120 III 49
17. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 29. April 1994 i.S. S. AG (Rekurs)
Regeste (de):
- Arrestvollzug. Rechtsmissbrauch, Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. 2 Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. - Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn an mehreren Orten für die gleiche Forderung ein Arrest vollzogen wird und dadurch mehr Vermögenswerte blockiert werden, als zur Erfüllung der Forderung nötig sind.
- Drittansprachen rechtfertigen es nicht, mehr Vermögen mit Arrest zu belegen, sondern nur, allenfalls andere Vermögenswerte zu blockieren.
Regeste (fr):
- Exécution du séquestre. Abus de droit, art. 2 CC.
- Est abusif le séquestre obtenu en différents endroits pour la même créance lorsque sont mis sous main de justice plus de biens qu'il n'en faut pour couvrir la créance.
- Les revendications de tiers ne justifient pas un séquestre portant sur plus de biens, mais seulement, le cas échéant, la mise sous main de justice d'autres droits patrimoniaux.
Regesto (it):
- Esecuzione del sequestro. Abuso di diritto, art. 2 CC.
- È abusivo il sequestro ottenuto in luoghi diversi per lo stesso credito se vengono bloccati più beni di quelli necessari a coprire il credito.
- Le rivendicazioni di terzi non giustificano un sequestro di più beni, ma solo, eventualmente, il blocco di altri valori patrimoniali.
Sachverhalt ab Seite 50
BGE 120 III 49 S. 50
A.- Am 17. Juni 1993 erwirkte die S. AG beim Obergericht des Kantons Zürich einen Arrestbefehl gegen K. auf dessen Vermögenswerte bei einer Bank in Zürich für eine Forderung von Fr. 108'391'537.-- nebst Zins.
B.- Der Arrest wurde am folgenden Tag vom Betreibungsamt bei der Bank unter Angabe einer Sperrlimite von Fr. 157'200'000.-- vollzogen. Am 21. Juni 1993 teilte die Bank dem Betreibungsamt mit, dass Vermögenswerte in diesem Umfang vom Arrest erfasst worden seien. Eine vom K. gegen den Arrestvollzug gerichtete Beschwerde wurde vom Bezirksgericht Zürich mit Entscheid vom 21. Dezember 1993 abgewiesen. Auf Rekurs des K. hin hob das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs mit Beschluss vom 15. März 1994 den Arrestbefehl auf.
C.- Die S. AG gelangt an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses. Das K. beantragt, den Rekurs abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Das Obergericht des Kantons Zürich hat den Arrestvollzug als rechtsmissbräuchlich aufgehoben. In Genf seien für die gleiche Forderung bei zwei Banken Guthaben bis zum Betrag von je Fr. 223'470'408.-- verarrestiert worden. Damit würden aber die vom Arrest betroffenen Vermögenswerte den Forderungsbetrag bei weitem übersteigen. Die Rekurrentin macht geltend, alle von den Arresten in Zürich und Genf betroffenen Vermögenswerte seien von X. zu Eigentum angesprochen worden, so dass es höchst ungewiss sei, ob überhaupt genügend verwertbare Vermögensrechte des Schuldners vorhanden seien. Indem das Obergericht diesen Drittansprüchen im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung beigemessen habe, habe es Bundesrecht verletzt. Zudem seien die in Genf betroffenen Vermögenswerte - wie schon vor der letzten kantonalen Instanz geltend gemacht worden sei - nun auch für eine weitere Forderung im Betrag von Fr. 185'500'000.-- nebst Zins verarrestiert worden, so dass die Deckung als noch fraglicher erscheine.
