeln und ihnen rechtliches Gehör zu gewähren;
d  das Verbot, bei der Beweiserhebung Methoden anzuwenden, welche die Menschenwürde verletzen.
6 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 6 Untersuchungsgrundsatz - 1 Die Strafbehörden klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab.
1    Die Strafbehörden klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab.
2    Sie untersuchen die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt.
107 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 107 Anspruch auf rechtliches Gehör - 1 Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör; sie haben namentlich das Recht:
1    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör; sie haben namentlich das Recht:
a  Akten einzusehen;
b  an Verfahrenshandlungen teilzunehmen;
c  einen Rechtsbeistand beizuziehen;
d  sich zur Sache und zum Verfahren zu äussern;
e  Beweisanträge zu stellen.
2    Die Strafbehörden machen rechtsunkundige Parteien auf ihre Rechte aufmerksam.
139 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 139 Grundsätze - 1 Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind.
1    Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind.
2    Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt.
426 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 426 - 1 Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Ausgenommen sind die Kosten für die amtliche Verteidigung; vorbehalten bleibt Artikel 135 Absatz 4.
1    Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Ausgenommen sind die Kosten für die amtliche Verteidigung; vorbehalten bleibt Artikel 135 Absatz 4.
2    Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen, so können ihr die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat.
3    Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten nicht, die:
a  der Bund oder der Kanton durch unnötige oder fehlerhafte Verfahrenshandlungen verursacht hat;
b  für Übersetzungen anfielen, die durch die Fremdsprachigkeit der beschuldigten Person nötig wurden.
4    Die Kosten für die unentgeltliche Verbeiständung der Privatklägerschaft trägt die beschuldigte Person nur, wenn sie sich in günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet.
5    Die Bestimmungen dieses Artikels gelten sinngemäss für die Partei im selbstständigen Massnahmeverfahren, wenn der Entscheid zu ihrem Nachteil ausfällt.
428
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 428 Kostentragung im Rechtsmittelverfahren - 1 Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
1    Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
2    Erwirkt eine Partei, die ein Rechtsmittel ergriffen hat, einen für sie günstigeren Entscheid, so können ihr die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn:
a  die Voraussetzungen für das Obsiegen erst im Rechtsmittelverfahren geschaffen worden sind; oder
b  der angefochtene Entscheid nur unwesentlich abgeändert wird.
3    Fällt die Rechtsmittelinstanz selber einen neuen Entscheid, so befindet sie darin auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung.
4    Hebt sie einen Entscheid auf und weist sie die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück, so trägt der Bund oder der Kanton die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und, nach Ermessen der Rechtsmittelinstanz, jene der Vorinstanz.
5    Wird ein Revisionsgesuch gutgeheissen, so entscheidet die Strafbehörde, die anschliessend über die Erledigung der Strafsache zu befinden hat, nach ihrem Ermessen über die Kosten des ersten Verfahrens.
BGE Register
138-IV-248 • 141-I-60 • 141-III-564 • 143-III-297 • 143-IV-241 • 143-IV-500 • 144-I-234 • 144-IV-345
Weitere Urteile ab 2000
6B_110/2020 • 6B_580/2019 • 6B_789/2019 • 6B_921/2018
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