Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung II
B-7346/2009
{T 0/2}

Urteil vom 27. September 2010

Besetzung
Richter David Aschmann (Vorsitz), Richterin Vera Marantelli, Richter Francesco Brentani,
Gerichtsschreiberin Beatrice Brügger.

Parteien
Q._______,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Patrick Troller und Rechtsanwalt lic. iur. Silvan Meier, Schweizerhofquai 2, Postfach, 6002 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

Z._______,
vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Marc R. Büttler, Holenstein Rechtsanwälte AG, Utoquai 29/31, 8008 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum IGE,
Stauffacherstrasse 65, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand
Verfügung vom 20. Oktober 2009 betreffend den Widerspruch Nr. 9389 Murolino/Murino.

Sachverhalt:

A.
Die Schweizer Wortmarke Nr. 562'947 MURINO wurde am 16. Oktober 2007 im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) Nr. 200 veröffentlicht. Sie beansprucht Schutz für folgende Waren:
Klasse 19: Wärmedämmende, tragende Bauelemente (nicht aus Metall).

B.
Am 15. Januar 2008 erhob die Beschwerdegegnerin gestützt auf die Schweizer Wortmarke Nr. 552'333 MUROLINO Widerspruch gegen diese Eintragung. Die Widerspruchsmarke war am 14. November 2006 ins Markenregister eingetragen worden für:
Klasse 19: Baumaterialien, nicht aus Metall, insbesondere Ziegelsteine.
Die Beschwerdegegnerin berief sich auf die Gleichartigkeit der Waren und die Ähnlichkeit der Zeichen, die eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken herbeiführen würden.

C.
In ihrer Widerspruchsantwort vom 25. Juli 2008 machte die Beschwerdeführerin geltend, bei der Widerspruchsmarke MUROLINO handle es sich wegen ihres offensichtlich beschreibenden Sinngehalts um eine sehr schwache Marke, deren Schutzbereich praktisch auf ihre identische Nachmachung beschränkt sei. Das Zeichen ziehe seine geringe Kennzeichnungskraft einzig aus der Tatsache, dass "murolino" nicht den im Sprachgebrauch allgemein üblichen Diminutivformen von "muro" entspreche.

D.
Die Beschwerdegegnerin verzichtete mit Schreiben vom 14. April 2009 auf eine Replik.

E.
Mit Entscheid vom 20. Oktober 2009 hiess die Vorinstanz den Widerspruch gut und widerrief den Eintrag der Schweizer Marke Nr. 562'947 MURINO. Die von den Marken beanspruchten Waren seien gleich, weshalb ein strenger Beurteilungsmassstab anzulegen sei. Ein Unterschied zwischen den Zeichen liege einzig in der wenig prägenden Buchstabenfolge "ol" in der Wortmitte der Widerspruchsmarke. Im Sinngehalt enthielten zwar beide Marken eine Anspielung auf das italienische Wort "muro" (Mauer, französisch "mur"). Doch dürfe auch ein kennzeichnungsschwaches Zeichenelement bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht ausgeklammert werden. Die Marken stimmten nicht nur im Anlaut, sondern auch in ihrer Bauweise überein, weshalb, auch wenn von einer erhöhten Aufmerksamkeit der Käufer ausgegangen werden könne, die Gefahr von Fehlzurechnungen bestehe.

F.
Die Beschwerdeführerin erhob am 24. November 2009 Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht gegen diese Verfügung, beantragte die Aufhebung ihrer Ziffern 1, 2 und 4 und die Abweisung des Widerspruchs Nr. 9389 unter Kosten- und Entschädigungsfolge, auch im erstinstanzlichen Verfahren, zu Lasten der Beschwerdegegnerin. Insbesondere machte sie geltend, die Vorinstanz verkenne, dass sich die Zeichengemeinsamkeiten in gemeinfreien Elementen erschöpften, während die Zeichen ihre Unterscheidungskraft aus ihren Unterschieden bezögen. MUROLINO sei aufgrund seines offensichtlich beschreibenden Sinngehalts eine sehr schwache Marke. Der Vergleich der Zeichen zeige Unterschiede in der Vokal- und Konsonantenfolge, Silbenzahl und Zeichenlänge. Zudem handle es sich um Waren, die mit erhöhter Aufmerksamkeit gekauft würden.

