396 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs--

des Betreibungsgesetzes, dass die unterinstanzlichen Entscheide binnen
zehn Tagen seit deren Mitteilung weitergezogen werden können. Es folgt
hieraus, dass das Gesetz als rekursberechtigt nur diejenigen betrachtet,
denen der nnterinsianzliche Entscheid mitzuteilen ist. Wenn nun aber die
Beschwerde sich gegen eine Verfügung der Konkursverwaltung richtete, so
ist der Entscheid ausser dem Beschwerdeführer nur dieser, nicht auch den
übrigen Gläubigern, mitzuteilen. Wenn das Rekursrecht auch jedem einzelnen
Gläubiger-, den die Verwaltung vertritt, gegeben werden wollte, so
bestünde ein fester Anhaltspunkt für die Berechnung der Rekursfrist nicht
mehr und wäre damit der Zeitpunkt der Rechtskraft des unterinstanzlichen
Urteils ins unbestimmte gerückt. Ob Pollag und Rosenthal sich die Stellung
einer selbständigen Partei hätten verschaffen und das Rekursrecht
hätten sichern können dadurch, dass sie von sich aus im Verfahren vor
der ersten Instanz intervenierten, kann dahingestellt bleiben, da dies
tatsächlich nicht der Fall war. Können aber dieselben nach dem Gesagten
nicht als legitimiert angesehen werden, den erftinftanzlichen Entscheid
weiterznziehen, so vermochte ihre Weiterziehung an die obere kantonale
Aufsichtsbehörde keine Wirkungen auszuüben und muss daher der angefochtene
Entscheid, der dies nicht beachtet, aufgehoben werden.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konknrstammer

erkannt:

Der Rekurs wird gutgeheissen und unter Aufhebung des angefochtenen
Entscheides der kantonalen Aufsichtsbehörde der Entscheid der untern
Aufsichtsbehörde wieder hergestellt.und Konkurskammer. N° 95. si 397

9-5. Entscheid vom 29. November 1902 in Sachen Rufer.

Fee-n des Reehtsvorscmags. Are. 74 Sch. u. si.-Ges. Für den schmft(wh-en
Beehtsvorschlag ist die Unterschrift des Schuldners (oder dessen
Vertreters) nicht erforderlich.

1. Am 2. Oktober 1902 hob Witwe Rufer-Altenbach in Basel gegen den
Reknrrenten Karl Rufer für eine Forderung von 6500 Fr. Betreibung
an. Am 11. Oktober bekam das Betreibungsamt Baselstadt die für den
Schuldner bestimmte Ausfertigung des Zahlungsbefehls durch die Post
zurückgesandt. Sie enthielt den Vormerk: Rechtsvorschlag erhoben-O ohne
Beifügung einer Unterschrift. Da das Betreibungsamt annahm, es liege
ein gültiger Rechtsvorschlag vor, führte die betreibende Gläubiger-in
Beschwerde, indem sie unter Hinweis auf Art. 74 B.-G· geltend machte,
der Rechtsvorschlag sei entweder mündlich oder schriftlich zu erklären,
zu den Requisiten der Schriftlichkeit gehöre aber die Unterschrift
des Schuldners.

II. Mit Entscheid vom 20. Oktober 1902 erklärte die fante: nale
Aufsichtsbehörde in Gutheissung der Beschwerde den fraglichen
Rechtsvorschlag für ungültig. Jhr Erkenntnis stellt vorerst darauf ab,
dass im Falle, wo ein Dritter ohne Vollmacht die betriebene Forderung
bestreitet, der Schuldner für den möglicherweise ihm dadurch erwachsenen
Nachteil den faisus procurator regelmässig nur dann verantwortlich
machen .könne, wenn der Rechtsvorschlag unterschrieben sei. Sodann,wird
weiter ausgeführt, sei in der Tat das Requisit der Schriftlichkeit
erst vorhanden, wenn die schriftliche Erklärung die Namensunterschrift
jemandes trage und könne davon nur abgesehen werden wenn der Schuldner
eigenhändig den Rechtsvorschlag dem Betreibungsbeamten überbringe. Hier
aber sei die Erklärung der Post übergeben worden und stehe nicht fest,
wer der Absender sei. _

HI. Diesen Entscheid zog der Betriebene Rufer rechtzeitig an das
Bundesgericht weiter mit dem Begehren, den fraglichen Rechtsvorschlag
als gültig zu schützen.

398 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs-

Die Schuldbetreibungs und Konkurskamiuer zieht

(S;-s istd v s hin Erwägung:

_ a on au zuge en, da die au dem ra li en = besehl befindlichen
Worte Rechkisvorschlfag again? häufig? triebenen Schuldner selbst
herrühren oderidoch zum mindesteu mit seinem Willen darauf gesetzt
worden find. Auf diesen Standpunkt hat sich offenbar das Betreibungsamt
gestellt und es erscheint derselbe auch durchaus gerechtfertigt, da alle
Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das für den Schuldner bestimmte
und ihm zugesandte Doppel des Zahlungsbefehles nicht ohne sein Wissen
und Wollen mit einer Rechtsvorschlagserkläruna versehen wieder an das
Amt zurückgefandt werde. Den gegenteiligen Fall hatte diejenige Partei,
die sich darauf beruft, nachzuweisen. Nun

hat aber die Rekursgegnerin in ihrer Beschwerde an die kantonale '

Aufsichtsbehörde gar nicht behauptet, dass sich die Sache in
Wirklichkeit anders zugetragen habe, sondern sie hat die Üngültigkeit
des Fliechtsvorschlages lediglich auf formelle Mängel der Erklärung
gestutzt, und ebensowenig enthält der vorinstanzliche Entscheid eine
bindende Feststellung im gegenteiligen Sinne.

' Somit hängt der Entscheid der Sache von der Frage ab, ob eine
schriftliche Rechtsvorschlagserklärung, durch die der Wille des
Schuldners, Rechtsvorschlag zu erheben, seinen deutlichen und vollen
Ausdruck gefunden hat, deshalb ungültig sei, weil ihr die Unterschrift
des Schuldners oder des von ihm mit der Ausstellung der Erklärung
beauftragten Dritten fehlt. Diese Frage ist zu derueinen, weil es weder
nach dem Wortlaute der das Rechtsweschlagsverfahren regelnden Bestimmungen
des Gesetzes noch aus dem Issiesen und Zweck.dieser Bestimmungen sich
rechtfertigen lässt, die Gultigkeit der Rechtsvorschlagserklärung von der
Erfüllung bestimmter formeller Requisiten abhängig zu machen. Vielmehr
ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Ausübung des Rechtsverschlags
möglichst erleichtern wollte, um den Betriebenen gegen die Gefahren zu
schützen, welche ihm aus den Bestimmungen der Art. 69, 74 und 86 des
Gesetzes erwachsen können. Im Gegensatz zu andern Gesetzen, welche
die Betreibung gegen einen Schuldner nur auf Grund einer besondern
gerichtlichen Bewilligung(t1tre exécutoire) zulassen, gestatten die
erwähnten Ar- und Kvnkurskammer. N° 95. 399

tilel ohne weiteres die Anlegung des Zahlungsbefehls gegen einen
angeblichen Schuldner und knüpfen ferner an die Nichtbeachtung der kurzen
zehntägigen Frist für Erhebung des Rechtsvorschlages den Rechtsnachteil,
dass die Betreibung bis zum Schlusse durchgeführt werden kann. Eine
derartige Verschlechterung der Rechtsstellung eines Betriebenen lässt
sich einzig durch die Erwägung rechtfertigen, dass dafür dem Schuldner
die Berechtigung erteilt wird, durch Abgabe einer blossen Erklärung in der
einfachsten Weise die Fortsetzung der Betreibung zu hemmen. Diese Erwägung
trifft aber nur zu, wenn diese Erklärung völlig formlos erfolgen kann,
so dass auch der unbeholfene Betriebene ohne Beistand Dritter im Stande
ist, seine Rechte zu wahren. Es muss deshalb genügen, wenn der Wille,
gegen die Betreibuiig Einsprache zu erheben, in gehörig erkennbarer,
im übrigen aber formlofer Weise dem Amte zur Kenntnis gelangt. Demgemäss
gestattet Art. 74 alternativ die mündliche oder schriftliche Mitteilung
des RechtsVorschlages, und es darf aus dieser alternativen Zulassung
beider Mitteilung-Harten geschlossen werden, dass für die schriftliche
Erklärung nicht die strengeren Grundsätze zur Anwendung kommen sollen,
welche für Willensäusserungen gehen, die ausschliesslich in schriftlicher
Form Gültigkeit beanspruchen können. Die Mängel der schriftlichen
Erklärung des Rechtsvorschlages können vielmehr dadurch ersetzt werden,
dass aus der Gesamtheit der Umstände der Sachverhalt genügend für das
Amt erkennbar wird.

Unerbrtert bleiben kann das fernere, dem Vorentscheide zu Grunde
liegende Motiv, dass nämlich dann, wenn ein Dritter ohne Vollmacht von
sich aus Rechtsvorschlag erhebt, die Unterzeichnung seiner Erklärung im
Interesse des möglicherweise dadurch geschädigten betriebenen Schuldners
erforderlich fei. Mit einem solchen Falle, einer negatiorum gestio in
Erhebung des Rechtsvorschlages, hat man es nach obigem hier nicht zu tun.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt:

Der Rekurs wird für begründet und damit der in Frage

stehende Rechtsvorschlag als gültig erklärt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 28 I 397
Datum : 29. November 1902
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 28 I 397
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 396 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs-- des Betreibungsgesetzes, dass die


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