S. 358 / Nr. 55 Sachenrecht (d)

BGE 72 II 358

55. Urteil der II. Zivilalbteilung vom 17. Oktober 1946 i. S. Konkursmasse der
Verlassenschaft Bucher gegen Witwe Bucher.

Regeste:
Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB) im Konkurs des eingetragenen
Eigentümers (Art. 242 SchKG) auf Grund einer beim Kaufe getroffenen
Simulationsabrede. Abweisung der Klage wegen Rechtsmissbrauchs (Art. 2 ZGB).
Action on rectification du registre foncier (art. 976 CC) exercée dans la
faillite du propriétaire inscrit (art. 242 LP) et fondée sur le fait que la
vente on vertu duquel le failli est devenu propriétaire de l'immeuble était
simulée. Rejet de l'action pour cause d'abus de droit (art. 2 CC).
Azione di rettifica del registro fondiario (art. 975 CC) promossa nel
fallimento del proprietario iscritto (art. 242 LEF) o fondata sul fatto che la
vendita, in virtù della quale il fallito è diventato proprietario
dell'immobile, ora simulata. Rigetto dell'azione per abuso di diritto (art. 2
CC).

A. ­ Die Klägerin Ida Bucher-Grünenfelder ist die Witwe des im November 1944
verstorbenen Möbelfabrikanten Walter Bucher. Sie hatte diesem schon vor der
Eheschliessung, als damalige Witwe Gossweiler, laut Kaufvertrag vom 26.
Dezember 1923 ihr pfandfreies Heimwesen in Nidfurn verkauft. Der Kaufpreis
wurde auf Fr. 18000.­ beziffert und war nach den Vertragsbestimmungen zum Teil
mit Darlehensforderungen des Käufers zu verrechnen und im übrigen bar zu
zahlen. Die Verkäuferin ermächtigte die Urkundsperson, Dr. David Helti in
Haslen, Glarus, zur Anmeldung des Kaufvertrages im Grundbuch. Dr. Hefti
«beurkundete öffentlich» am Fuss des Kaufvertrages, «dass vorstehende Urkunde
den dem Unterzeichneten mitgeteilten Parteiwillen enthält...», Die Eintragung
erfolgte am 8. Januar 1924. Im gleichen Jahre

