95 II 37
6. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Februar 1969 i.S. E. Hasler und R. Spirig gegen B. und E. Gerwer.
Regeste (de):
- Art. 20 Abs. 1 OR: Nichtigkeit eines Schmiergeldversprechens an einen Vormund wegen Verstosses gegen die guten Sitten.
- Art. 175 /76 OR: Übernahme und Tilgung der nichtigen Verbindlichkeit durch einen Dritten, der Schuldner des ursprünglichen Schuldners ist.
- Art. 66 OR: Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf die vom ursprünglichen Schuldner dem Schuldübernehmer für die Übernahme und Tilgung der nichtigen Verbindlichkeit erbrachte Gegenleistung.
Regeste (fr):
- Art. 20 al. 1 CO: Est nulle, comme contraire aux moeurs, la promesse faite à un tuteur de lui verser un pot-de-vin.
- Art. 175/176 CO: Reprise et exécution de l'obligation nulle par un tiers, lui-même débiteur du débiteur primitif.
- Art. 66 CO: Application de cette disposition à la contreprestation faite au reprenant par le débiteur primitif, à raison de la reprise et de l'exécution de l'obligation nulle.
Regesto (it):
- Art. 20 cpv. 1 CO: Nullità della promessa fatta ad un tutore di versargli una gratificazione, perchè contraria ai buoni costumi.
- Art. 175/176 CO: Assunzione ed esecuzione dell'obbligazione nulla da parte di un terzo, egli stesso debitore del debitore originario.
- Art. 66 CO: Applicazione di questa norma alla controprestazione fatta dal debitore originario all'assuntore, per l'assunzione e l'esecuzione dell'obbligazione nulla.
Sachverhalt ab Seite 38
BGE 95 II 37 S. 38
Aus dem Tatbestand:
Hasler und Spirig liessen sich durch die Eigentümer von fünf Grundstücken in Zürich im Hinblick auf eine gesamthafte Neuüberbauung Kaufsrechte einräumen. Diese übertrugen sie an die Architekten Bernhard und Eugen Gerwer, die sich verpflichteten, ihnen "Aufpreise" von insgesamt Fr. 305 000.-- zu zahlen und hieran eine Anzahlung von Fr. 50 000.-- leisteten. Eines der erwähnten Grundstücke gehörte dem bevormundeten Ehrentreich. Hasler hatte dessen Vormund Zuppinger für den Fall des Zustandekommens des Geschäftes über den Kaufpreis von Fr. 507 000.-- hinaus eine "Entschädigung" von Fr. 100 000.-- angeboten, "um ihn an sich zu binden". Unmittelbar vor der Verurkundung des Verkaufs an die Brüder Gerwer zum erwähnten Preis willigte Zuppinger auf Begehren Haslers in die Herabsetzung seiner "Entschädigung" auf Fr. 55 000.-- ein, verlangte aber, mit den Brüdern Gerwer abrechnen zu können, weil Hasler und Spirig das nötige Geld nicht besassen und ihm "die ganze Sache nicht sicher vorkam". Hasler vereinbarte daher mit den Brüdern Gerwer, dass die Entschädigung an Zuppinger von den "Aufpreisen" abgezogen werden solle. Die Brüder Gerwer bezahlten in der Folge die Fr. 55 000.-- an Zuppinger, der den Betrag für sich behielt. Im Abrechnungsprozess zwischen Hasler und Spirig und den Brüdern Gerwer nahmen die Kläger den Standpunkt ein, die Beklagten könnten ihnen die Zahlung von Fr. 55 000.-- an Zuppinger nicht belasten, weil es sich dabei um eine rechts- und sittenwidrige Schmiergeldzahlung gehandelt habe. Das Bundesgericht verwirft in Übereinstimmung mit dem Obergericht Zürich diesen Standpunkt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Der Vormund ist nicht Beamter im Sinne von Art. 110 Ziff. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150 |
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1 | Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150 |
2 | Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben. |
3 | Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben. |
3bis | Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.151 |
4 | Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient. |
5 | Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden. |
6 | Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet. |
7 | Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft. |
BGE 95 II 37 S. 39
Recht angenommen, Zuppinger habe weder im Sinne des Art. 315
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150 |
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1 | Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150 |
2 | Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben. |
3 | Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben. |
3bis | Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.151 |
4 | Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient. |
5 | Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden. |
6 | Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet. |
7 | Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150 |
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1 | Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150 |
2 | Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben. |
3 | Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben. |
3bis | Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.151 |
4 | Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient. |
5 | Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden. |
6 | Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet. |
7 | Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 288 |
2. Das Zivilrecht schreibt dem Vormund vor, in der Ausübung seiner Obliegenheiten, besonders in der Verwaltung des Vermögens des Mündels, sorgfältig zu sein (Art. 413 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 288 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 288 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 288 |
BGE 95 II 37 S. 40
d.h. eine Schädigung des Mündels fördern wollen, ist unerheblich. Es ändert auch nichts, dass die Beteiligten sich kurz vor der Beurkundung des Kaufvertrages einigten, die für Zuppinger persönlich bestimmte Leistung auf Fr. 55 000.-- herabzusetzen, und nicht feststeht, dass damals Kaufsangebote Dritter tatsächlich vorlagen. Hasler hielt sich an das Versprechen von Fr. 100 000.--- für gebunden und wollte durch das Herabmarkten auf Fr. 55 000.-- am Zwecke desselben nichts ändern. Mit Recht erachtet daher das Obergericht das Versprechen wegen Verstosses gegen die guten Sitten gemäss Art. 20 Abs. 1 OR als nichtig.
