Urteilskopf

137 III 255

41. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Y. GmbH (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_69/2011 vom 29. März 2011

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 255

BGE 137 III 255 S. 255

A.

A.a Im April 2008 schlossen die X. AG (Beschwerdeführerin) und die Y. GmbH (Beschwerdegegnerin) einen Rahmenvertrag mit verschiedenen Anhängen. Damit räumte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin für verschiedene Länder in Europa, Asien und Afrika ein Exklusivvertriebsrecht für ein in der Geburtshilfe verwendetes Medizinalprodukt ein.
BGE 137 III 255 S. 256

Der Rahmenvertrag sah in Anhang 4 eine Mindestabnahmeverpflichtung der Beschwerdeführerin vor, die zunächst im Laufe des Sommers 2008 zweimal revidiert wurde. In der Folge kam es zu Meinungsverschiedenheiten und die Beschwerdegegnerin machte gestützt auf die Mindestabnahmeverpflichtung eine Forderung über Fr. 1'589'026.60 gegen die Beschwerdeführerin geltend.
A.b Mit Urteil vom 22. April 2010 erteilte das Obergericht des Kantons Zug der Beschwerdegegnerin in dem von ihr gegen die Beschwerdeführerin eingeleiteten Betreibungsverfahren die provisorische Rechtsöffnung für Fr. 1'268'307.60 nebst Zins zu 5 % seit 29. August 2009. Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin am 14. Mai 2010 beim Kantonsgericht Zug Aberkennungsklage gegen die Beschwerdegegnerin. Diese Klage ist noch vor dem Kantonsgericht hängig.
B.

B.a Am 26. Juli 2010 stellte die Beschwerdegegnerin beim Kantonsgerichtspräsidium Zug den Antrag, es sei die Beschwerdeführerin zu verpflichten, ihr Einsicht in die Jahresrechnung 2009 sowie den Revisionsbericht 2009 zu gewähren, und sie sei aufzufordern, diese Unterlagen dem Kantonsgerichtspräsidium einzureichen. Mit Entscheid vom 22. Oktober 2010 verpflichtete der Einzelrichter am Kantonsgericht Zug die Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin Einsicht in die Jahresrechnung 2009 und den Revisionsbericht 2009 zu gewähren und wies das Gesuch im Übrigen ab.
B.b Mit Urteil vom 23. Dezember 2010 wies das Obergericht des Kantons Zug eine von der Beschwerdeführerin gegen den einzelrichterlichen Entscheid vom 22. Oktober 2010 erhobene Beschwerde ab. Das Obergericht hielt die geltend gemachte Forderung der Beschwerdegegnerin angesichts der gewährten provisorischen Rechtsöffnung als mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgewiesen. Zudem sah es die Darstellung der Beschwerdegegnerin, wonach der die Mindestabnahmeverpflichtung der Beschwerdeführerin enthaltende Anhang 4 zum Rahmenvertrag hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten mehrmals aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten der Beschwerdeführerin habe geändert werden müssen, als sehr wahrscheinlich an. In Anbetracht der absoluten Höhe der erhobenen Forderung liess das Obergericht diesen Umstand genügen, um ein schutzwürdiges Einsichtsinteresse der Beschwerdegegnerin im Sinne von Art. 697h Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR zu begründen.
BGE 137 III 255 S. 257

C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 31. Januar 2011 beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 23. Dezember 2010 aufzuheben und das Gesuch der Beschwerdegegnerin sei abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz eine unrichtige Anwendung von Art. 697h Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR vor.
4.1

4.1.1 Gemäss Art. 697h Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR ist eine Aktiengesellschaft verpflichtet, Jahresrechnung und Konzernrechnung nach Abnahme durch die Generalversammlung mit den Revisionsberichten offenzulegen, wenn sie Anleihensobligationen ausstehend hat oder die Aktien der Gesellschaft an einer Börse kotiert sind. Die übrigen Aktiengesellschaften unterliegen keiner besonderen Offenlegungspflicht. Nach Abs. 2 von Art. 697h
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR müssen sie jedoch den Gläubigern, die ein schutzwürdiges Interesse nachweisen, Einsicht in die Jahresrechnung, die Konzernrechnung und die Revisionsberichte gewähren.
4.1.2 Der Gesuchsteller, der gegenüber einer Gesellschaft Einsicht verlangt, die den Kapitalmarkt nicht in Anspruch nimmt, hat grundsätzlich sowohl seine Gläubigerstellung als auch ein schutzwürdiges Interesse nachzuweisen. Dem Entscheid über das Einsichtsrecht kommt, auch wenn er im summarischen Verfahren erfolgt, materielle Rechtskraft zu, weshalb es nicht ausreicht, die Anspruchsvoraussetzungen bloss glaubhaft zu machen (BGE 120 II 352 E. 2b S. 355). Dennoch gilt es zu beachten, dass die Rechtsdurchsetzung nicht an Beweisschwierigkeiten scheitern darf, die typischerweise bei bestimmten Sachverhalten auftreten (vgl. BGE 130 III 321 E. 3.2 S. 324; BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 275), weshalb der Gesuchsteller seine Gläubigerstellung nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht strikte zu beweisen hat, sondern der Beweis als erbracht gilt, wenn diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgewiesen ist (Urteile 4C.129/2004 vom 6. Juli 2004 E. 4.2.1; 4C.244/1995 vom 17. November 1995 E. 3b/aa; 4C.222/1994 vom 1. Dezember 1994 E. 4a, in: SJ 1995 S. 306 f.; vgl. unter der Herrschaft von aArt. 704
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 704 - 1 Ein Beschluss der Generalversammlung, der mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und die Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte auf sich vereinigt, ist erforderlich für:
1    Ein Beschluss der Generalversammlung, der mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und die Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte auf sich vereinigt, ist erforderlich für:
1  die Änderung des Gesellschaftszwecks;
10  die Einführung des Stichentscheids des Vorsitzenden in der Generalversammlung;
11  eine Statutenbestimmung zur Durchführung der Generalversammlung im Ausland;
12  die Dekotierung der Beteiligungspapiere der Gesellschaft;
13  die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft;
14  die Einführung einer statutarischen Schiedsklausel;
15  der Verzicht auf die Bezeichnung eines unabhängigen Stimmrechtsvertreters für die Durchführung einer virtuellen Generalversammlung bei Gesellschaften, deren Aktien nicht an einer Börse kotiert sind;
16  die Auflösung der Gesellschaft.554
2  die Zusammenlegung von Aktien, soweit dafür nicht die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre erforderlich ist;
3  die Kapitalerhöhung aus Eigenkapital, gegen Sacheinlagen oder durch Verrechnung mit einer Forderung und die Gewährung von besonderen Vorteilen;
4  die Einschränkung oder Aufhebung des Bezugsrechts;
5  die Einführung eines bedingten Kapitals, die Einführung eines Kapitalbands oder die Schaffung von Vorratskapital gemäss Artikel 12 des Bankengesetzes vom 8. November 1934553;
6  die Umwandlung von Partizipationsscheinen in Aktien;
7  die Beschränkung der Übertragbarkeit von Namenaktien;
8  die Einführung von Stimmrechtsaktien;
9  den Wechsel der Währung des Aktienkapitals;
2    Statutenbestimmungen, die für die Fassung bestimmter Beschlüsse grössere Mehrheiten als die vom Gesetz vorgeschriebenen festlegen, können nur mit dem vorgesehenen Mehr eingeführt, geändert oder aufgehoben werden.555
3    Namenaktionäre, die einem Beschluss über die Zweckänderung oder die Einführung von Stimmrechtsaktien nicht zugestimmt haben, sind während sechs Monaten nach dessen Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt an statutarische Beschränkungen der Übertragbarkeit der Aktien nicht gebunden.
OR bereits
BGE 137 III 255 S. 258

BGE 111 II 281 E. 2 S. 282). Andernfalls könnte die Gesellschaft die Durchsetzung des Einsichtsrechts einfach durch Bestreitung der Forderung des gesuchstellenden Gläubigers verhindern (vgl. bereits WOLFHART BÜRGI, Zürcher Kommentar, 1969, N. 6 zu aArt. 704
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 704 - 1 Ein Beschluss der Generalversammlung, der mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und die Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte auf sich vereinigt, ist erforderlich für:
1    Ein Beschluss der Generalversammlung, der mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und die Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte auf sich vereinigt, ist erforderlich für:
1  die Änderung des Gesellschaftszwecks;
10  die Einführung des Stichentscheids des Vorsitzenden in der Generalversammlung;
11  eine Statutenbestimmung zur Durchführung der Generalversammlung im Ausland;
12  die Dekotierung der Beteiligungspapiere der Gesellschaft;
13  die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft;
14  die Einführung einer statutarischen Schiedsklausel;
15  der Verzicht auf die Bezeichnung eines unabhängigen Stimmrechtsvertreters für die Durchführung einer virtuellen Generalversammlung bei Gesellschaften, deren Aktien nicht an einer Börse kotiert sind;
16  die Auflösung der Gesellschaft.554
2  die Zusammenlegung von Aktien, soweit dafür nicht die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre erforderlich ist;
3  die Kapitalerhöhung aus Eigenkapital, gegen Sacheinlagen oder durch Verrechnung mit einer Forderung und die Gewährung von besonderen Vorteilen;
4  die Einschränkung oder Aufhebung des Bezugsrechts;
5  die Einführung eines bedingten Kapitals, die Einführung eines Kapitalbands oder die Schaffung von Vorratskapital gemäss Artikel 12 des Bankengesetzes vom 8. November 1934553;
6  die Umwandlung von Partizipationsscheinen in Aktien;
7  die Beschränkung der Übertragbarkeit von Namenaktien;
8  die Einführung von Stimmrechtsaktien;
9  den Wechsel der Währung des Aktienkapitals;
2    Statutenbestimmungen, die für die Fassung bestimmter Beschlüsse grössere Mehrheiten als die vom Gesetz vorgeschriebenen festlegen, können nur mit dem vorgesehenen Mehr eingeführt, geändert oder aufgehoben werden.555
3    Namenaktionäre, die einem Beschluss über die Zweckänderung oder die Einführung von Stimmrechtsaktien nicht zugestimmt haben, sind während sechs Monaten nach dessen Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt an statutarische Beschränkungen der Übertragbarkeit der Aktien nicht gebunden.
OR). Für den Nachweis des schutzwürdigen Interesses gelten nach der Rechtsprechung grundsätzlich dieselben Anforderungen an das Beweismass (zit. Urteile 4C.129/2004 E. 4.2.1; 4C.222/1994 E. 4a, in: SJ 1995 S. 306 f.).
4.1.3 Wann ein vom Gesuchsteller geltend gemachtes Interesse als schutzwürdig zu betrachten ist, kann nicht abschliessend umschrieben werden. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der Umstände zu entscheiden, ob eine Interessenlage vorliegt, die eine Einsichtnahme des Gläubigers in die - ansonsten vertraulichen - Unterlagen im konkreten Fall rechtfertigt. Nicht ausreichend ist zunächst ein allgemeines Interesse, das sich aus dem blossen Umstand der Gläubigereigenschaft ergibt, zumal Art. 697h Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR mit dem Nachweis des schutzwürdigen Interesses ausdrücklich eine zusätzliche Voraussetzung vorsieht. Der Gesuchsteller hat vielmehr konkret aufzuzeigen, wozu ihm die durch die beantragte Einsicht gewonnene Information dienen soll. Nicht schützenswert wäre etwa eine Einsichtnahme lediglich zur Befriedigung der Neugierde, zur Kenntnisnahme von Geschäftsgeheimnissen (soweit dies aufgrund des beschränkten Umfangs der Einsicht überhaupt denkbar ist) oder zur Auskundschaftung von Konkurrenzverhältnissen. Demgegenüber liegt ein berechtigtes Einsichtsinteresse vor, wenn die Forderung gefährdet erscheint, also nicht fristgerecht beglichen wird, oder wenn andere Anzeichen vorliegen, die auf finanzielle Schwierigkeiten hindeuten (Botschaft vom 23. Februar 1983 über die Revision des Aktienrechts, BBl 1983 912; zit. Urteil 4C.129/2004 E. 4.2.1). Dabei muss der gesuchstellende Gläubiger nicht etwa Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft, geschweige denn die Uneinbringlichkeit seiner Forderung beweisen, ansonsten das Einsichtsrecht nach Art. 697h Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR, das letztlich dem Gläubiger- sowie dem Systemschutz dient, regelmässig zu spät greifen und damit seinen Zweck verfehlen würde. Vielmehr muss ausreichen, wenn er konkrete Umstände nachweist, die sein Informationsbedürfnis in objektiver Hinsicht als schutzwürdig erscheinen lassen. Dazu sollte es genügen, wenn die auf konkreten Anzeichen beruhenden Zweifel des Gläubigers an der Zahlungsfähigkeit
BGE 137 III 255 S. 259

