Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1P.325/2003 /bmt

Urteil vom 1. Oktober 2003
I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Reeb,
Gerichtsschreiber Pfisterer.

Parteien
B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. Thomas Fingerhuth, Langstrasse 4, 8004 Zürich,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, Postfach, 8023 Zürich,
Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, Postfach, 8023 Zürich,
Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach 4875, 8022 Zürich.

Gegenstand
Strafverfahren; Besetzung des Gerichts,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 31. März 2003.

Sachverhalt:
A.
B.________ wurde vom Bezirksgericht Zürich mit Urteil vom 22. August 2001 der Widerhandlung gegen das BetmG schuldig gesprochen. Er legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, bestätigte den Schuldspruch am 6. Dezember 2001.
B.
B.________ zog diesen Entscheid mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich weiter. Er beantragt die Aufhebung des Urteils des Obergerichts, da an der Verhandlung vom 6. Dezember 2001 ein Ersatzoberrichter mitgewirkt habe, der zugleich juristischer Sekretär und Kanzleivorstand in der I. Strafkammer des Obergerichts sei.

Das Kassationsgericht des Kantons Zürich trat auf die Nichtigkeitsbeschwerde am 31. März 2003 nicht ein.
C.
B.________ führt mit Eingabe vom 23. Mai 2003 staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des Beschlusses vom 31. März 2003. Mit separater Eingabe vom 23. Juni 2003 stellt B.________ das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Das Kassationsgericht, das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich sprechen sich für Abweisung der Beschwerde aus.
D.
Das Gesuch von B.________ vom 1. Juli 2003, es sei der staatsrechtlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wurde am 15. Juli 2003 gutgeheissen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt und hat ein aktuelles und praktisches Interesse an der Beschwerde (Art. 88 OG). Er macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Grundsatzes von Treu und Glauben geltend. Hierzu ist er befugt (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.
2.
2.1 Das Kassationsgericht trat auf die Beschwerde mangels genügender Substanziierung des geltend gemachten Beschwerdegrundes nicht ein. Es führte aus, der Beschwerdeführer habe nicht genügend dargelegt, wann er den Namen des vor Obergericht mitwirkenden Ersatzrichters und von den angeblich mit dieser Funktion unvereinbaren Tätigkeiten am gleichen Gericht erfahren habe. Weiter habe er sich nicht dazu geäussert, weshalb er die Rüge der ungehörigen Besetzung des Obergerichts erstmals in der Kassationsbeschwerde und nicht unverzüglich nach Entdecken der angeblichen Unvereinbarkeit erhoben habe. Das Kassationsgericht könne deshalb die Frage nicht beantworten, "ob in der Geltendmachung der mangelhaften Gerichtsbesetzung allenfalls ein Verzicht auf dieses Recht oder ein Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben" liege. Wäre das Kassationsgericht auf die Nichtigkeitsbeschwerde eingetreten, hätte es diese, wie es darlegt, als unbegründet abgewiesen.
2.2 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV) sowie des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
und 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
BV sowie Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK). Er ist der Meinung, es bestünde keine Pflicht nebst der Rüge der ungehörigen Besetzung des Spruchkörpers auch noch zu begründen, weshalb er die Rüge nicht schon früher erhoben habe oder weshalb ihm dies nicht möglich gewesen sei.
3.
3.1 Nach Art. 30 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 30 Gerichtliche Verfahren - 1 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
1    Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
2    Jede Person, gegen die eine Zivilklage erhoben wird, hat Anspruch darauf, dass die Sache vom Gericht des Wohnsitzes beurteilt wird. Das Gesetz kann einen anderen Gerichtsstand vorsehen.
3    Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
BV und Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem durch Gesetz geschaffenen, unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Gericht beurteilt wird. Es soll garantiert werden, dass keine Umstände, welche ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zu Gunsten oder zu Lasten einer Partei auf das Urteil einwirken (BGE 128 V 82 E. 2 mit Hinweisen).
3.2 Es ist in erster Linie Sache des kantonalen Verfahrensrechts, die prozessualen Rechte im Allgemeinen und die Art und Weise, wie diese geltend zu machen sind, zu umschreiben. Das gilt auch für die Geltendmachung des Anspruchs auf ein ordentlich besetztes Gericht (BGE 124 I 121 E. 2; 119 Ia 221 E. 5a; 118 Ia 282 E. 5a). Auch diese Verfahrensgarantie untersteht dem Regime des kantonalen Verfahrensrechts, das darüber Vorschriften aufstellen kann und muss. Es kann einem Kanton nicht verwehrt sein, die Einhaltung gewisser Vorschriften bei der Ausübung solcher Rechte zu verlangen, so etwa, dass bestimmte Anträge frist- und formgerecht gestellt werden. In diesem Rahmen kann unter Umständen angenommen werden, dass auf gewisse Verfahrensrechte ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet wurde (BGE 119 Ia 221 E. 5a S. 227 f. mit Hinweisen; siehe auch: Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Auflage, Bern 1999, S. 574).
