85 II 80
16. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Januar 1959 i.S. K. gegen S.
Regeste (de):
- Doppelte Vaterschaftsklage auf Vermögensleistungen gegen einen in Frankreich wohnenden Franzosen: an seinem Wohnsitz wie auch am schweizerischen Wohnsitz der klagenden Partei zur Zeit der Geburt.
- Einrede der Rechtshängigkeit gegen die später hängig gewordene schweizerische Klage: diese Einrede lässt sich weder auf Art. 312
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 312 - Die Kindesschutzbehörde entzieht die elterliche Sorge:423
1 wenn die Eltern aus wichtigen Gründen darum nachsuchen; 2 wenn sie in eine künftige Adoption des Kindes durch ungenannte Dritte eingewilligt haben.
Regeste (fr):
- Double action en paternité tendante à des prestations pécuniaires intentée à un Français habitant la France; l'une à son domicile, l'autre au domicile suisse de la partie demanderesse au temps de la naissance.
- Exception de litispendance soulevée à l'encontre de la demande portée en second lieu devant le juge suisse.
- Un tel moyen n'est régi ni par l'art. 312 CC, ni par un principe général du droit fédéral, ni par la convention franco-suisse sur la compétence judiciaire du 15 juin 1869, mais par le droit cantonal de procédure.
Regesto (it):
- Doppia azione di paternità per il pagamento di prestazioni pecuniarie promossa contro un francese residente in Francia: una al suo luogo di domicilio e l'altra al domicilio svizzero della parte attrice al tempo della nascita.
- Eccezione di litispendenza nei riguardi dell'azione promossa davanti al giudice svizzero.
- Tale eccezione non può essere fondata nè sull'art. 312 CC nè su un principio generale del diritto federale nè su la convenzione franco-svizzera sulla competenza di foro del 15 guigno 1869, ma è disciplinata dal diritto cantonale di procedura.
Sachverhalt ab Seite 81
BGE 85 II 80 S. 81
Aus dem Tatbestand:
Der Franzose K. leistete in der Nachkriegszeit Militärdienst in Konstanz und lernte dort die Schweizerin S. kennen. Er unterhielt mit ihr intime Beziehungen. Nach der Geburt ihres Kindes anerkannte er die Vaterschaft und verpflichtete sich zu Leistungen an Mutter und Kind. Später bestritt er die Vaterschaft mit der Behauptung, die Kindesmutter habe in der kritischen Zeit noch mit andern französischen Soldaten Umgang gehabt. Er wurde auf Vermögensleistungen aus Vaterschaft an seinem Wohnsitz in Frankreich und dann daneben am thurgauischen Wohnsitz der klagenden Partei zur Zeit der Geburt belangt. Gegenüber der schweizerischen Klage erhob er die Einrede der Rechtshängigkeit. Das Obergericht des Kantons Thurgau hat diese Einrede verworfen und die Klage zugesprochen. Mit vorliegender Berufung hält der Beklagte in erster Linie an der Einrede der Rechtshängigkeit fest mit erneutem Hinweis auf die in Frankreich erhobene, noch nicht rechtskräftig beurteilte Klage.
BGE 85 II 80 S. 82
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Mit Recht hat der Beklagte in der obergerichtlichen Verhandlung den schweizerischen Gerichtsstand als solchen nicht mehr bestritten. In der Tat kann die Vaterschaftsklage nach Art. 312
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 312 - Die Kindesschutzbehörde entzieht die elterliche Sorge:423 |
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1 | wenn die Eltern aus wichtigen Gründen darum nachsuchen; |
2 | wenn sie in eine künftige Adoption des Kindes durch ungenannte Dritte eingewilligt haben. |
BGE 85 II 80 S. 83
erfolglosen Abschluss des Ausgleichsversuches vor dem Friedensrichter, also am 5. Juni 1957 (vgl. BÖCKLI, Zivilprozessordnung für den Kanton Thurgau, N. 1 zu § 148). Ob die zuvor im Ausland eingetretene Rechtshängigkeit zu beachten sei, d.h. ob sie die uneinlässliche Rückweisung der Klage oder wenigstens die Einstellung des Prozesses bis zur rechtskräftigen Erledigung des ausländischen Verfahrens rechtfertige, ist indessen (abgesehen von direkten Prozessen vor Bundesgericht, wofur Art. 22
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 22 - Die Klage ist unzulässig, wenn der Anspruch bereits rechtshängig oder rechtskräftig beurteilt ist. |
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 22 - Die Klage ist unzulässig, wenn der Anspruch bereits rechtshängig oder rechtskräftig beurteilt ist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 312 - Die Kindesschutzbehörde entzieht die elterliche Sorge:423 |
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1 | wenn die Eltern aus wichtigen Gründen darum nachsuchen; |
2 | wenn sie in eine künftige Adoption des Kindes durch ungenannte Dritte eingewilligt haben. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 312 - Die Kindesschutzbehörde entzieht die elterliche Sorge:423 |
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1 | wenn die Eltern aus wichtigen Gründen darum nachsuchen; |
2 | wenn sie in eine künftige Adoption des Kindes durch ungenannte Dritte eingewilligt haben. |
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1 | wenn die Eltern aus wichtigen Gründen darum nachsuchen; |
2 | wenn sie in eine künftige Adoption des Kindes durch ungenannte Dritte eingewilligt haben. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 312 - Die Kindesschutzbehörde entzieht die elterliche Sorge:423 |
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1 | wenn die Eltern aus wichtigen Gründen darum nachsuchen; |
2 | wenn sie in eine künftige Adoption des Kindes durch ungenannte Dritte eingewilligt haben. |
BGE 85 II 80 S. 84
Schweiz zulässig sei, war daher nach dem durch keine bundesrechtliche Norm eingeschränkten kantonalen Prozessrecht zu entscheiden. Wenn in Ehescheidungs- und -trennungssachen aus Gründen des materiellen Rechtes ein einheitlicher Gerichtsstand des Sachzusammenhanges als bundesrechtlicher anerkannt wurde, und zwar am Ort der zuerst rechtshängig gewordenen Klage - selbst im Ausland, sofern das dort zu erwartende Urteil voraussichtlich in der Schweiz anzuerkennen sein wird (BGE 80 II 97 ff.) -, so ist damit nicht etwa die einfache Rechtshängigkeitseinrede dem Bundesrecht unterstellt worden. Vielmehr ging es bei jener Entscheidung nur darum, den erwähnten unlösbaren Sachzusammenhang zu wahren. Hiefür erwies sich die Berücksichtigung der zuerst eingetretenen Rechtshängigkeit als das einfachste und nächstliegende Mittel, wie denn nicht leicht ein anderer Grundsatz zu finden wäre, nach dem sich der "geeignetere" Gerichtsstand (im Einvernehmen mit dem zuerst mit der Sache befassten ausländischen Gericht) bestimmen liesse. Mit dieser Heranziehung der prozessualen Rechtshängigkeitseinrede als Mittel zur Erzielung eines um der materiellrechtlichen Wirrkungen willen notwendigen einheitlichen Urteils im Gebiete der Ehescheidung und -trennung wurde nichts daran geändert, dass diese Einrede, wo keine bundesrechtlichen Normen eingreifen, ausschliesslich dem kantonalen Prozessrecht angehört. Das gilt gerade für die Frage nach der Beachtlichkeit einer im Ausland hängig gewordenen identischen Vaterschaftsklage. Was endlich den zwischen der Schweiz und Frankreich abgeschlossenen Gerichtsstandsvertrag vom 15. Juni 1869 betrifft, so ist darin zwar vorgesehen, dass die im einen Vertragsstaat ergehenden Zivilurteile im andern unter bestimmten Voraussetzungen zu vollziehen sind (Art. 15 ff.). Darin liegt als Minderes das Gebot eingeschlossen, solche Urteile unter den nämlichen Voraussetzungen, auch wo keine Vollziehung in Frage steht, anzuerkennen (sog. negative Rechtskraft, BGE 50 I 418). Dagegen fehlt es im
BGE 85 II 80 S. 85
erwähnten Staatsvertrag (anders als in den Vollziehungsabkommen der Schweiz mit Italien vom 3. Januar 1933, Art. 8, und mit Schweden vom 15. Januar 1936, Art. 7) an einer Vorschrift, wonach auf ein im andern Vertragsstaate schwebendes Verfahren, das noch nicht zu rechtskräftigem Abschluss gekommen ist, Rücksicht zu nehmen wäre. Eine Verletzung des Gerichtsstandsvertrages kann daher dem angefochtenen Urteil nicht vorgehalten werden (vgl. dazu SCHURTER und FRITZSCHE, Zivilprozessrecht des Bundes I 623; ESCHER, Neuere Probleme aus der Rechtsprechung zum franz.-schweiz. Gerichtsstandsvertrag, S. 158; BGE 38 I 540/41; SCHNITZER, Internationales Privatrecht, 4. Auflage, II 862 ff.). Bei dieser Sachlage bleibt es eine Frage des internen Prozessrechtes jedes der beiden Vertragsstaaten, in der Schweiz also des kantonalen Prozessrechts, ob und inwiefern eine im andern Staate zuerst begründete Rechtshängigkeit die Rückweisung der identischen Klage oder wenigstens die Einstellung des zweiten Prozesses bis zum rechtskräftigen Abschluss des ersten rechtfertige. Das Bundesgericht hat zu dieser in der kantonalen Gesetzgebung in der Regel nicht entschiedenen, in der Lehre des internationalen Prozessrechts umstrittenen Frage (vgl. SCHNITZER, a.a.O.; GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 174 ff.; SCHAUWECKER, Die Einrede der Litispendenz im eidgenössischen und zürcherischen internationalen Zivilprozessrecht, S. 26 ff.; LEUCH, N. 4 zu Art. 160
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 160 Mitwirkungspflicht - 1 Die Parteien und Dritte sind zur Mitwirkung bei der Beweiserhebung verpflichtet. Insbesondere haben sie: |
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1 | Die Parteien und Dritte sind zur Mitwirkung bei der Beweiserhebung verpflichtet. Insbesondere haben sie: |
a | als Partei, als Zeugin oder als Zeuge wahrheitsgemäss auszusagen; |
b | Urkunden herauszugeben; ausgenommen sind Unterlagen aus dem Verkehr einer Partei oder einer Drittperson mit einer Anwältin oder einem Anwalt, die oder der zur berufsmässigen Vertretung berechtigt ist, oder mit einer Patentanwältin oder einem Patentanwalt im Sinne von Artikel 2 des Patentanwaltsgesetzes vom 20. März 200964; |
c | einen Augenschein an Person oder Eigentum durch Sachverständige zu dulden. |
2 | Über die Mitwirkungspflicht einer minderjährigen Person entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen.65 Es berücksichtigt dabei das Kindeswohl. |
3 | Dritte, die zur Mitwirkung verpflichtet sind, haben Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. |
BGE 85 II 80 S. 86
Fussnote 49). Solange aber die Frage nicht Gegenstand eines Übereinkommens der beiden Staaten bildet (gemäss einem bereits von E. CURTI, Der Staatsvertrag ..., 1879, S. 176/177, aufgestellten Reformvorschlag), kann von einer staatsvertraglichen Verpflichtung nicht gesprochen werden. Somit muss es bei der Ablehnung der Rechtshängigkeitseinrede durch das Obergericht sein Bewenden haben.