3. Am 4. März 1963 vereinbarte Bernhard Gerwer namens beider Beklagten mit Hasler und Zuppinger, die Beklagten übernähmen die Bezahlung der Fr. 55 000.-- an den letzteren. Durch dieses Versprechen verpflichteten sich die Beklagten, die Kläger von der Schuld gegenüber Zuppinger zu befreien (Art. 175 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 288 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 288 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 288 |
BGE 95 II 37 S. 41
juristisch nicht gebildeten Parteien nicht notwendigerweise gesagt haben muss, die Schuld sei nichtig. Die Kläger verkennen sodann, dass eine Verbindlichkeit, die gegen die guten Sitten verstösst, nicht jeglicher Wirkung ententbehrt. Besteht der Verstoss gegen die guten Sitten darin, dass der Geber mit der versprochenen Leistung einen unsittlichen oder rechtswidrigen Erfolg herbeiführen will, so kann das in dieser Absicht Geleistete nicht zurückgefordert werden (Art. 66 OR). Das gilt unabhängig davon, ob auch der Empfänger diesen Erfolg herbeizuführen beabsichtigte und ob das unsittliche oder rechtswidrige Ziel tatsächlich erreicht wurde. Art. 66 OR will den Geber für seine unsittliche oder rechtswidrige Absicht massregeln und den Staat der Pflicht entheben, ihm zur Rückgängigmachung der unsauberen Vermögensverschiebung beizustehen (BGE 74 II 27Erw. 3). Daher konnten die Beklagten die Fr. 55 000.-- weder von Zuppinger persönlich zurückfordern, noch können sie, nachdem dieser inzwischen verstorben ist, gegenüber seinen Erben einen solchen Rückerstattungsanspruch geltend machen. Im Verhältnis zwischen den beiden Prozessparteien sodann ist davon auszugehen, dass auch die Kläger gegen die guten Sitten verstiessen. Statt sich auf die Nichtigkeit der unsittlichen Schuld zu berufen, muteten sie den Beklagten zu, diese zu übernehmen und zu erfüllen, und erbrachten sie für dieses Entgegenkommen eine Gegenleistung, indem sie ihnen erlaubten, die auszulegenden Fr. 55 000.-- von den "Aufpreisen" abzuziehen. Diese Vereinbarung war wegen ihres gegen die guten Sitten verstossenden Zwecks nichtig. Die Kläger haben aber ihre Gegenleistung schon am 4. März 1963 erbracht. Durch die Abrede, die Beklagten dürften die Fr. 55 000.-- von den Aufpreisen abziehen, verzichteten die Kläger auf einen entsprechenden Teil ihrer Forderung auf Zahlung von Aufpreisen. Da die Beklagten an diese erst die am 20. Dezember 1962 angezahlten Fr. 50 000.-- geleistet hatten, belief sich die Forderung der Kläger am 4. März 1963 noch auf Fr. 255 000.--. Sie war also noch hoch genug, um durch Teilverzicht um Fr. 55 000.-- herabgesetzt werden zu können. Die Beklagten nehmen heute nicht Rückgriff für die ausgelegten Fr. 55 000.--, sondern sind in diesem Umfang bereits befriedigt, indem die Kläger ihre Aufpreisforderung um soviel herabgesetzt haben. Die Kläger können nicht auf ihren Verzicht zurückkommen und die Wiederherstellung der vollen
BGE 95 II 37 S. 42
Aufpreis-Forderung verlangen. Das widerspräche dem Sinn des Art. 66 OR. Der Grundsatz "in pari turpitudine melior est causa possidentis" gilt nicht nur zu Lasten der Beklagten im Verhältnis zu Zuppinger, sondern auch zu Lasten der Kläger im Verhältnis zu den Beklagten, um so mehr als die Kläger den Verstoss gegen die guten Sitten angezettelt hatten und die Beklagten die unsittliche Schuld nur deshalb übernahmen und tilgten, weil die Kläger die nötigen Mittel nicht besassen und Zuppinger einen leistungsfähigen Schuldner verlangte.