Tribunal federal
{T 0/2}
5C.52/2005 /bnm
Urteil vom 1. Juli 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Ersatzrichter Hasenböhler,
Gerichtsschreiber Gysel.
Parteien
X.________,
Berufungskläger,
vertreten durch Fürsprecherin Annemarie
Lehmann-Schoop,
gegen
Y.________,
Berufungsbeklagte,
vertreten durch Fürsprecherin Christine Schibig,
Gegenstand
elterliche Sorge,
Berufung gegen den Entscheid des Appellationshofes (2. Zivilkammer) des Kantons Bern vom 11. Januar 2005.
Sachverhalt:
A.
Am 28. März 1993 wurde Z.________ geboren. Eltern sind X.________ und Y.________, die nicht verheiratet sind, aber bis 1996 in einer festen Beziehung gelebt haben. Nach der Trennung lag das alleinige Sorgerecht bei der Mutter, doch wurde die Betreuung der Tochter ungefähr zu gleichen Teilen durch beide Elternteile wahrgenommen.
Nach dem Inkrafttreten des neuen Scheidungsrechts wurde den Eltern auf deren Antrag hin durch Beschluss der Vormundschaftskommission von A.________ vom 15. Februar 2000 die gemeinsame elterliche Sorge übertragen.
B.
Mit Eingabe vom 6. Juli 2003 beantragte X.________ beim Regierungsstatthalteramt Bern sinngemäss die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung des Sorgerechts auf ihn. Am 29. Oktober 2004 hob die Regierungsstatthalterin II von Bern die gemeinsame elterliche Sorge über Z.________ auf und teilte die elterliche Sorge Y.________ zu. Gleichzeitig wurde die Erwachsenen- und Kindesschutzkommission von A.________ aufgefordert, die Errichtung einer Erziehungsbeistandschaft nach Art. 308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt. |
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1 | Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt. |
2 | Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413 |
3 | Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden. |
In Abweisung einer von X.________ erhobenen Appellation bestätigte der Appellationshof (2. Zivilkammer) des Kantons Bern am 11. Januar 2005 diesen Entscheid, wobei die Verfahrenskosten beider Instanzen X.________ auferlegt wurden und dieser verpflichtet wurde, Y.________ die Parteikosten für das Appellationsverfahren zu ersetzen.
C.
Mit eidgenössischer Berufung beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Appellationshofes aufzuheben, Z.________ unter seine elterliche Sorge zu stellen, die von der ersten Instanz gesprochenen Verfahrenskosten hälftig zu teilen und die zweitinstanzlichen Verfahrens- und Parteikosten der Berufungsbeklagten aufzuerlegen. Hilfsweise stellt der Berufungskläger den Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an den Appellationshof zurückzuweisen.
Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden.
D.
Am 26. April 2005 hat der Appellationshof (1. Zivilkammer) entschieden, dass auf das vom Berufungskläger gegen den Entscheid vom 11. Januar 2005 ebenfalls eingereichte Gesuch um neues Recht nicht eingetreten werde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts ist unbestritten. Beide Parteien hatten einen entsprechenden Antrag gestellt und erklärt, dass die frühere Regelung nicht mehr funktioniert habe und das Wohl ihrer Tochter dadurch schwer gefährdet gewesen sei. Von dieser Erkenntnis geht auch das von der Regierungsstatthalterin eingeholte Kinderzuteilungsgutachten vom 17. Juni 2004 aus. Strittig ist dagegen, welchem Elternteil das Sorgerecht zugeteilt werden soll.
2.
2.1 Die Neuregelung der elterlichen Sorge nach Aufhebung der gemeinsamen Sorge hat sich ausschliesslich am Kindeswohl zu orientieren. Im Ergebnis kommen dieselben Kriterien zur Anwendung wie bei der Zuteilung der elterlichen Sorge nach Scheidung (Ingeborg Schwenzer, Basler Kommentar, 2. Auflage, N. 16 zu Art. 298a
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 298a - 1 Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet und anerkennt der Vater das Kind oder wird das Kindesverhältnis durch Urteil festgestellt und die gemeinsame elterliche Sorge nicht bereits im Zeitpunkt des Urteils verfügt, so kommt die gemeinsame elterliche Sorge aufgrund einer gemeinsamen Erklärung der Eltern zustande. |
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1 | Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet und anerkennt der Vater das Kind oder wird das Kindesverhältnis durch Urteil festgestellt und die gemeinsame elterliche Sorge nicht bereits im Zeitpunkt des Urteils verfügt, so kommt die gemeinsame elterliche Sorge aufgrund einer gemeinsamen Erklärung der Eltern zustande. |
2 | In der Erklärung bestätigen die Eltern, dass sie: |
1 | bereit sind, gemeinsam die Verantwortung für das Kind zu übernehmen; und |
2 | sich über die Obhut und den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile sowie über den Unterhaltsbeitrag für das Kind verständigt haben. |
3 | Vor der Abgabe der Erklärung können sich die Eltern von der Kindesschutzbehörde beraten lassen. |
4 | Geben die Eltern die Erklärung zusammen mit der Anerkennung ab, so richten sie sie an das Zivilstandsamt. Eine spätere Erklärung haben sie an die Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes zu richten. |
5 | Bis die Erklärung vorliegt, steht die elterliche Sorge allein der Mutter zu. |
2.2 Der Appellationshof hat sich auf das von der Regierungsstatthalterin eingeholte Gutachten der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern vom 17. Juni 2004 berufen, das auf äusserst sorgfältiger und genauer Abklärung basiere. Es seien alle notwendigen Faktoren einbezogen und die logischen Schlussfolgerungen gezogen worden. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass grundsätzlich beide Elternteile für sich allein erziehungsfähig seien und Z.________ bei beiden aufwachsen könnte. Im Hinblick darauf hätten die Begutachtenden anhand von weiteren Kriterien herausfinden müssen, welcher Lebensort für das Wohl der Tochter die beste Lösung bilde. Die wichtige Beziehung von Z.________ zu ihren siebenjährigen Halbgeschwistern habe den Ausschlag dafür gegeben, die Zuweisung der elterlichen Sorge an die Mutter zu empfehlen. Für eine Zwiespältigkeit der Beziehung zu den Halbbrüdern, wie sie vom Berufungskläger behauptet werde, lägen keine Anhaltspunkte vor. Insgesamt sei das Gutachten nachvollziehbar und überzeugend und es seien keine gewichtigen Gründe ersichtlich, die ein Abweichen davon rechtfertigen würden.