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errichtete der Käufer auf dem Grundstück drei Inhaberschuldbriefe von je Fr.
5000.­. Im folgenden Jahre ehelichte er die Verkäuferin. Im Jahre 1926 bezw.
1927 verpfändete er die Schuldbriefe der Obwaldner Kantonalbank. Diese ist
Faustpfandgläubigerin geblieben.
B. ­ Die Erbschaft des Walter Bucher gelangte zufolge allseitiger Ausschlagung
zur konkursamtlichen Liquidation. Nun verlangte die Witwe die Aussonderung der
seinerzeit auf den Namen des Erblassers übertragenen Liegenschaft und die
Zuerkennung einer Frauengutsforderung von Fr. 15000.­, entsprechend dem Betrag
der beiden vom Erblasser für eigene Verbindlichkeiten verpfändeten
Schuldbriefe, mit Privileg der 4. Klasse nach Art. 219 SchKG für den hälftigen
Betrag von Fr. 7500.­. Sie stützte das Aussonderungsbegehren auf eine
Simulationsvereinbarung. In der Tat liegt eine vom 26. Dezember 1923 datierte,
von der Klägerin mitunterzeichnete Erklärung des Käufers folgenden Inhaltes
vor: «Der Unterzeichnete erklärt hiermit, dass es sich beim Kaufvertrag
Gossweiler/ Bucher vom 26. Dezember 1923 um ein in seiner inneren Wirkung null
und nichtiges Scheingeschäft handelt, speziell, dass Frau Gossweiler nie
irgendwelche Darlehen von ihm bezogen hat.» Dr. Hefti, der den Kaufvertrag
beurkundet hatte, bekannte sich im Prozess auch als Verfasser dieser
Erklärung. Er bezeugte, die Parteien des Kaufvertrages seien damals
übereingekommen, diesen nur zum Schein abzuschliessen; der Kauf solle intern
keine Rechtswirkung haben.
C. ­ Auf Grund dieses Urkunden- und Zeugenbeweises hiessen die kantonalen
Gerichte das von der Konkursverwaltung abgewiesene Aussonderungsbegehren der
Witwe gut. Sie schützten ferner deren Frauengutsereatzforderung mit Privileg
für die Hälfte. (Eine ausserdem eingeklagte Lohnforderung ist rechtskräftig
abgewiesen).
Mit der vorliegenden Berufung hält die beklagte Konkursmasse am Antrag auf
gänzliche Abweisung der Klage fest.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Die Klägerin ist trotz der Ausschlagung der Erbschaft zur Klage
legitimiert. Sie leitet den Eigentumsanspruch am Grundstück nicht aus
erbrechtlichem Erwerb ab. Auch die Frauengutsersatzforderung stützt sich nicht
auf Erbrecht, sondern auf eheliches Güterrecht. Die Passivlegitimation der
Konkursmasse des Ehemannes ist entgegen deren Bestreitung gleichfalls gegeben.
Sie zählt das auf den Namen des Walter Bucher eingetragene Grundstück zu
dessen Verlassenschaft, während die Klägerin es aussondern und auf ihren Namen
eintragen lassen will. Und die Ansprüche aus ehelichem Güterrecht können sich
gegen niemand anders als eben die konkursamtlich zu liquidierende
Verlassenschaft des Ehemannes richten.
2. ­ Ungültigkeit des Rechtsgrundes macht die Eintragung des Erwerbers
ungerechtfertigt und setzt sie der Grundbuchberichtigungsklage aus (Art. 975
ZGB), die hier als Aussonderungsklage gegenüber einer Konkursmasse erhoben
wird. Der Kaufvertrag vom 26. Dezember 1923 war in der Tat simuliert und daher
ungültig. Freilich war die Eintragung des Walter Bucher als Eigentümer
gewollt, man hat es mit einer fiduziarischen Eigentumsübertragung zu tun, die
sich aber eben nicht auf einen Ausweis über den wahren Rechtsgrund stützt.
Geht man davon aus, dass ein wenn auch öffentlich beurkundeter Vertrag nur
dann eine gültige Grundlage der Eigentumsübertragung darstellt, wenn er den
wahren Rechtsgrund enthält, so erweist sich der Erwerb des Walter Bucher als
ungültig, weil der öffentlich beurkundete Rechtsgrund (Kauf) nicht gewollt,
der gewollte aber (fiducia mit näheren Bedingungen) nicht beurkundet ist (vgl.
BGE 45 II 27 und zahlreiche weitere Entscheidungen, neuestens 71 II 99,
besonders 106 oben). Freilich findet sich die Ansicht vertreten, es genüge
auch ein einfach den beidseitigen Willen zur Eigentumsübertragung
beurkundender Vertrag, ohne Angabe eines Rechtsgrundes (EUGEN HUBER, Zum
schweizerischen

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Sachenrecht 119). Dem stehen aber gewichtige Bedenken entgegen (GUHL. in der
Festgabe für das Bundesgericht 113). Zwar spricht Art. 657 ZGB allgemein vom
«Vertrag auf Eigentumsübertragung ~j. Aber das lässt sich zwanglos als
zusammenfassende Umschreibung verstehen, so dass im einzelnen Falle der
zutreffende Rechtsgrund anzugeben ist. Vollends spricht das Grundbuchrecht vom
Ausweis über den Rechtsgrund, was nach landläufigem Sprachgebrauch die
rechtsgeschäftliche Causa bedeutet. Dem Bestreben von Vertragschliessenden,
den wahren Rechtsgrund zu verschweigen oder zu verschleiern, kommt also das
Gesetz nicht entgegen. Übrigens ist «fiducia» kein selbständiger Rechtsgrund;
es handelt sich nur um Nebenabreden mit obligatorischer Wirkung über bestimmte
Einschränkungen der Eigentumsausübung. Man kann daher von fiduziarischem Kauf
oder Tausch, von fiduziarischer Schenkung sprechen, abgesehen vom besondern
Fall einer Sicherstellung. Wollte man «Verträge auf Eigentumsübertragung ',
ohne Angabe eines Rechtsgrundes zulassen, so wäre einer missbräuchlichen
Verwendung dieser Vertragsfigur nicht vorzubeugen, es wäre denn durch
Aufstellung deutlicher Schranken, wofür aber dem Gesetze wiederum nichts zu
entnehmen ist. Hier wurde übrigens kein derartiger «abstrakt» gefasster
Vertrag abgeschlossen, sondern ein Kaufvertrag mit Angabe des Preises samt
Zahlungsbedingungen, während Bucher in Wirklichkeit kein Entgelt zu leisten
hatte. Der wahren Sachlage hätte eine (fiduziarische) Schenkung entsprochen.
3. ­ Aus Art. 212 SchKG folgt nichts gegen die Klage. Jene Vorschrift setzt
einen gültigen Kauf voraus. Dagegen muss die Klage an den Grundsätzen von Treu
und Glauben scheitern. Obwohl der Eigentumserwerb des Walter Bucher als
ungültig anzusehen ist, braucht sich dessen Konkursmasse, d.h. die Gesamtheit
seiner Gläubiger, die Grundbuchberichtigung zugunsten der Klägerin und damit
die Aussonderung des Grundstückes aus dem Verlassenschaftsvermögen des
Schuldners nicht gefallen zu lassen.