der Gesellschaft als begründet zu erachten sind und sich nur durch die Einsicht in Jahresrechnung bzw. Konzernrechnung und Revisionsberichte (gegebenenfalls) beseitigen lassen. Bei der Beurteilung des schützenswerten Interesses an der Einsichtnahme sind demnach keine allzu strengen Massstäbe anzuwenden (vgl. bereits Botschaft, a.a.O., S. 913). Als schutzwürdig zu betrachten ist die Einsichtnahme auch regelmässig nach Einleitung eines nicht offensichtlich aussichtslosen Forderungsprozesses gegen die Gesellschaft (Botschaft, a.a.O., S. 913; zit. Urteil 4C.129/2004 E. 4.2.1; ROLF H. WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, N. 7 zu Art. 697h
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR; BIANCA PAULI, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 8 zu Art. 697h
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR) oder bereits nachdem konkrete Schritte im Hinblick auf eine Klageeinreichung unternommen worden sind (zit. Urteil 4C.244/1995 E. 3c). Auch wenn solche Umstände keine Schlüsse hinsichtlich der Einbringlichkeit der Forderung zulassen, ist die Einsichtnahme unmittelbar auf die Beurteilung der finanziellen Verhältnisse der Schuldnerin gerichtet und erlaubt dem klagenden Gläubiger die Abschätzung des Kostenrisikos. Dem Gläubiger kann ein schützenswertes Interesse daran, zunächst die Zahlungsfähigkeit der schuldnerischen Gesellschaft zu prüfen, bevor er allenfalls weitere Mittel für die Durchsetzung seiner Forderung aufwendet, kaum abgesprochen werden. Auch bei einer solchen Konstellation bedarf es jedoch einer Interessenabwägung im konkreten Fall. Bei einer blossen Bagatellforderung etwa wird ein schützenswertes Interesse an einer vorhergehenden Einsichtnahme tendenziell eher zu bezweifeln sein (vgl. PETER V. KUNZ, Transparenz für den Gläubiger der Aktiengesellschaft, SJZ 99/2003 S. 59 f.). Ebenso wenig würde die Einleitung eines Prozesses mit dem blossen Zweck, Einsicht in die Geschäftsunterlagen des Prozessgegners zu erlangen, einen Einsichtsanspruch begründen.
4.2 Die Gläubigereigenschaft der Beschwerdegegnerin ist im zu beurteilenden Fall nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Strittig ist nurmehr die Anspruchsvoraussetzung des schutzwürdigen Interesses nach Art. 697h Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR.
4.2.1 Die Beschwerdeführerin hat, nachdem der Beschwerdegegnerin für den Betrag von Fr. 1'268'307.60 nebst Zins provisorische Rechtsöffnung erteilt worden war, Aberkennungsklage gegen die Beschwerdegegnerin erhoben. Angesichts der Kosten, die bei einem
BGE 137 III 255 S. 260

ordentlichen Zivilprozess anfallen, der sich möglicherweise über mehrere Instanzen hinziehen kann, hat die Beschwerdegegnerin ein legitimes Interesse daran, ihr Kostenrisiko abschätzen zu können, zumal selbst eine allenfalls von der Beschwerdeführerin zu leistende Sicherheit für die zu erwartende Parteientschädigung kaum sämtliche Kosten decken würde, die für die Prozessführung anfallen. Die Beschwerdegegnerin hat ein schutzwürdiges Interesse daran, vorab abschätzen zu können, ob sie im Fall ihres Obsiegens überhaupt mit der Befriedigung ihrer Forderung rechnen kann. Entgegen dem, was die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, ist der Umfang der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Forderung bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung des schutzwürdigen Interesses immerhin insofern zu berücksichtigen, als dieser das Vorliegen einer blossen Bagatellforderung ausschliesst. Die Beschwerdeführerin hat zudem keine Umstände aufgezeigt, aus denen auf eine zweckwidrige Einsicht in die nach Art. 697h Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR vorgesehenen Geschäftsunterlagen zu schliessen wäre.
4.2.2 Die Vorinstanz hat zudem in tatsächlicher Hinsicht ohne Verletzung des Willkürverbots festgestellt, es sei als sehr wahrscheinlich zu betrachten, dass die wiederholte Anpassung der Zahlungsmodalitäten in Anhang 4 zum Rahmenvertrag im Verlauf des Jahres 2008 ihren Grund in den Zahlungsschwierigkeiten der Beschwerdeführerin hatte. Damit hat sich die Vorinstanz entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht mit einem blossen Glaubhaftmachen zufriedengegeben, sondern bewegt sich im Rahmen des vom Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung als massgeblich erachteten Beweismasses. Die Vorinstanz hat Art. 697h Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR nicht verletzt, wenn sie angesichts der festgestellten Zahlungsschwierigkeiten der Beschwerdeführerin - auch unabhängig vom hängigen Aberkennungsprozess - ein schutzwürdiges Einsichtsinteresse der Beschwerdegegnerin bejahte. Insgesamt ist der Vorinstanz keine Verletzung von Art. 697h Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
OR vorzuwerfen, wenn sie dem Einsichtsgesuch der Beschwerdegegnerin stattgab.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 137 III 255
Datum : 29. März 2011
Publiziert : 01. Oktober 2011
Quelle : Bundesgericht
Status : 137 III 255
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 697h Abs. 2 OR; Einsichtsrecht des Gläubigers. Voraussetzungen des Einsichtsrechts des Gläubigers einer Aktiengesellschaft


Gesetzesregister
OR: 697h 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 697h - 1 Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
1    Der Verwaltungsrat unterbreitet der nächsten Generalversammlung den Bericht der Sachverständigen sowie seine Stellungnahme und diejenige der Gesuchsteller dazu.
2    Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen verlangen.
704
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 704 - 1 Ein Beschluss der Generalversammlung, der mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und die Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte auf sich vereinigt, ist erforderlich für:
1    Ein Beschluss der Generalversammlung, der mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und die Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte auf sich vereinigt, ist erforderlich für:
1  die Änderung des Gesellschaftszwecks;
10  die Einführung des Stichentscheids des Vorsitzenden in der Generalversammlung;
11  eine Statutenbestimmung zur Durchführung der Generalversammlung im Ausland;
12  die Dekotierung der Beteiligungspapiere der Gesellschaft;
13  die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft;
14  die Einführung einer statutarischen Schiedsklausel;
15  der Verzicht auf die Bezeichnung eines unabhängigen Stimmrechtsvertreters für die Durchführung einer virtuellen Generalversammlung bei Gesellschaften, deren Aktien nicht an einer Börse kotiert sind;
16  die Auflösung der Gesellschaft.554
2  die Zusammenlegung von Aktien, soweit dafür nicht die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre erforderlich ist;
3  die Kapitalerhöhung aus Eigenkapital, gegen Sacheinlagen oder durch Verrechnung mit einer Forderung und die Gewährung von besonderen Vorteilen;
4  die Einschränkung oder Aufhebung des Bezugsrechts;
5  die Einführung eines bedingten Kapitals, die Einführung eines Kapitalbands oder die Schaffung von Vorratskapital gemäss Artikel 12 des Bankengesetzes vom 8. November 1934553;
6  die Umwandlung von Partizipationsscheinen in Aktien;
7  die Beschränkung der Übertragbarkeit von Namenaktien;
8  die Einführung von Stimmrechtsaktien;
9  den Wechsel der Währung des Aktienkapitals;
2    Statutenbestimmungen, die für die Fassung bestimmter Beschlüsse grössere Mehrheiten als die vom Gesetz vorgeschriebenen festlegen, können nur mit dem vorgesehenen Mehr eingeführt, geändert oder aufgehoben werden.555
3    Namenaktionäre, die einem Beschluss über die Zweckänderung oder die Einführung von Stimmrechtsaktien nicht zugestimmt haben, sind während sechs Monaten nach dessen Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt an statutarische Beschränkungen der Übertragbarkeit der Aktien nicht gebunden.
BGE Register
111-II-281 • 120-II-352 • 128-III-271 • 130-III-321 • 137-III-255
Weitere Urteile ab 2000
4A_69/2011 • 4C.129/2004 • 4C.222/1994 • 4C.244/1995
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
1995 • aberkennungsklage • afrika • akteneinsicht • aktiengesellschaft • anleihensobligation • anspruchsvoraussetzung • asien • begründung des entscheids • berechnung • beschwerde in zivilsachen • beweismass • bundesgericht • einsichtnahme in ein öffentliches register • einzelrichter • entscheid • erleichterter beweis • finanzielle verhältnisse • gesuchsteller • kantonsgericht • kapitalmarkt • konzernrechnung • materielle rechtskraft • meinung • provisorische rechtsöffnung • rahmenvertrag • revisionsbericht • sachverhalt • summarisches verfahren • voraussetzung • vorinstanz • wiese • zahlungsunfähigkeit • zins • zivilprozess • zugang • zweifel
BBl
1983/912
SJ
1995 S.306
SJZ
99/2003 S.59