158 (3. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

32. Entscheid vom 21. Februar 1911 in Sachen Bregler-.

Art. 224 SchKG: Ausscheidung von Kompetenzstücken im Konkurse einer
Kollektivgesellsohaft zu Gunsten eines Gesellschafters.

A. Der Rekurrent A. Bregler und J. Königsdorfer, beideSchmiedmeister in
St. Margrethen, hatten eine Kollektivgesellschaft zum Betrieb einer
Schmiede gegründet und sie unter der Firma A. Bregler & Cie." in
das Handelsregisier eintragen lassenSowohl über den Rekurrenten
persönlich, als über die Gesellschaft ist der Konkurs ausgebrochen. Jm
Gesellschaftskoniurs, in welchen sämtliches Schmiedewerkzeug einbezogen
wurde, beanspruchte nun der Rekurrent folgende Gegenstände als
Kompetenzstücke: 1 Ambos, 1 Bohrmaschine, 2 Reifbiegmaschinen, 1
Schraubstock, sowie einige Zangen, Hämmer und Feilen.

B. Da die Konkursverwaltung den Rekurrenten mit diesem Begehren abwies,
führte er bei den kantonalen Aufsichtsbehörden Beschwerde. Zur Begründung
machte er geltend, die Teilhaber einer Kollektivgesellschaft, die
einzig den Zweck der Berufsausübung verfolge und nur aus zwei beruflich
gleichgestellten Handwerkern bestehe, hätten ebensowohl Anspruch auf
Ausscheidung der zur Ausübung ihres Berufs notwendigen Werkzeuge wie
alleinstehende Berufsleute. Auch sie seien darauf angewiesen, ihre
Existenz in der Ausübung ihres Berufes zu suchen und als eigentliche
Träger der Gesellschaft individuell zu behandeln.

Beide kantonalen Jnstanzen haben die Beschwerde als unbegründet
abgewiesen, die untere von der Erwägung aus, dass die angesprochenen
Gegenstände zu den Gesellschaftsaktiven gehörten, welche dem
Zugriff der einzelnen Gesellschafter entzogen seien, dieobere mit
folgender Motivierung: Durch den Ausbruch des Kotikurses über die
Kollektivgesellschaft erwerbe der Gesellschafter keine- weitergehenden
Rechte am Gesellschaftsvermögen als er ohne den Konkurs besessen
hätte. Bei der Liquidation ausserhalb des Konkurses habe nun der
Gesellschafter nach Art. 548 und 572 Abf. 2' OR kein Recht auf
Rückerstattung der eingebrachten Sachen, sondern bloss einen Anspruch
auf Ersatz des Wertes, zu dem sie vonund Konkurskammer. N° 32. 159

der Gesellschaft übernommen worden seien und dieser Anspruch sei nur dann
realisierbar, wenn sich nach erfolgter Tilgung der Gesellschaftspassiven
ein Überschuss ergebe. Somit könne auch im Konkurs von einem Recht der
Gesellschafter auf Zuscheidung einzelner Aktiven als Alleineigentum
nicht die Rede sein.

C. Gegen diesen Entscheid hat der Rekurrent nunmehr unter Erneuerung
seines Begehrens innert Frist den Rekurs ans Bundesgericht ergriffen. Er
hält an seiner Auffassung fest und beruft sich ferner darauf, dass
das Vermögen der Kollektivgesellschaft im Miteigentum der einzelnen
Gesellschafter stehe und eine einzige Masse bilde," aus der die
Kompetenzstücke der einzelnen Gesellschafter auszuscheiden seien.

Die Vorinstanz hat auf Abweisung des Rekurses angetragen.

Die Schuldbetreibungs und Konkurstammer zieht in Erwägung:

1. Die Beschwerde richtet sich gegen die Weigerung der Konkursverwaltung,
dem Rekurrenten im Konturs der Kollektivgesellschaft A. Bregler &
Cie. bestimmte Werkzeuge als Kompe - tenzstücke zur Weitersührung
seines Berufes herauszugeben. Darüber, ob dem Kollektivgesellschafter
im Gesellschaftskonkurs ein solcher Anspruch zustehe, liegt ein
grundsätzlicher Entscheid des Bundesgerichts noch nicht vor. Die
Vorinstanz hat die Frage verna-int, von der Erwägung aus, dass der
Kollektivgesellschafter bei der gütlichen Auflösung der Gesellschaft kein
Recht auf Zuweisung bestimmter Aktiven habe und durch die Konkurseröffnung
keine weitergehenden Rechte erwerbe. Dieses Argument erscheintv jedoch
nicht als durchschlagend und trägt der ratio der Bestimmungen über die
Kompetenzqualität zu wenig Rechnung. Dass dem so ist, ergibt sich schon
daraus, dass es den Gesellschaftern ja freisteht, allfällig eingeworfene
Kompetenzstücke vor Konkursausbruch im gegenseitigen Einverständnis
wieder zu Handen zu nehmen, wodurch diese Gegenstände dem Zugriff der
Gesellschaftsgläubiger doch entzogen werden. Die in Art. 92 Abs. 8 und
224 SchKG dem Schuldner aus sozialpolitischen Erwägungen eingeräumte
Rechtswohltat verliert an ihrer Bedeutung dadurch nichts, dass der
Schuldner mit diesen Objekten in eine Kollektivgesellschaft eintritt
und den Beruf gemeinsam mit einem andern

160 G. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

betreibt. Auch dann ist er nach erfolgter Liquidierung der Gesellschaft
darauf angewiesen, seinen Beruf auf eigene Rechnung weiter zu betreiben,
sodass er auf Aufrechterhaltung seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit
Anspruch hat.

2. Dieser Lösung steht auch die rechtliche Konstruktion der
Kollektivgesellschaft nicht entgegen. Wenn auch die Kollektivgesellschaft
unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen und
namentlich auch den Gegenstand eines selbständigen Konkurses bilden
kann, so ist sie nach herrschender Auffassung doch keine juristische
Person. Das Gesellschaftsvermögen steht trotz der Einheit der Firma im
Gesamteigentum der einzelnen Gesellschafter. Diese bilden denn auch
die eigentlichen Träger der Kollektivgesellschaft und damit auch die
eigentlichen Subjekte der gegen die Gesellschaft als solche gerichteten
Zwangsvollstreckung Jedenfalls muss aber in der vorliegenden Frage die
Fiktion des Separatvermögens und eines von den einzelnen Gesellschaftern
losgelösten Subjekts der Betreibung aufgegeben und auf die Gesellschafter
als die Träger des Gesellschaftskoukurfes zurückgegriffen werden, wenn die
Bestimmung des Art. 224 SchKG, welche auf öffentlichrechtlichen Motiven
beruht, nicht illusorisch werden soll, wie denn auch die durch den
Konkurs begründeten persönlichen Verpflichtungen des Gemeinschuldners
(vergl. Art. 222 und 229 SchKG) ohne weiteres von den einzelnen
Gesellschaftern übernommen werden müssen. Ebenso erstreckt sich der von
einer Kollektivgesellschaft abgeschlossene Nachlassvertrag eo ipso auf
die Gesellschafter, mit der Wirkung, dass sie von den Gläubigern nicht
mehr persönlich belangt werden können (vergl. Ja eger, Komm. Art. 293
Anm. 1 S. 538, Reichel, Komm. Art. 293 Anm. 12).

Auch damit kann nicht argumentiert werden, dass derjenige, welcher
in eine Kollektivgesellschaft Werkzeuge einschiesst, denen an sich
Kompetenzqualität zukommt, angesichts der Bestimmung in Art. 564 Abs. 3
OR, wonach der einzelne Gesellschafter für eine Gesellschaftsschuld
erst nach erfolgter Liquidation des Gesellschaftsvermögens persönlich
belangt werden kann, rechtsgültig auf die Kompetenzqualität Verzicht
leiste. Ein solcher Verzicht könnte vom Fall der widerspruchslosen
Admassierung abgesehen nur einem Gläubiger gegenüber angenommen werden,
dem dieund Konkurskammer. N° 33. 161

Kompetenzstücke vor Konkurseröffnung rechtsgültig als Faustpsand bestellt
worden wären. Hiesür fehlt es aber in casu an jedem Anhaltspunkt.

3. Jst demnach das Anrecht des Rekurrenten auf Herausgabe der
ihm zur Fortführung seines Berufes notwendigen Werkzeuge aus dem
Gesellschaftskonknrs grundsätzlich anzuerkennen, so ist die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die einzelnen Gegenstände bestimme,
welche dem Rekurrenten als Kompetenzstücke zukommen.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt-

Der Rekurs wird dahin begründet erklärt, dass der angesochtene Entscheid
aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, mit
der Einladung, unter den vom Rekurrenten beanspruchten Gegenständen
diejenigen zu bestimmen, welche ihm zur Weiterführung seines Berufes als
Schmied unentbehrlich sind, und ihm diese Gegenstände als Kompetenzstücke
zu überlassen.

33. Entschetd vom 21. Februar 1911 in Sachen Ent.

Betreibungsverfahren : Betreibungshandlungen sind nicht anfeelitbar
wegen angeblicher Gesetzwidrigkeit der Wahl des Betreibungsbeamten, der
als solcher von den kantonalen Behörden anerkannt ist. Art. 2 SchKG :
Die Beehtsgültigkeit der Wahl eines Betreibungsbeamten beurteilt sich
nach kantonalein Recht.

A. Laut Notiz im kantonalen Amtsblatt vom 30. März 1910 hatte
Friedensrichter Haffner in Altnau die Resignation auf das von ihm
bekleidete Amt des Friedensrichters und Betreibungsbeamten des Kreises
Altnau erklärt. Der in der Abstimmung vom 24. April 1910 an seine Stelle
gewählte Lehrer Graf lehnte die Amtsannahme ab. Beim zweiten Wahlgang
erreichte keiner der Kandidaten das absolute Mehr und der im dritten
Wahlgang gewählte Otto Forster lehnte die Amtsannahme wieder ab. Hieraus
zog Friedensrichter Haffner sein Entlassungsgesuch zurück und es beschloss
der Regierungsrat am 18. Juni, es sei hievon am

AS 37 I um 11
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 37 I 158
Datum : 21. Februar 1911
Publiziert : 31. Dezember 1911
Quelle : Bundesgericht
Status : 37 I 158
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 158 (3. Entscheidungen der Schuldbetreibungs- 32. Entscheid vom 21. Februar 1911


Gesetzesregister
OR: 548  564  572
SchKG: 2  92  222  224  229
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
kollektivgesellschaft • einzelne gesellschaften • vorinstanz • werkzeug • friedensrichter • betreibungsbeamter • schuldner • angewiesener • konkursverwaltung • bundesgericht • frage • schmiede • stelle • schuldbetreibung • begründung des entscheids • unternehmung • kantonales rechtsmittel • gegenstand • wert • ausserhalb
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