Tribunal federal
{T 0/2}
6S.241/2003 /kra
Urteil vom 1. Oktober 2003
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger,
Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiberin Giovannone.
Parteien
W.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Ruadi Thöni, Zeughausstrasse 39, Postfach 2768, 8021 Zürich,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau.
Gegenstand
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1 BemtG), Verbotsirrtum (Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Strafkammer,
vom 14. April 2003.
Sachverhalt:
A.
Das Bezirksgericht Baden verurteilte W.________ am 13. Dezember 2001 wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz BetmG Art. 19 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
|
1 | Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
a | Betäubungsmittel unbefugt anbaut, herstellt oder auf andere Weise erzeugt; |
b | Betäubungsmittel unbefugt lagert, versendet, befördert, einführt, ausführt oder durchführt; |
c | Betäubungsmittel unbefugt veräussert, verordnet, auf andere Weise einem andern verschafft oder in Verkehr bringt; |
d | Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt, erwirbt oder auf andere Weise erlangt; |
e | den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln finanziert oder seine Finanzierung vermittelt; |
f | öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentlich eine Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekannt gibt; |
g | zu einer Widerhandlung nach den Buchstaben a-f Anstalten trifft. |
2 | Der Täter wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn er:92 |
a | weiss oder annehmen muss, dass die Widerhandlung mittelbar oder unmittelbar die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann; |
b | als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung des unerlaubten Betäubungsmittelhandels zusammengefunden hat; |
c | durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt; |
d | in Ausbildungsstätten vorwiegend für Jugendliche oder in ihrer unmittelbaren Umgebung gewerbsmässig Betäubungsmittel anbietet, abgibt oder auf andere Weise zugänglich macht. |
3 | Das Gericht kann in folgenden Fällen die Strafe nach freiem Ermessen mildern: |
a | bei einer Widerhandlung nach Absatz 1 Buchstabe g; |
b | bei einer Widerhandlung nach Absatz 2, wenn der Täter von Betäubungsmitteln abhängig ist und diese Widerhandlung zur Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums hätte dienen sollen. |
4 | Nach den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 ist auch strafbar, wer die Tat im Ausland begangen hat, sich in der Schweiz befindet und nicht ausgeliefert wird, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist. Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter das mildere, so ist dieses anzuwenden. Artikel 6 des Strafgesetzbuches93 ist anwendbar. |
Auf Berufung von W.________ bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau, 2. Strafkammer, dieses Urteil am 14. April 2003.
B.
W.________ ficht das obergerichtliche Urteil beim Bundesgericht an. Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt er, das obergerichtliche Urteil sei, soweit es ihn betrifft, aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet (act. 8).
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer ficht das obergerichtliche Urteil einzig mit dem Argument an, er habe in entschuldbarem Verbotsirrtum gehandelt. Es ist vorliegend deshalb nur zu prüfen, ob Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
2.
2.1 Gemäss Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
2.1.1 Die Bestimmung setzt zunächst voraus, dass der Täter glaubte, er tue nichts Unrechtes. Ob dem Täter das Unrecht bewusst war, oder ob ihm das Unrechtsbewusstsein fehlte, ist eine Tatfrage, die sich der Überprüfung durch das Bundesgericht entzieht (BGE 128 IV 201 E. 2 S. 210; Urteil 6S.46/2002 vom 24. Mai 2002 E. 3b).
2.1.2 Nahm der Täter an, er tue nichts Unrechtes, so muss er überdies hinreichende Gründe dazu gehabt haben. Unkenntnis der rechtlichen Normierung ist grundsätzlich kein hinreichender Grund: Falls Anlass zu Zweifeln an der Rechtmässigkeit des Verhaltens besteht oder der Täter weiss, dass es eine rechtliche Regelung gibt, hat er sich bei der zuständigen Behörde näher zu informieren. Das blosse Nichteinschreiten von Behörden trotz Kenntnis des Sachverhalts vermag einen Verbotsirrtum ebenfalls nicht zu entschuldigen. Demgegenüber können eine ständige unangefochtene Praxis oder die ständige Duldung eines an sich vorschriftswidrigen Verhaltens durch die zuständige Behörde unter Umständen einen Verbotsirrtum rechtfertigen (Guido Jenny, Basler Kommentar StGB I, 2003, N. 17 ff. zu Art. 20; Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 1997, N. 6 ff. zu Art. 20; BGE 129 IV 6 E. 4.1; 120 IV 208 E. 5b, je mit Hinweisen).
2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe das Vorliegen des Unrechtsbewusstseins bloss vermutet. Es fehle diesbezüglich an einer für das Bundesgerichts verbindlichen Feststellung. Mangels genügend substantiiertem Sachverhalt könne nicht überprüft werden, ob die Vorinstanz die Voraussetzungen von Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
2.3 Im Jahr 1998 war der zu hohe THC-Gehalt eines Hanfprodukts im Sortiment des vom Beschwerdeführer geleiteten Geschäfts beanstandet worden. Bei dieser Gelegenheit war er auch darauf hingewiesen worden, dass er dafür zu sorgen habe, dass keine Produkte mit einem THC-Gehalt von mehr als 0.3 % angeboten würden (Urteil des Obergerichts E. 2). Angesichts dieser Feststellungen geht der Einwand, die Vorinstanz habe das Unrechtsbewusstsein des Beschwerdeführers lediglich vermutet, fehl.
Der Beschwerdeführer wusste demnach, dass der Verkauf von Hanfprodukten mit einem THC-Gehalt von mehr als 0.3 % unrechtmässig war. Soweit er vorbringt, er sei sich des Unrechts nicht bewusst gewesen, weicht er vom verbindlich festgestellten Sachverhalt ab; darauf ist nicht einzutreten (Art. 277bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
2.4 Eine allfällige ständige Duldung seitens der zuständigen Behörden kann unter gewissen Umständen ein fehlendes Unrechtsbewusstsein rechtfertigen. Indessen vermag ein solches Verhalten der zuständigen Behörden die Tat nicht zu entschuldigen, wenn das Unrechtsbewusstsein beim Täter wie im zu beurteilenden Fall vorhanden war. Ausführungen zu den weiteren Einwänden des Beschwerdeführers erübrigen sich somit.
2.5 Nach dem Gesagten bringt die Vorinstanz Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
3.
Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu tragen (Art. 278 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. Oktober 2003
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: