Urteilskopf

115 II 366

66. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Oktober 1989 i.S. Gebrüder G. gegen J. und Kantonales Schiedsgericht Wallis (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 367

BGE 115 II 366 S. 367

Das Kantonale Schiedsgericht Wallis stellte mit Entscheid vom 20. Mai 1988 fest, dass die von J. gegen seine früheren Arbeitgeber, die Gebrüder G., erhobene Klage auf Lohnnachzahlung anerkannt worden sei, weshalb die Beklagten dem Kläger Fr. 2'311.60 schuldeten. Auf die Widerklage auf Zahlung von Fr. 12'883.-- Schadenersatz aus Nichterfüllung des Arbeitsvertrags trat das Schiedsgericht wegen Unzuständigkeit nicht ein. Gegen den am 11. April 1989 eröffneten Entscheid des Schiedsgerichts führen die Beklagten staatsrechtliche Beschwerde und beantragen die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Das Schiedsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Der Kläger beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Beim Kantonalen Schiedsgericht Wallis, das für die im Verfahren gemäss Art. 343 Abs. 2
SR 220 Parte prima: Disposizioni generali Titolo primo: Delle cause delle obbligazioni Capo primo: Delle obbligazioni derivanti da contratto
CO Art. 343
OR zu beurteilenden Arbeitsvertragsstreitigkeiten zuständig ist, handelt es sich nicht um ein eigentliches Schiedsgericht, sondern um ein staatliches Gericht. Seine Urteile sind Entscheide im Sinn von Art. 84 Abs. 1
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CO Art. 343
OG, die
BGE 115 II 366 S. 368

keinem kantonalen Rechtsmittel unterliegen und deshalb als letztinstanzliche Entscheide (Art. 86 f
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CO Art. 343
. OG) mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden können (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 13. März 1986 i.S. R. E. 1; Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 11. März 1970 i.S. Vuissoz gegen Mottet E. 2b, in RVJ 1971 S. 56; FUX, Die Walliser ZPO, S. 204). Die Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 Abs. 2
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CO Art. 343
OG) steht deren Zulässigkeit nicht entgegen, da vorliegend sowohl die Berufung (Art. 43 ff
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. OG) wie die Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 68 ff
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. OG) ausgeschlossen sind. Die von den Beschwerdeführern als bundesrechtswidrig gerügte Verneinung der Zuständigkeit für die Beurteilung der Widerklage über Fr. 12'883.-- stellt keinen berufungsfähigen Zuständigkeitsentscheid gemäss Art. 49
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OG dar, da das Schiedsgericht weder oberes kantonales Gericht noch sonstige Spruchbehörde im Sinne von Art. 48 Abs. 1
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OG ist. Wohl entscheidet es als einzige und damit letzte kantonale Instanz und ist für den ganzen Kanton Wallis zuständig. Seine Organisation und Funktion lassen es jedoch eindeutig als unteres Gericht im Sinne von Art. 48 Abs. 2
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OG erscheinen. Die Mitglieder des Schiedsgerichts werden durch die Regierung und nicht durch das Parlament gewählt (Art. 31 Abs. 2 der französischen Fassung des kantonalen Arbeitsgesetzes vom 16. November 1966); das Schiedsgericht ist sodann geschaffen worden, um Streitigkeiten nach Art. 343 Abs. 2
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OR in einem einfachen und raschen Verfahren zu beurteilen. Die Einstufung des Schiedsgerichts unter die in Art. 48 Abs. 2
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OG genannten Gerichte entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die schon wiederholt kantonale Behörden, die als einzige Instanzen für das ganze Kantonsgebiet zuständig sind, als untere Gerichtsbehörde im Sinne der erwähnten Bestimmung betrachtet hat (BGE 96 I 632 E. 1a, BGE 77 II 281 E. 2; vgl. zum Ganzen auch WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, S. 170), deren Entscheide nach Art. 48 Abs. 2 lit. a
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OG nur dann berufungsfähig sind, wenn die Behörde als letzte, aber nicht einzige kantonale Instanz entschieden hat. Dem Kanton Wallis bleibt es unbenommen, ein Rechtsmittel gegen Entscheide des Schiedsgerichts an das Kantonsgericht einzuführen, was sachgerecht und wünschbar wäre. Obwohl die Beschwerdeführer geltend machen, das Schiedsgericht habe Art. 343 Abs. 2
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OR und damit eine eidgenössische Zuständigkeitsvorschrift verletzt, kann ihre Beschwerde auch
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nicht in eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 Abs. 1 lit. b
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OG umgedeutet werden, die nicht der Einschränkung von Art. 48 Abs. 1
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und 2
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OG unterliegt. Denn Art. 343 Abs. 2
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CO Art. 343
OR enthält keine eidgenössische Vorschrift über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit, sondern lediglich Bestimmungen über das Verfahren, ohne den Kantonen vorzuschreiben, welche Behörden sie für die Behandlung von Arbeitsvertragsstreitigkeiten zuständig erklären müssen. Ausser Betracht fällt auch der Nichtigkeitsgrund der Anwendung kantonalen statt des massgebenden eidgenössischen Rechts (Art. 68 Abs. 1 lit. a
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CO Art. 343
OG), da Art. 343 Abs. 2
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CO Art. 343
OR nichts über die Behandlung von Widerklageforderungen sagt, welche die Streitwertgrenze dieser Bestimmung übersteigen (E. 3 hienach).
3. Das Schiedsgericht verneint seine Zuständigkeit zur Beurteilung der Widerklage über Fr. 12'883.-- gestützt auf Art. 29
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CO Art. 29 - 1 Il contratto non obbliga colui che lo ha conchiuso per timore ragionevole causato dal fatto illecito dell'altra parte o di una terza persona.
1    Il contratto non obbliga colui che lo ha conchiuso per timore ragionevole causato dal fatto illecito dell'altra parte o di una terza persona.
2    Se la minaccia è il fatto di un terzo, la parte minacciata che vuol liberarsi dal contratto deve, ove l'equità lo richieda, risarcire il danno all'altra parte, a meno che questi abbia conosciuto o dovuto conoscere la minaccia.
des kantonalen Arbeitsgesetzes vom 16. November 1966 i.V.m. Art. 343
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OR. Gemäss der erstgenannten Bestimmung ist die Zuständigkeit des Schiedsgerichts beschränkt auf Zivilstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, die nach Bundesrecht dem "summarischen" Verfahren unterstehen. Nach der bis zum 31. Dezember 1988 gültig gewesenen und für den am 20. Mai 1988 gefällten Entscheid massgeblichen Fassung von Art. 343 Abs. 2
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OR (AS 1988 II S. 1476) haben die Kantone für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis bis zu einem Streitwert von 5'000 Franken ein einfaches und rasches Verfahren vorzusehen, wobei sich der Streitwert nach der eingeklagten Forderung und ohne Rücksicht auf Widerklagebegehren bemisst. Die Beschwerdeführer machen sinngemäss geltend, das Schiedsgericht habe in willkürlicher Missachtung von Art. 343 Abs. 2
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CO Art. 343
OR verkannt, dass Widerklagen unbekümmert um den Streitwert in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fielen, wenn dort eine Hauptklage bis zum Streitwert von 5'000 Franken anhängig gemacht worden sei. Diese Auffassung verkennt die Tragweite des bundesrechtlichen Eingriffs in die kantonale Prozesshoheit (Art. 64 Abs. 3
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999
Cost. Art. 64 Ricerca - 1 La Confederazione promuove la ricerca scientifica e l'innovazione.29
1    La Confederazione promuove la ricerca scientifica e l'innovazione.29
2    Può subordinare il suo sostegno in particolare all'assicurazione della qualità e al coordinamento.30
3    Può istituire, assumere in proprio o gestire centri di ricerca.
BV). Zwar können die Kantone eine höhere als die bundesrechtliche Streitwertgrenze von 5'000 Franken - seit 1989 von 20'000 Franken - einführen oder von einer Grenze überhaupt absehen mit der Folge, dass sämtliche Klagen und Widerklagen aus Arbeitsvertrag von Arbeitsgerichten in einem einfachen und raschen Verfahren zu beurteilen wären (Botschaft zur OR-Revision vom 9. Mai 1984, BBl 1984 II S. 615). Von dieser Möglichkeit hat jedoch der Kanton Wallis nicht Gebrauch gemacht; von
BGE 115 II 366 S. 370

Bundesrechts wegen ist er dazu auch nicht gehalten. Nach Art. 343 Abs. 2
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OR sind die Kantone lediglich verpflichtet, Forderungen aus Arbeitsvertrag bis zum Streitwert von 5'000 Franken bzw. 20'000 Franken auch dann im arbeitsrechtlichen Verfahren zu beurteilen, wenn die Summe von Klage und Widerklage oder die Widerklage allein die Streitwertgrenze übersteigt und nach den kantonalen Grundsätzen der Streitwertbemessung auf die Summe von Haupt- und Widerklage bzw. auf den höheren Betrag der Widerklage abzustellen wäre. Die Unbeachtlichkeit der Widerklagebegehren gemäss Art. 343 Abs. 2
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OR soll verhindern, dass der Kläger durch eine möglicherweise haltlose Widerklage um das rasche, einfache und grundsätzlich kostenlose Verfahren gebracht wird, wie es die genannte Bestimmung vorschreibt. Dagegen schreibt Art. 343 Abs. 2
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OR den Kantonen nicht vor, ob Widerklagebegehren, welche die Streitwertgrenze dieser Bestimmung überschreiten, im arbeitsrechtlichen oder im ordentlichen Verfahren zu beurteilen sind (Amtl.Bull. 1969 N S. 853 Voten Mugny und Muheim; Amtl.Bull. 1970 S S. 364 Votum Borel; Urteil des Kassationsgerichts Zürich vom 24. März 1980 E. 2, in JAR 1981 S. 209 ff., S. 210; Urteil des Zivilgerichts Glarus vom 18. Februar/23. März 1983 E. 3c, in JAR 1985 S. 118 ff., S. 119 f.; Urteil des Obergerichts Zürich vom 30. August 1984, in JAR 1986 S. 242 ff., S. 243; BRÜHWILER, Handkommentar, N. 4 zu Art. 343
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OR; STREIFF, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 4. A. 1986, N. 6 zu Art. 343
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OR). Vorliegend hat das Schiedsgericht die Hauptklage über Fr. 2'311.60 beurteilt und damit den bundesrechtlichen Zuständigkeitsanforderungen entsprochen, die eine Überweisung des ganzen Prozesses an den ordentlichen Richter zufolge des Widerklagebegehrens über Fr. 12'883.-- verboten hätten.
4. Die Frage, ob zur Verrechnung gestellte Gegenforderungen im arbeitsrechtlichen Verfahren zu beurteilen gewesen wären, wird mangels substanzierter Rüge (Art. 90 Abs. 1 lit. b
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CO Art. 343
OG) nicht geprüft.