BGE 120 III 49 S. 51
a) In seinem Entscheid vom 24. Februar 1994, in dem über die Beschwerde von X. gegen den in Genf vollzogenen Arrest befunden worden ist, hält das Bundesgericht fest, dass es zulässig ist, für die gleiche Forderung an mehreren Orten Arrestbegehren zu stellen (BGE 88 III 66; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, Lausanne 1993, S. 375). Ein Arrestbefehl ist allerdings nicht zu vollziehen, wenn sich der Arrest als offensichtlich rechtsmissbräuchlich erweist, weil das Verhalten des Gläubigers einen krassen Verstoss gegen Treu und Glauben darstellt (BGE 105 III 19; BGE 107 III 38 E. 4). Ein solcher Verstoss liegt vor, wenn mit den an verschiedenen Orten erwirkten Arresten viel mehr Vermögen blockiert wird, als für die Tilgung der geltend gemachten Forderung nötig ist. Art. 97 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 97 - 1 Der Beamte schätzt die gepfändeten Gegenstände, nötigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen. |
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1 | Der Beamte schätzt die gepfändeten Gegenstände, nötigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen. |
2 | Es wird nicht mehr gepfändet als nötig ist, um die pfändenden Gläubiger für ihre Forderungen samt Zinsen und Kosten zu befriedigen. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 275 - Die Artikel 91-109 über die Pfändung gelten sinngemäss für den Arrestvollzug. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 281 - 1 Werden nach Ausstellung des Arrestbefehls die Arrestgegenstände von einem andern Gläubiger gepfändet, bevor der Arrestgläubiger selber das Pfändungsbegehren stellen kann, so nimmt der letztere von Rechtes wegen provisorisch an der Pfändung teil. |
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1 | Werden nach Ausstellung des Arrestbefehls die Arrestgegenstände von einem andern Gläubiger gepfändet, bevor der Arrestgläubiger selber das Pfändungsbegehren stellen kann, so nimmt der letztere von Rechtes wegen provisorisch an der Pfändung teil. |
2 | Der Gläubiger kann die vom Arreste herrührenden Kosten aus dem Erlöse der Arrestgegenstände vorwegnehmen. |
3 | Im Übrigen begründet der Arrest kein Vorzugsrecht. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 95 - 1 In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.208 |
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1 | In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.208 |
2 | Das unbewegliche Vermögen wird nur gepfändet, soweit das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht.209 |
3 | In letzter Linie werden Vermögensstücke gepfändet, auf welche ein Arrest gelegt ist, oder welche vom Schuldner als dritten Personen zugehörig bezeichnet oder von dritten Personen beansprucht werden. |
4 | Wenn Futtervorräte gepfändet werden, sind auf Verlangen des Schuldners auch Viehstücke in entsprechender Anzahl zu pfänden. |
4bis | Der Beamte kann von dieser Reihenfolge abweichen, soweit es die Verhältnisse rechtfertigen oder wenn Gläubiger und Schuldner es gemeinsam verlangen.210 |
5 | Im übrigen soll der Beamte, soweit tunlich, die Interessen des Gläubigers sowohl als des Schuldners berücksichtigen. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 275 - Die Artikel 91-109 über die Pfändung gelten sinngemäss für den Arrestvollzug. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 95 - 1 In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.208 |
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1 | In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.208 |
2 | Das unbewegliche Vermögen wird nur gepfändet, soweit das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht.209 |
3 | In letzter Linie werden Vermögensstücke gepfändet, auf welche ein Arrest gelegt ist, oder welche vom Schuldner als dritten Personen zugehörig bezeichnet oder von dritten Personen beansprucht werden. |
4 | Wenn Futtervorräte gepfändet werden, sind auf Verlangen des Schuldners auch Viehstücke in entsprechender Anzahl zu pfänden. |
4bis | Der Beamte kann von dieser Reihenfolge abweichen, soweit es die Verhältnisse rechtfertigen oder wenn Gläubiger und Schuldner es gemeinsam verlangen.210 |
5 | Im übrigen soll der Beamte, soweit tunlich, die Interessen des Gläubigers sowohl als des Schuldners berücksichtigen. |
BGE 120 III 49 S. 52
stichhaltig seien als gegenüber den Arrestgegenständen in Genf. Der Umstand, dass sowohl in Genf als auch in Zürich Drittansprüche geltend gemacht worden sind, vermag somit die Aufrechterhaltung des Arrestes in Zürich nicht zu rechtfertigen. b) Das Obergericht hält im angefochtenen Entscheid ausdrücklich fest, dass eine Überdeckung auch dann bestehe, wenn die in Genf vom Arrest betroffenen Vermögensrechte nicht nur für die erste, sondern auch für die zweite Forderung blockiert worden seien. Es hatte für eine Forderung von rund 108 Millionen Franken einen Arrest mit einer Sperrlimite von etwa 157 Millionen bewilligt. Rechnet man die zweite Forderung im von der Rekurrentin geltend gemachten Betrag von 185 Millionen dazu, so ergibt sich ein gesamter Forderungsbetrag von 293 Millionen Franken. Dem entspricht bei gleichbleibenden Proportionen eine Sperrlimite von ungefähr 426 Millionen. Die in den beiden Genfer Banken vom Arrest beschlagenen Vermögensrechte weisen nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Obergerichts einen Wert von rund 446 Millionen Franken auf. Sie genügen damit für beide geltend gemachten Forderungen. Aus dem Umstand, dass nach der Genfer Praxis die Sperrlimite wesentlich höher wäre, kann die Rekurrentin nichts ableiten. Sie müsste vielmehr dartun, warum die nach der Zürcher Praxis berechnete Sperrlimite ungenügend sei. Auch das zweite von der Rekurrentin vorgebrachte Argument erweist sich somit als nicht zutreffend.