3.3 Der Beschwerdeführer erhob kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wegen ungehöriger Besetzung des Obergerichts (§ 430 Abs. 1 Ziff. 2 der StPO/ZH), d. h. wegen Verletzung von Art. 30 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 30 Gerichtliche Verfahren - 1 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
1    Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
2    Jede Person, gegen die eine Zivilklage erhoben wird, hat Anspruch darauf, dass die Sache vom Gericht des Wohnsitzes beurteilt wird. Das Gesetz kann einen anderen Gerichtsstand vorsehen.
3    Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
BV und Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK. Nach § 430 Abs. 2 StPO/ZH gilt für die Nichtigkeitsbeschwerde das Rügeprinzip. Danach ist der Beschwerdegrund in der Beschwerdeschrift genau anzugeben, die angeblichen Fehler des vorinstanzlichen Verfahrens bzw. Urteils sind präzis zu nennen und die betreffenden Aktenstellen, aus denen sich die Nichtigkeitsgründe ergeben sollen, sind eindeutig zu bezeichnen. Fehlt es an diesen Ausführungen, so ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Andreas Donatsch/Niklaus Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919, Zürich 2000, N. 8 und 32 ff. zu § 430; vgl. Urteil des Kassationsgerichtes des Kantons Zürich vom 19. Oktober 1989 E. 6, publ. in: SJZ 87/1991, S. 12 Nr. 3).
3.4 Nach der Rechtsprechung des Kassationsgerichts Zürich kann bei Nichtbeachtung der vorgenannten Formvorschriften ein Verzicht auf die Geltendmachung des angeblichen Mangels in der Besetzung des Gerichtes angenommen werden (vgl. zur analogen Regelung für Ablehnungsbegehren: Urteil des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Dezember 2002, E. 3b, publ. in: ZR 102, Nr. 32). Unabhängig vom kantonalen Recht wird gestützt auf den auch für die Privaten geltenden Grundsatz von Treu und Glauben und das Verbot des Rechtsmissbrauchs verlangt, dass ein echter oder vermeintlicher Organmangel so früh wie möglich, d. h. nach dessen Kenntnis bei erster Gelegenheit, geltend gemacht wird (Art. 5 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
BV). Es verstösst gegen Treu und Glauben, Einwände dieser Art erst im Rechtsmittelverfahren vorzubringen, wenn der Mangel schon vorher hätte festgestellt und gerügt werden können (so: Yvo Hangartner, in: Die Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, St. Gallen 2002, Rz. 37 ff. zu Art. 5). Wer den Mangel nicht unverzüglich vorbringt, wenn er davon Kenntnis erhält, sondern sich stillschweigend auf den Prozess einlässt, verwirkt sowohl nach der zürcherischen als auch gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung den Anspruch auf spätere
Anrufung der verletzten Verfassungsbestimmung (Jörg Paul Müller, a.a.O., S. 587; Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), 2. Auflage, Zürich 1999, N. 416; zur analogen Regelung bei der Ablehnung von Richtern: BGE 128 V 82 E. 2b mit Hinweisen; Robert Hauser/Erhard Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz vom 13. Juni 1976, Zürich 2002, N. 4 zu § 98).
3.5 Das Rügeprinzip von § 430 Abs. 2 StPO/ZH verlangt eine eingehende Begründung der vorgebrachten Nichtigkeitsgründe. Ein echter oder vermeintlicher Fehler in der Besetzung des Gerichtes (Art. 430 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH) ist so früh wie möglich geltend zu machen (vgl. E. 3.4 hiervor). Die Rechtsprechung des Kassationsgerichts fordert dies ebenfalls. Daraus folgt, dass eine Beschwerde, mit der eine Verletzung dieser Garantie erstmals gerügt wird, die prozessuale Begründungspflicht nur erfüllt, wenn nicht nur der Nichtigkeitsgrund angerufen und belegt wird, sondern wenn auch aufgezeigt wird, dass die Rüge unverzüglich nach Kenntnis des Beschwerdegrundes erfolgt und deshalb kein Verzicht auf den Anspruch und auch kein Verhalten wider Treu und Glauben vorliegt.
3.6 Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, weshalb er die Rüge der ungehörigen Besetzung des Gerichtes nicht bereits vor Obergericht vorgebracht hat. Somit ist er seiner Begründungspflicht, die bereits das Gesetz aufstellt, welche sich aber auch aus der Rechtsprechung des Kassationsgerichts ergibt, nicht nachgekommen. Entgegen seiner Meinung kann nicht von einer "stillschweigenden Praxisänderung" die Rede sein, die zunächst hätte angekündigt werden müssen. Sowohl die Rechtsprechung zum Erfordernis der unverzüglichen Geltendmachung eines Mangels in der Besetzung des Gerichts als auch zu den Anforderungen an die Begründung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde stellen keine neue gerichtliche Praxis dar. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich verletzte damit die verfassungs- und konventionsmässigen Rechte, auf die sich der Beschwerdeführer beruft, nicht, wenn es auf seine kantonale Beschwerde mangels genügender Begründung nicht eintrat.
4.
Hält die erste selbständige Begründung des angefochtenen Entscheides vor den angerufenen Bestimmungen der Bundesverfassung und der EMRK stand, ist nicht mehr zu prüfen, ob die gegen die Erwägungen zur Sache erhobenen Rügen begründet sind oder nicht. Auch deren Gutheissung vermöchte nichts an der Verfassungs- und EMRK-Konformität des Entscheides des Kassationsgerichts des Kantons Zürich zu ändern.
5.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach abzuweisen.

