192 C. Entscheidungen der Schuldbetreihungs-

anerkanntermassen nicht mehr besteht und das Objekt wiederum allgemeines-,
von einer speziellen Verhaftung freies Vermögen des Schuldners geworden
ist, auch wiederum nur die für solches Vermögen anwendbare Betreibungsart
Platz greifen. Eine Regelung im Sinne des Rekurrenten würde auch gegen
berechtigte Interessen des Glänbigers verstossen, indem alsdann diesem
häufig die Möglichkeit benommen wäre, durch Verzicht auf ein wertloses
Pfandrecht, rechtzeitig, namentlich ohne von Mitglänbigern überholt zu
werden, auf das unverpfändete Vermögen des Schuldner-s zu greifen. Wieso
bei der hier vertretenen Auffassung Art. 152 SchKG illusorisch würde,
ist nicht einzusehen: Denn sobald das dem Gläubiger bestellte Pfandrecht
einen hinreichenden Wert besitzt, sieht er in seinem eigenen Interesse
von einem Verzichte auf dasselbe ab und kommt also Art. 152zur Anwendung
Insoweit findet aber auch das vom Rekurrenten hervorgehobene Interesse
des Schuldners an der Durchführung des Pfandverwertungsstatt des
Pfändungsverfahrens (soweit ein solches Interesse besteht) im Gesetze
seine Wahrung.

Nach dem Gesagten lässt sich also eine Pflicht des Gläubigers,
seine Forderung unter den gegebenen Umständen durch Betreibung auf
Pfandverwertung geltend zu machen, aus dem Betreibungsges etze, d. h. als
eine das Betreibungsverfahren betreffende Vorschrift nicht entnehmen,
sondern muss dem Gläubiger im Gegenteil die Befugnis, ans dem Wege der
Betreibung auf Pfändung vorzugehen, zuerkannt werden. Sodann verbietet
sich aber auch die weitere Vom Rekurrenten verteidigte Annahme, dass
eine Verpflichtung des Gläubigers im genannten Sinne als integrierender
Bestandteil des Pfandvertrages, d. h. als eine von Gesetzes wegen
eintretende Rechtswirkung dieses Vertrages gelten müsse. Denn
die massgebenden Normen in der vorliegenden Frage stellt nicht das
Civilgesetz, welches die civilrechtliche Natur des Pfandrechts regelt,
auf, sondern das Betreibungsgesetz, welches dessen erekutionsweise
Geltendniachung ordnet. Höchstens liesse sich fragen, ob nicht die
Parteien bei der Begründung des Psandrechtes oder nachher durch besondere
Verabredung sich dahin einigen können, dass ein Pfand-rechtsverzicht
nicht stattfinden dürfe bezw. trotz eines solchen die spätere Betreibung
im Pfandverwertungsverfahren zu erfolgen habe. Obund Kankurskammer. N°
31. 193.

Und inwiefern eine derartige Parteiabrede betreibungsprozessualischer
Natur von der später mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung
betrauten Behörde zu beachten fei, braucht indessen hier nicht geprüft
zu werden, da der Rekurrent auf eine solche sich nicht zu berufen
vermocht hat.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konknrskammer

erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.

31. Entscheid vom 10. März 1904 in Sachen Kili-Stahel.

Frei/zdmliger Verkauf verarrestierter Gegenstände nach Art. 124 Abs. 2
(u. 130) SchKG. Beschwerde dagegen; Kompetenzen der Aufsichtsbehérdeee
und der Gerte-nie-

I. Auf einen bezüglichen Arrestbefehl hin verarrestierte unterm
29. September 1903 das Betreibungsamt Vaselstadt zu Gunsten der Gebrüder
Zeller in Liquidation zwei dem Rekurrenten KinStahel gehörige Fässer mit
Waadtländerund Hallauerwein im Schätzungswerte von 500 Fr., die sich im
Keller des Hauses Breisacherstrasse 73 befanden. Am 8. Oktober brachte
das Amt, indem es sich auf Art. 124 Abs. 2 und Art. 130 SchKG stützte,
den Wein durch freihändigen Verkan zum Preise von 550 Fr. zur Verwertung.

Am 24. Januar 1904 erhob der Rekurrent Beschwerde mit dem Antrage,
den genannten Verkauf als nichtig zu erklären. Er machte geltend: Die
Veräusserung des Weines sei ohne vorherige Mitteilung an ihn erfolgt. Erst
am 22. Januar habe er Kenntnis davon erhalten. Dem Betreibungsamte fehle
das Recht, einseitig auf Begehren des Giäubigers, ohne gerichtliche
Verfügung und ohne durchgeführte Betreibung Arrestgegenstände unter der
Hand zu verkaufen· Der Wein sei auch gar nicht dem Verderben ausgesetzt
gewesen.

II. Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde nach

xxx, e. _ 4904 13

194 G. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

Einholung eines Berichtes des Betreibungsamtes unterm 1. Februar 1904 ab,
indem sie annahm, dass die Voraussetzungen zum Verkanse nach Art. 124
gegeben gewesen seien und auch eine vorherige Benachrichtigung des
Rekurrenten nach der Sachlage nicht habe erfolgen können.