3.
3.1 Der Berufungskläger wirft dem Appellationshof einerseits eine Verletzung von Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
3.2 Die in erster Linie die Verteilung der Beweislast regelnde Bestimmung von Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
3.3 Den Verzicht, von Dr. U.________ ein Obergutachten und von Dr. V.________ einen Sachverständigenbericht einzuholen, hat der Appellationshof ausdrücklich damit begründet, dass sich das bereits vorhandene Gutachten auf umfassende Abklärungen stütze und entgegen den Ausführungen des Berufungsklägers nicht widersprüchlich und parteiisch sei. Was der Berufungskläger hiergegen vorbringt, erschöpft sich in einer Kritik an der vorinstanzlichen Würdigung des Gutachtens vom 17. Juni 2004 und betrifft somit tatsächliche Verhältnisse. Diese Ausführungen sind hier nicht zu hören; sie hätten mit staatsrechtlicher Beschwerde vorgetragen werden müssen. Sollte die Rüge, der Appellationshof habe über rechtserhebliche Tatsachen nicht Beweis führen lassen oder bestrittene Behauptungen als richtig hingenommen, sich noch auf weitere Punkte beziehen, wäre die Beschwerde in dieser Hinsicht nicht rechtsgenügend substantiiert, so dass auf sie auch aus diesem Grund nicht einzutreten wäre.
4.
4.1 Andererseits erblickt der Berufungskläger eine Missachtung von Art. 144 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
4.2 Der Appellationshof hat unter Berufung auf das Gutachten vom 17. Juni 2004 festgehalten, Z.________ sei wegen des Loyalitätskonflikts in ihrer Meinungsbildung überfordert und es falle ihr schwer, ihre Bedürfnisse zu definieren, da diese immer über die Erwartungshaltungen eines Elternteils determiniert würden. Dieser Beurteilung widerspricht der Berufungskläger an sich nicht. Indessen weist er darauf hin, dass die Vorinstanz an anderer Stelle erklärt habe, sie ziehe die Urteilsfähigkeit des Mädchens nicht in Zweifel. Hierzu ist Folgendes zu bemerken: In seiner Stellungnahme vom 4. Juli 2004 zum erwähnten Gutachten hatte der Berufungskläger es als Zeichen der Urteilsfähigkeit gewertet, dass Z.________ trotz belastender Situation ihren Wunsch nach einer akzeptierenden Beziehung zur Mutter und ihre (kindergerechte) Position in dieser Beziehung klar formulieren könne und dennoch ebenso deutlich ihren Willen darstelle, dass die Situation eindeutig geklärt werde und sie hauptsächlich bei ihm, dem Berufungskläger, wohnen könne. Die Gutachter erklärten hierauf in ihrer Entgegnung vom 23. August 2004, sie stellten die Urteilsfähigkeit des Mädchens nicht in Frage, doch sei zu bedenken, dass dieses weit entfernt sei von einer klaren
Stellungnahme für den Berufungskläger und gegen die Berufungsbeklagte; sein Wunsch wäre eine vollständige Familie mit beiden Eltern im selben Haus.
Auf Grund des Gesagten ist die Rüge, die Vorinstanz habe die Meinung von Z.________ in ungerechtfertigter Weise übergangen, unbegründet.
5.
Der Appellationshof hat einerseits den auf dem Berner Verwaltungsrechtspflegegesetz beruhenden Kostenentscheid der Regierungsstatthalterin (Auferlegung der Verfahrenskosten an den Berufungskläger) bestätigt und andererseits gestützt auf Art. 58 Abs. 1 der Berner Zivilprozessordnung dem Berufungskläger die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren auferlegt und ihn verpflichtet, der Berufungsbeklagten die zweitinstanzlichen Parteikosten zu ersetzen. Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht nicht befugt, die Anwendung kantonalen (Verfahrens-)Rechts zu überprüfen (vgl. Art. 43 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
6.
Die Kosten des vorliegenden Verfahrens sind ausgangsgemäss dem Berufungskläger aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Berufungskläger auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof (2. Zivilkammer) des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. Juli 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: