62 Civilrechtspflege

V. Oblig'abionenrecht. Code des obligations.

10. Urteil vom 21. Januar 1898 in Sachen Schladitz gegen Kummer-Schwab.

Kauf. Wandelung ? Verzicht auf Mdngelru'ge? Hechtzeitigkeit der Mdngelrüge
.? Form derselben. Preisminderung und Schadenersatz.

A. Durch Urteil vom 7. Oktober 1897 hat der Appellationsund Kassationshof
des Kantons Bern erkannt:

1. Dem Kläger ist fein Rechtsbegehren sub litt. a zugesprochen in der
Höhe von 435 Mark oder 539 Fr. plus Zinsà 5 0/0 seit 14. September 1895.

2. Dem Kläger ist sein Rechtsbegehren sub litt. b in einem Betrage von 370
Mark oder 457 Fr. 90 Cts. zugesprochen,. dagegen ist er mit der weitern
Forderung für diese Lieferung und mit der Zinsforderung abgewiesen.

3. Dem Kläger ist das Rechts-begehren sub litt. c zugesprochen in
der Höhe von 735 Mark oder 909 Fr. 55 'Età. plus Zins à 5 0/0 seit
15. Oktober 1895.

4. Dem Beklagten ist sein Rechtsbegehren 2 zur Vorklage, wonach die
Mark zum Kurswert zur Zeit des Verfalls zu berechnen, Und der Kläger
mit seiner Mehrforderung abzuweisen ist,. zugesprochen

5. Dem Beklagten ist sein erstes Widerklagsbegehren zugesprochen. Die
Höhe der vom Kläger zu leistenden Entschädigung wird bestimmt auf 465 Fr.

6. Der Beklagte ist mit seinem zweiten Widerklagsbegehren abgewiesen.

7. Der Saldo, welchen der Beklagte dem Kläger auf den Urteilstag heraus
schuldig bleibt, wird festgesetzt aus 1586 Fr. 95 Cts.

8. Die Kosten des Prozesses sind unter Parteien wettgeschlagem

B. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen. 'V. Obligationenrecht. N° 10. 63

Der Kläger beantragt:

1. Es seien die Rechtsbegehren der Klage sub litt. a, b und cim vollen
Umfauge zuzusprechen.

2. Der Beklagte und Widerkläger sei mit seiner Widerklage gänzlich
abzuweisen, unter Kostenfolge.

Die Abänderungsanträge des Beklagten lauten:

1. Es seien sämtliche Vorklagsbegehren abzuweisen, soweit: widerklagsweise
Verrechnung geltend gemacht werde.

2. Es sei überdies

a. das Vorklagsbegehren sub litt. a, soweit es sich auf Ma schine
Nr. 11,646 beziehe, abzuweisen, soweit Minderung des Kauspreises
verlangt werde.

b. Das Vorklagsbegehren sub litt. b vollständig abzuweisen, soweit
Wandelung verlangt werde, und in Betreff der Maschinen Nr. 12,179 und
12,237 soweit Minderung des Kauspreises verlangt sei.

3. Es sei

a. Das Widerklagsbegehren sub Biff. 1 in vollem Umfange zuzusprechen und
das Urteil vom 7. Oktober 1897 im· Sinneder Erhöhung der unmittelbaren,
und des Zuspruchs einer mittelbaren Entschädigung abzuändern.

b. Das Widerklagsbegehren sub Ziff. 2 zuzusprechen.

4. Es seien die dem Widerkläger zugesprochenen Beträge mitder dem Kläger
zugesprochenen Forderung zu verrechnen.

5. Der Kläger sei gegenüber dem Beklagten und Widerkläger zu sämtlichen
Kosten zu verurteilen.

C. In der heutigen Hauptverhandlung vor Bundesgericht er-

.neuern die Anwälte beider Parteien ihre schriftlich gestellten Be-

rufungsanträge, und beantragen Abweisung derjenigen ihrerGegenpartei.
Fürsprech Reichel anerkennt, dass die Mark nicht voll,. sondern zum
Tageskurse zu rechnen sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die vorliegende Klage geht auf Bezahlung des Kaufpreises für Fahrräder,
welche der Kläger, ©. W. Schladitz, Fahrt-adfabrikant in Dresden,
dem Beklagten, J. Kummer-Schwab, Fahrradhändler in Herzogenbuchsee, im
Jahre 1895 auf Bestellung hin in 3 verschiedenen Sendungen nach dessen
Geschäftsdomizil geliefert hatte, nämlich:

64 Civilrech tspflege.

a. 435 Mark bezw. 543 Fr. 75 Ets. nebst Verzugszins

szu 5 00 seit 14. September 1895 gemäss Faktur voin 14. Juni I. J.

g b. 2240 Mark bezw. 2800 Fr. nebst Verzugszins zu 5 0/0

seit 11. Oktober 1895 gemäss Faktura vom 11. Juli gleichen Jahres, und

c. 738 Mark bezw. 918 Fr. 75 Ets. nebst Verzugszins zu 5 0/0 seit
15. Oktober 1895 gemäss Faktur vom 15. Juli gleichen Jahres.

Der Beklagte wendete dieser Klage gegenüber in erster Linie ein, dass
die Mark zu ihrem Kurswerte zur Zeit des Verfalls der Fakturen, und
nicht, wie es seitens des Klägers geschehen sei, zu 1 Fr. 25 Ets. zu
berechnen sei, weshalb der Kläger mit dem Mehrbetrag, welcher sich aus
seiner Berechnung der Mark zu 1 {gr. 25 Ets. ergebe, abgewiesen werden
müsse. Sodann stellte er widerklageweise das Begehren auf Wandelung der
laut Faktur vom 11. Juli 1895 gelieferten Fahrräder, mit Ausnahme zweier,
von ihm sofort weiter veräusserter Räder Nr. 12,179 und 12,237, und
Verurteilung des Klägers zum Ersatz des Schadens, welcher ihm durch die
Lieferung nicht vertragsmässiger Ware verursacht worden sei. Im weitern
verlangte er Preisminderung bezüglich der beiden Fahrräder Nr. 12,179 und
12,287 (laut Faktnr vom 11. Juli 1895) sowie eines mit Faktur vom 14. Juni
1895 gelieferten Rades Nr. 11,646 und eines aus einer frühern Sendung
(Faktur vom 13. Mai 1895) herrührenden Rades Nr. 10,734. Er behauptete,
die beanstandeten Maschinen seien durchwegs minderwertiges Fabrikat,
und entsprechen keineswegs den vom Verkäufer Übernomnienen Garantien.
Jm allgemeinen sei zu rügen, dass die Tretkurbelaxen, Tretkurbeln
und Verstellvorrichtungen aus schlechtem Gussstahl hergestellt,
die Kautschukreifen ganz minderwertiges Material seien, so dass sie
nur einige Wochen Gebrauch aushalten; ferner seien die Nieten schlecht
verlötet, die Vernickelung und Emaillierung sei schwach und unhaltbar
und die Korkhandgriffe fallen sofort ab.

2. In Betreff der Frage, zu welchem Satze die in deutscher Währung
ausgesetzten Fakturabeträge in Landesmünze umzusrechnen seien, hat die
Vorinstanz den vom Beklagten vertretenenV. Obligationenrecht. N° 10. 65

Standpunkt eingenommen, und den Beklagten für berechtigt er-

klärt, die schuldigen Beträge nach demjenigen Kurswert der Mark zu
begleichen, welchen dieselbe an seinem Wohnort bei Ver-

fall der betreffenden Fakturabeträge hatte. Da sich der Vertreter des
Klägers in seinem heutigen Vortrag hiemit einverstanden

erklärt hat, bleibt somit einzig die den Gegenstand der Widerklage
bildende Frage nach der Gewährspflicht des Klägers streitig.

3. Über den Inhalt dieser Gewährspflicht stellt die Vorinstanz fest,
dass die Parteien den zwischen ihnen abgeschlossenen Kaufsverträgen
die Bedingungen der klägerischen Preisliste für das Jahr 1895 zu Grunde
gelegt haben, laut welchen der Kläger

cunter anderm zusicherte, dass zu allen seinen Fahrrädern nur

Weldlessstahlrohr erster Qualität verwendet werde und überhaupt die
Garantie für die Verwendung besten Materials und sorg-

sältigste faubere Arbeit übernahm. Der Kläger hat demnach neben

der Gewährspflicht für die gewöhnliche Beschaffenheit der Ware, durch
welche ihre Brauchbarkeit und Verkäuflichkeit bedingt ist,

sfür das Vorhandensein der genannten Eigenschaften einzustehen,

soweit er sich nicht darauf berufen kann, dass die Ware vom Beklagten
genehmigt worden sei.

4. In letzterer Beziehung hat der Kläger zunächst darauf abgestellt,
dass der Beklagte die Fahrräder, welche ihm nach der Eisenbahnstation
Herzogenbuchsee abgeliefert worden waren, von der Bahn habe abführen
lassen, und behauptet, in diesem Verhalten liege ein Verzicht auf
die spätere Anbringung einer Mängelriige. Diese Ansicht muss indessen
als irrtümlich bezeichnet werden. Bevor der Käufer, nach dem üblichen
Geschäftsgange, in der Lage ist, die Beschaffenheit der Ware zu prüfen,
kann von einer stillschweigenden Genehmigung durch die Entgegennahme
derselben nicht gesprochen werden, und nun behauptet der

Kläger selbst nicht, dass eine Prüfung der Ware auf die in

Rede stehenden Eigenschaften hin schon bei Empfangnahme auf der Bahn
thunlich, oder auch nur möglich gewesen wäre. In der

vorbehaltlosen Entgegennahme auf der Bahn kann demnach ein

Verzicht auf die spätere Beanstandung wegen dieser Eigenschaften rnicht
erblickt werden. XXIV, 2. 1898 5

66 Civilrechtspflege.

5. Dagegen muss sich fragen, ob und inwieweit der Beklagtesz

sich gegen das Präjudiz der Genehmigung durch rechtzeitige und
gehörig abgefasste Mängelrüge gesichert habe. Denn, abgesehen vom
Falle absichtlicher Täuschung des Käufers durch den Verkäufer gilt die
empfangene Sache, soweit es sich nicht um verborgene Mängel handelt, als
genehmigt, wenn der Käufer esversäumt hat, die Beschaffenheit derselben,
sobald dies nach dem. Üblichen Geschäftsgange thunlich ist, zu prüfen,
und dem Verkäufer von der Konstatierung allfälliger Gewährsmängel sofort
Anzeige zu machen (Art. 246 O.-R.). Von absichtlicher Täuschung kann
nun im vorliegenden Falle nicht die Rede fein. Zwar hat der Beklagte
behauptet, der Kläger habe ihm die oben bezeichneten Mängel dolos
verschwiegen; denn es sei ihm bekannt gewesen, dass die gelieferten
Fahrräder nicht die versprochenen Eigenschaften besitzen. Es liegt jedoch
auf der Hand, dass in der Ab:lieferung nicht vertragsmässiger Ware für
sich allein, auch dann, wenn der Verkäufer die mangelhafte Beschaffenheit
kennt, eineaus Täuschung des Käufers gerichtete Handlung noch nicht
gefunden werden kann. Der Käufer hat die gelieferte Ware auf ihre
vertragsmässige Beschaffenheit und damit auch auf das Vorhandensein der
zugesicherten Eigenschaften hin zu prüfen; derVerlänfer darf hienach ohne
weiteres annehmen, dass der Käufer seine Interessen in dieser Richtung
wahrnehme. Damit von Täuschung des Käufers gesprochen werden könnte,
müsste vorliegen, dass bei dem Käufer absichtlich ein Irrtum erregt
oderunterhalten worden sei, welcher bei übungsgemässer Untersuchung der
Ware nicht hätte konstatiert werden können. Ein derartiges betrügliches
Verhalten ist jedoch dem Kläger nicht zur Last gelegt worden.

6. Eine Genehmigung muss nun nach Art. 246 O.-R. angenommen werden
bezüglich der laut Faktur vom 13. Mai 1895 gelieferten Maschine
Nr. 10,734, bei welcher der Beklagte einen Abzug vom Kauspreise im Betrage
von 75 M. wegen defekten Kissenreifes verlangt, sowie bezüglich der laut
Faktur vom 14. Juni 1895 gelieferten Maschine Nr. 11,646, bei welcher
wegen eines gleichen Mangels eine Preisreduktion von 25 M., beanfprucht
wird. Bei beiden Maschinen ist die Mängelrüge ver-V. Obligationenrecht. N°
10. 67

spätet; denn bezüglich der erstern hat eine Neklamation erst am
5. Februar, bei der zweiten erst am 6. April 1896 stattgefunden. Der
Beklagte behauptet nun freilich, die Unterlassung sofortiger Prüfung und
Mängelrüge dürfe ihm gegenüber deshalb nicht als Genehmigung ausgelegt
werden, weil der Reisende des Klägers aus sofortige Vornahme dieser
Massregeln ausdrücklich verzichtet habe, und abgesehen hievon auch aus
dem Grunde, weil die Ware zur Weiterveräusserung bestimmt gewesen sei.
Allein die Behauptung, dass dem Beklagten die Pflicht zur sofortigen
Prüfung und Mängelrüge ausdrücklich erlassen worden sei, ist durch die
gegenteilig lautende Zeugenaussage des betreffenden Reisenden widerlegt,
und was die Bestimmung der Fahrräder zur Weiterderäusserung anbetrifft,
so kann sich der Beklagte nicht etwa darauf stützen, dass es sich
hier um Ware handle, die ihrer Natur nach zur Weiterveräusserung
in Original-v verpackung bestimmt wäre, und deshalb eine sofortige
Prüfung durch den Käufer nicht zulasse, sondern er macht nur geltend,
dass diejenige Art der Prüfung, welche zur Konstatierung der fraglichen
Mängel erforderlich gewesen wäre, nämlich eine Probefahrt mit den
Fahrrädern, den Verkaufswert beeinträchtigt hätteund nicht üblich
sei. Für diese Behauptung ist aber der Beweis, wie die Vorinstanz
für das Bundesgericht verbindlich feststellt, nicht erbracht, es muss
daher davon ausgegangen werden, der Beklagte habe von der Vornahme einer
Probefahrt, sofern eine solche zur Prüfung der Mängel unerlässlich war,
nicht Umgang nehmen dürfen. Unter allen Umständen aber wäre zur Wahrung
seiner Ansprüche wegen der fraglichen Gewährsmängel erforderlich gewesen,
dass die bezeichnete Probe von dem dritten Abnehmer, sobald dies nach
dem üblichen Geschäftsgange thunlich war, vorgenommen und dem Kläger
von den dabei zu Tage getretenen Mängeln ohne Verzug Kenntnis gegeben
worden wäre. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die bezüglich der beiden
Maschinen im Februar bezw. April 1896 erhobene Mängelrüge erweist sich
somit als verspätet, und müssen daher diese Maschinen als vom Beklagten
genehmigt betrachtet werben.

7. Die übrigen, vom Beklagien beanstandeten Fahrräder gehören sämtlich
zu der Sendung, welche am 16. Juli 1895 beim68 Civilrechtspflege .

Beklagten anlangte, und über welche ihm am 11. gl. Mrs. Faktur ausgestellt
worden war. Diese Sendung hat der Beklagte dem Kläger bereits am Tage nach
deren Empfang, d. h. am 17. Juli, wieder zur Verfügung gestellt, indem er
ihm anzeigte, die Untersuchung des verwendeten Materials habe ergeben,
dass nicht, wie im Katalog (Preislifte) angedeutet, Primastahl, sondern
Gussstahl verwendet worden sei; es sei denn auch bei einer Probefahri,
die man mit einer (für den Beklagten persönlich bestimmten) Maschine
ausgeführt habe, die Tretkurbelare gebrochen, was nur bei Verwendung
folch' ungeeigneten Materials eintreten könne. Die Lieferung sei nicht
nach Katalog und gemäss Vertrag effektuiert worden. Diese Mängelrüge
ist, da sie bereits am Tage nach der Ablieferung erfolgte, rechtzeitig
erhoben worden. Dagegen genügt dieselbe dem Erfordernis der Bestimmtheit
nur insofern, als sie sich auf den bei den Maschinen verwendeten Stahl
bezieht. Die allgemeine Bemerkung, die Lieferung sei nicht gemäss Vertrag
und Katalog effektuiert, lässt nicht erkennen, was für Mängel, ausser den
bereits genannten, gerügt werden wollen. Da der genannte Katalog eine
Reihe von Eigenschaften der klügerischen Fabrikate hervorhebt, enthält
der Hinweis auf denselben keine so bestimmte Anzeige, dass der Kläger
daraus mit Sicherheit hätte ermessen können, um welche weitern Mängel,
ausser der Verwendung nicht vertragsgemässen Stahls, es sich handle.
Nach konstanter Praxis des Bundesgerichtes (s. Amtl. Samml., Bd. XXII,
S. 503 Erw. 2) ist aber die Mängelrüge nur insoweit wirksam, als sie
dem Verkäufer die Möglichkeit bietet, den Umfang der Beanstandung
bestimmt zu ermessen. Auf weitere Mängel, als die bereits genannten,
könnte der Beklagte somit den Wandelungsbezw. Preisminderungsanspruch,
den er rücksichtlich der Sendung laut Faktur vom 11. Juli 1895 erhebt,
nur unter der Voraussetzung stützen, dass solche Mängel trotz sofortiger,
übungsgemässer Untersuchung erst später erkennbar gewesen wären, oder
dass der Kläger ihn über die Beschaffenheit der Ware absichtlich getäuscht
hätte. Letztere Voraussetzung trifft aber wie bereits bemerkt, nicht zu,
und es ist auch in keiner Weise dargethan, dass es sich bei der fraglichen
Sendung um verborgene Mängel gehandelt habe. 'V. Obligationenrecht. N°
10. 69

8. Für die Gewährleistungspflicht des Klägers kommt hieuach einzig die
Verwendung des Stahls in Betracht. In dieser Beziehung hat die Vorinstanz
als Resultat der Beweiserhebung festgestellt, dass die dem Beklagteu mit
Faktur vom 11. Juli 1895 gelieferten Fahrräder, rücksichtlich welcher
dieser die Wandelung des Kaufes verlangt, der gegebenen Zusicherung
nicht entsprechen, d. h. nicht aus Primastahl gefertigt seien. Diese
Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich Sie ist rein
thatsächlicher Natur, und steht mit den-Akten nicht in Widerspruch,
sondern stützt sich auf die Aussage mehrerer sachverständiger Zeugen,
welche sich mit der Untersuchung dieser Fahrräder befasst haben, und
welche übereinstimmend erklärten, dass sie den verwendeten Stahl als
schlecht befunden haben. Da es sich hiebei um einen Mangel handelt, der
nach seiner Natur nicht erst nach der Empfangnahme entstanden sein konnte,
mit der im Prozesse erfolgten Feststellung desselben somit zugleich
auch der Beweis erbracht ist, dass er schon zur Zeit der Empfangnahme
vorhanden war, so braucht in casu auf eine Prüfung der weitern Frage nicht
mehr eingetreten zu werden, ob der Beklagte der ihm nach Art. 248 Abs. 2
O.-R. obliegenden Pflicht zur gehörigen und unverzüglichen Feststellung
des Thatbestandes nachgekommen sei. In Bestätigung des vorinstanzlichen
Entscheides ist somit die Wandelungsklage gutzuheissen.

9. Der Preisminderungsanspruch, welchen der Beklagte rücksichtlich der
beiden, ebenfalls zur Liefernng vom 16. Juli 1895 gehörenden Maschinen
Nr. 12,179 und 12,237 erhoben hat, ist von der Vorinstanz mit der
Begründung abgewiesen worden, dass der Beklagte diese Maschinen bei ihrer
Ankunft in Herzogenbuchsee sofort weiter verkauft habe, und mit Rücksicht
auf die in dieser vorbehaltlosen Weiterveräussernng liegende Genehmigung
nicht nur der Wandelungs-, sondern auch der Preisminderungsanspruch als
ausgeschlossen betrachtet werden müsse. In der blossen Thatsache der
Weiterveräusserung kann jedoch nicht ohne weiters eine Genehmigung der
empfangenen Ware erblickt werden, denn dem Käufer bleibt auch in diesem
Falle die Befugnis gewahrt, die Gewährspflicht des Verkäufers wenigstens
zum Zwecke der Preisminderung (Art. 254 Abs. 2 O.-R.) in Anspruch zu

70 Civilrechtspflege.

nehmen, sofern er nur dafür sorgt, dass die Untersuchung der Ware und
die Mängelrüge rechtzeitig und gehörig vorgenommen wird, In casa hat
nun der Beklagte auch bezüglich dieser beiden Maschinen die Mängelrüge
mit dem Brief, in welchem er dem Kläger die ganze Sendung zur Verfügung
stellte, rechtzeitig erhoben. Dagegen ist nun allerdings in keiner Weise
festgestellt, dass auch diese Maschinen die geriigten Mängel aufgewiesen
haben, und muss der Preisminderungsanspruch aus diesem Grunde abgewiesen
werden.

10. Die Wandelung des Kaufvertrages rücksichtlich der zehn Maschinen
hat zur Folge, dass der Beliagte gegen Rückerstattung derselben von
der Bezahlung des Kaufpreises befreit wird, und überdies Anspruch auf
Ersatz des Schadens, der ihm durch die Lieferung der fehlerhaften Ware
unmittelbar verursacht ist, sowie beim Nachweis eines Verschuldens des
Klägers, auch auf Ersatz des mittelbaren Schadens hat. Zum unmittelbaren
Schaden gehören unbestreitbar die Auslagen des Beklagten für Fracht
und Zoll, sowie seine Aufwendungen für Aufbewahrung und Unterhalt
der Maschinen. Die auf die in Rede stehenden 10 Fahrräder entfallende
Quote der Frachtund Zollspesen hat die Vorinstanz auf 203 Fr. 50 Cts.,
und die Vergütung für Aufbewahrung und Unterhalt derselben, gestützt
auf die erhobene Expertise, auf 1 Fr. per Monat festgesetzt. Diese
Feststellung beruht auf thatsächlicher Würdigung der Akten und ist
daher für das Bundesgericht nach Art. 81 Organis.-Ges. massgebend Im
weitern verlangt der Beklagte 600 Fr. als Ersatz des auf den fraglichen
Maschinen entgangenen Gewinns, und 1000 Fr. wegen Kreditschädigung, indem
er behauptet, verschiedene Liebhaber hätten sich infolge der Anstände,
welche durch die gelieferten Schladitzmaschinen entstanden seien, von
Kaufsabschlüssen abhalten lassen. In Betreff dieser letztern Forderung
ist von vornherein klar, dass es sich dabei jedenfalls nur um einen
mittelbar verursachten Schaden handeln könnte, und der Beklagte daher
nur beim Nachweis eines Verschuldens des Klägers Anspruch auf Ersatz
desselben hat, Allein abgesehen hievon fehlt es durchaus an dem Beweise,
dass dem Beklagten in der angegebenen Richtung ein Schaden wirklich
entstanden sei. Was sodann den Ersatz des auf den fehlerhaften Maschinen
entgangenen GewinnsV. Obligationenrecht. N° 10. 71

-anbetrifft, so ist zuzugeben, dass ein solcher Schaden allerdkings unter
die Kategorie des unmittelbaren Schadens fallen anda, indem wenigstens
beim Verkauf von. Ware, welche fur, te

Weiterveräusserung von vorneherein bestimmt, und deren gewirliw

bringende Weiterveräusserung nach den Umstanden thatlslachccht

möglich und beabsichtigt war, der Verkaufer furn den Fa Udich

vertragsmässiger Lieferung die Einbusse des Kaufers alilis feig durch
die Weiterveräusserung zu erzielenden Gewinn ebenfa ' ir;s Auge zu fassen
haben wird, einen daherigen Schaden somit a ,

unmittelbare Folge seines vertragswidrigen Verhaltens wdirdtlvon
aussehen können, soweit es sich überhaupt um die im or Le; kchxn
Lauf der Dinge begründete Folge von Ursache undöc äru g handelt
(s. bundesger. Entsch. in Sachen Hartter l soîrîrliot.t gegen Kraft,
vom 16. Juli 1897). In casuomanget e N chaber auch rücksichtlich der
Forderung von 600 Fr. an dem a f weis eines Schadens. Da der Beklagte
nicht ausschliesslich auden Handel mit Maschinen aus der Fabrik des
Klagersd gngei-t wiesen war und sich auch thatsächlich nicht auf den
Han e {gesolchen Maschinen beschränkt hat, konnte von eutgangenerègt
...; winn nur insofern gesprochen werden, alsa der Beklagte 111 )d ...
Stelle der fehlerhaften klägerischen Fahrrader solches von laiiheätte
Herkunft mit gleichen Vorteilen und in gleicher .lnzah. ol e absetzen
Können. Dafür, dass der Handel des Beklagten infodgr der fehlerhaften
Lieferung überhaupt beschrankt txordeLixäemn

weniger gewinnbringend gewesen sei, als wenn ie üsendelg dem Vertrage
entsprochen hätte, fehlt es an einem glen hgr fie Anhalt; die hierüber
befragten Experten erklaren game mLezekia te können nicht bestimmen,
inwieweit und wie viel er ädgqt durch die von ihm beanstandete Lieferung
des Klagers gesch si im wie. Demnach hat das Bundesgericht

erkannt: Die Berufung beider Parteien wird als unbegrtxndeghosg

gewiesen, und das Urteil des Appellationsund Kassagvvtllen Be: des
Kantons Vern vom 7. Oktober 1897 in allen ei

stätigt