III. Im nunmehrigen Rekurse an das Bundesgericht erneuert Kili-Stahel
sein Beschwerdebegehren und dessen Begründung

Die Schnldbetreibungsund Konkurskammer zieht in Erwägung:

Gemäss bundesrechtlicher Praxis hat das Veräusserungsgeschäst, durch
welches das Betreibungsamt ein Exekutionsobjekt zur Verwertung bringt,
die juristische Natur eines civilrechtlichen Kaufes und sind, wenn
nachher über die Rechtsgültigkeit dieses Kausvertrages Streit entsteht,
die Gerichte und nicht die Aufsichtsbehörden zur Entscheidung in
Sachen befugt. Immerhin weist ein solches Kaufgeschäst bezüglich der
Art und Weise seines Zustandekommens das besondere aus, dass es den
Abschluss und das Endziel des vorangegangenen Verwertungsverfahrens
bildet. In diesem betreibungsprozessualischen Verfahren aber handelt
das Amt nicht als ein die Veräusserung vorbereitender civilrechtlicher
Verkäufer bezw. Mandatar eines solchen, sondern in behördlicher
Stellung, und es können seine bezüglichen Vorkehren, wenn dabei die
gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren ausser Acht gelassen worden
sind, als amtliche Verfügungen auf dem Beschwerdewege angefochten
werden. Hievon ausgehend hat die Praxis, speziell bei der Verwertung
durch Versteigerung, angenommen, dass unterUmständen eine Verletzung
der genannten Vorschriften zur Raffa:tion des Verfahrens und der den
Abschluss desselben bildenden Zuschlagserilärnng führen könne, da es
sich hiebei eben um die Beurteilung der Gesetzmäszigkeit der sich als
Verfügungen qualifizierenden Handlungen der Vollstreckungsbehbrden
handelt (vergl. Jäger, Kommentar, Art. 125, Note 2, S. 224 und die
dortigen Citate). Dagegen haben es die Aussichtsbehörden bis jetzt immer,
als ausser ihrer Kompetenz liegend, abgelehnt, darüber zu statuieren,
ob ein solches zweiseitiges Rechtsgeschäft, bei welchem die Mitwirkung
der Vollstreckungsbehörden vom Standpunkt des Betreibungsgesetzes aus
anfechtbar ist, gegenüber dem Drittenund Konkurskammer. N° 32. · 195

rechtsunwirksam sei; sondern es ist der Entscheid über die Aufhebung
desselben immer den Gerichten vorbehalten worden. ,

Von diesem Standpunkt aus könnten die Aussichtsbehörden nur darüber
entscheiden, ob der Betreibungsbeamte nach den Be? stimmungen des
Betreibungsgesetzes befugt sei, zum freihändigen Verkauf der Objekte zu
schreiten. Ein Entscheid über diese Frage hat aber, nachdem der Verkauf
effektuiert und vollzogen worden ist, keine aktuelle Bedeutung mehr,
da ja die angefochtene Ver-v fügung des Betreibungsamtes nicht mehr
rückgängig gemacht werden kann, abgesehen davon, dass ein dahin zielendes
Begehren auch gar nicht gestellt ist, da der Rekurrent ja ausdrücklich
Kassation des Verkauses verlangt. Mit diesem Begehren ist er aber nach
dem Gesagten an den ordentlichen Civilrichter zu verweisen Dagegen
bleibt ihm natürlich vorbehalten, gegen den Betreibungsbeamten wegen
der behaupteten Gesetzesverletzung eine Schadenersatzklage nach Art. 5
SchKG anzustrengen, sofern er einen erlittenen Schaden nachweisen farm,
und es hat dann, wie in allen ähnlichen Fällen, der Richter bei der
Lösung der Verschuldenssrage darüber zu befinden, ob das Handeln des
Betreibungsbeamten gesetzmässig gewesen sei oder nicht.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt: Der Rekurs wird im Sinne der Motive abgewiesen.

32. Entscheid vom 15. März 1904 in Sachen Stirnemann.

Arrestnahme ; Recht des Gläubigers auf amtliche Verwahrung ? Art.
98 Abs. 3 in Verbieedung mie Art. 275 SchKG. Art. 277 eod.

I. Der Rekurrent Stirnemann hatte am 11. Dezember 1903 für eine
Verlustsorderung von 45 Fr. 80 Ets. einen Arrest aus das pfändbare
Vermögen des J. F. Sulzbach in Zürich erwirkt. Am 13. Dezember belegte
das Betreibungsamt Zürich III in Vollziehung des Arrestbesehls eine
Anzahl Gegenstände mit
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 30 I 193
Datum : 10. März 1904
Publiziert : 31. Dezember 1904
Quelle : Bundesgericht
Status : 30 I 193
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 192 C. Entscheidungen der Schuldbetreihungs- anerkanntermassen nicht mehr besteht


Gesetzesregister
SchKG: 5  98  124  130  152  275
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
betreibungsamt • wein • schuldner • betreibungsbeamter • frage • pfand • betreibung auf pfandverwertung • betreibung auf pfändung • schuldbetreibung • entscheid • begründung des entscheids • richterliche behörde • kauf • kantonales rechtsmittel • kommunikation • ausführung • kenntnis • wiese • bundesgericht • zwangsvollstreckung
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