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Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits Bucher selbst, falls die Ehefrau
gegen ihn auf Grundbuchberichtigung geklagt hätte, solcher Geltendmachung der
Simulation die Einrede der Arglist (Art. 2 ZGB) hätte entgegenhalten können
(wozu vgl. BGE 71 II 106 Erw. 4, 72 II 39). Wie dem auch sei, verlangt es die
gute Treue, dass das auf Grund eines simulierten Kaufvertrages auf den Namen
des Schuldners eingetragene Grundstück in dessen Verlassenschaftskonkurs zur
Verwertung gelange und der Erlös zur Befriedigung seiner Gläubiger diene (auch
abgesehen vom Gläubiger mit Faustpfandrecht an den drei Schuldbriefen, dessen
Vorzugsrecht natürlich zu berücksichtigen sein wird). Freilich kennt das
schweizerische Konkursrecht keinen allgemeinen Grundsatz des Inhaltes, dass
Sachen, die einem Andern gehören, sich aber mit dessen Einwilligung in solcher
Weise im Besitz des Schuldners befinden, «dass Dritte zur Ansicht geführt
werden, sie würden dem Schuldner gehören, und dass Dritte infolge dessen dem
Schuldner Kredit schenken», unter Konkursbeschlag fallen, als ob sie Eigentum
des Schuldners wären («reputod ownerehip» des englischen Rechtes; siehe JOSEF
KOHLER, Konkursrecht 187). Dieser Rechtsgedanke kann jedoch, in einem so
ausgeprägten Falle der Schaffung eines Rechtsscheines wie hier, nach Art. 2
ZGB zur Geltung kommen. Die Klägerin räumte dem Schuldner nicht nur Besitz
ein. Sie machte ihn zum eingetragenen Grundeigentümer und liess es dabei bis
zum Verlassenschaftskonkurs bewenden. Dabei handelte sie ohne Zwang oder
Tatsachenirrtum. Der zum Schein abgeschlossene Kaufvertrag war eine
Machenschaft zur Täuschung der gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger, unter
missbräuchlicher Benutzung eines zur Begründung und Darstellung dinglicher
Rechte an Grundstücken bestimmten öffentlichen Registers, des Grundbuches. Der
als Grundbuchbeleg angefertigte Kaufvertrag war dazu angetan, jeden, der etwa
nach den Grundlagen des Eigentumseintrages nachforschte, noch um so mehr in
der Annahme des Eigentums des Schuldners zu

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bestärken. Die Klägerin traf diese Verfügung laut der Klageschrift im Hinblick
auf den bevorstehenden Eheabschluss, um dem «notorisch in Geldmitteln immer
etwas knappen» Schuldner finanziellen Beistand zu leisten. Sie erreichte denn
auch, dass der Schuldner sich als Eigentümer des Grundstückes, abgesehen von
der Errichtung und Verpfändung von Schuldbriefen, den Anstrich eines hablichen
Mannes geben konnte. Es geht nicht an, dies nun im Verlassenschaftskonkurs des
Mannes als eitel Trug zu erklären und das Grundstück dem Beschlagsrecht seiner
Gläubiger zu entwinden. Vielmehr ist die Klägerin in diesem Konkurse bei dem
seit 20 Jahren vorgespiegelten Grundbuchstande zu behaften und die Berufung
auf die Simulationsabrede nicht zuzulassen. Nichts zu Gunsten der Klägerin
folgt daraus, dass die Urkundeperson in Kenntnis des wahren Willens der
Beteiligten sich zu dieser Verurkundung und sogar zur Abfassung der geheim zu
haltenden Simulationsvereinbarung bereit fand.
4. ­ Mit der Verneinung des Aussonderungsanspruches verliert auch die
Forderung aus ehelichem Güterrecht, so wie sie, eben auf Grund des geltend
gemachten Eigentums am Grundstück, erhoben wurde, ihre rechtliche Stütze.
Allfälligen Ansprüchen aus anderem Rechtstitel, wie sie die Klägerin noch
nachträglich im Konkurse eingeben kann (Art. 251 SchKG), ist damit nicht
vorgegriffen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Obwalden vom 12. Juli 1946 aufgehoben und die Klage abgewiesen.