Die Voraussetzung zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sind erfüllt (Art. 152
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
OG). Eine Gerichtsgebühr ist nicht zu erheben (Art. 152 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
OG). Dem Beschwerdeführer ist sein jetziger Verteidiger als unentgeltlicher Rechtsvertreter beizugeben. Dieser ist für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse angemessen zu entschädigen (Art. 152 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt:
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.
2.2 Rechtsanwalt lic. iur. Thomas Fingerhuth, Zürich, wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit einem Honorar von Fr. 1'500.-- entschädigt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft, dem Obergericht, I. Strafkammer, und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. Oktober 2003
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Dokument : 1P.325/2003
Datum : 01. Oktober 2003
Publiziert : 05. November 2003
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Strafprozess
Gegenstand : Tribunale federale Tribunal federal {T 0/2} 1P.325/2003 /bmt Urteil vom 1. Oktober


Gesetzesregister
BV: 5 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
29 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
30
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 30 Gerichtliche Verfahren - 1 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
1    Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
2    Jede Person, gegen die eine Zivilklage erhoben wird, hat Anspruch darauf, dass die Sache vom Gericht des Wohnsitzes beurteilt wird. Das Gesetz kann einen anderen Gerichtsstand vorsehen.
3    Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
EMRK: 6
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
OG: 84  88  152
BGE Register
118-IA-282 • 119-IA-221 • 124-I-121 • 128-V-82
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