G.
Mit Eingabe vom 3. Februar 2010 beantragte die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdeführerin. Es bestehe Warenidentität, weshalb bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ein besonders strenger Massstab anzulegen sei. "Muro" sei auch nicht direkt beschreibend, denn die Marken würden nicht für "Mauern" beansprucht. Das Zeichen verliere den Charakter einer mittelbaren Beschreibung sodann durch die individuelle Endung "-lino". Es handle sich dabei nicht etwa um eine Verkleinerungs- oder Koseform, die Widerspruchsmarke sei darum nicht Gemeingut.

H.
Die Vorinstanz verzichtete mit Eingabe vom 4. Februar 2010 auf die Einreichung einer Stellungnahme und beantragte unter Hinweis auf die Begründung in der angefochtenen Verfügung die Beschwerde unter Kostenfolge abzuweisen.

I.
Eine Parteiverhandlung wurde nicht durchgeführt (Art. 40 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]).

J.
Auf die dargelegten und weitere Vorbringen der Parteien und eingereichten Beweismittel wird, soweit sie rechtserheblich sind, in den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide der Vorinstanz in Widerspruchssachen zuständig (Art. 31 , 32 und 33 Bst. d VGG). Die Beschwerde wurde innert der gesetzlichen Frist von Art. 50 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) eingereicht und der verlangte Kostenvorschuss rechtzeitig geleistet. Als Widerspruchsgegnerin ist die Beschwerdeführerin durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und beschwert (Art. 48 VwVG). Auf die Beschwerde ist darum einzutreten.

2.
2.1 Vom Markenschutz sind Zeichen ausgeschlossen, die einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt (Art. 3 Abs. 1 Bst. c des Bundesgesetzes vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben [Markenschutzgesetz, MSchG, SR 232.11]). Der Inhaber einer älteren Marke kann gestützt auf Art. 3 Abs. 1 MSchG innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung der Eintragung Widerspruch erheben (Art. 31 MSchG).

2.2 Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr richtet sich nach der Ähnlichkeit der Zeichen im Erinnerungsbild des Letztabnehmers (BGE 121 III 377 E. 2a Boss/Boks) und nach dem Mass an Gleichartigkeit zwischen den geschützten Waren und Dienstleistungen. Zwischen diesen beiden Elementen besteht eine Wechselwirkung. An die Verschiedenheit der Zeichen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je ähnlicher die Produkte sind, und umgekehrt (LUCAS DAVID, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Markenschutzgesetz Muster- und Modellgesetz, Basel 1999, Art. 3, N. 8). Gleichartigkeit bedeutet, dass die massgeblichen Abnehmerkreise auf den Gedanken kommen können, die unter Verwendung ähnlicher Marken angebotenen Waren würden angesichts ihrer üblichen Herstellungs- und Vertriebsstätten aus demselben Unternehmen stammen oder doch wenigstens unter Kontrolle eines gemeinsamen Markeninhabers hergestellt (DAVID, a.a.O., Art. 3, N. 35).

2.3 Eine Verwechslungsgefahr besteht, wenn aufgrund der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken Fehlzurechnungen zu befürchten sind, die das besser berechtigte Zeichen in seiner Individualisierungsfunktion beeinträchtigen (BGE 127 III 160 E. 2a Securitas/Securicall). Dabei ist nicht erst von einer Verwechslungsgefahr auszugehen, wenn die angesprochenen Verkehrskreise die Marken nicht mehr auseinander zu halten vermögen ("unmittelbare Verwechslungsgefahr"), sondern schon dann, wenn sie die Zeichen zwar unterscheiden, aber aufgrund ihrer Ähnlichkeit unzutreffende Zusammenhänge vermuten ("mittelbare Verwechslungsgefahr", BGE 128 III 441 E. 3.1 Appenzeller, BGE 122 III 382 E. 1 Kamillosan/Kamillon, Kamillan, je mit weiteren Hinweisen). Die Beurteilung von Art. 3 Abs. 1 MSchG richtet sich nach dem Registereintrag der Marken und nicht nach ihrem tatsächlichen Gebrauch (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer] B-5325/2007 vom 12. November 2007 E. 3 Adwista/ad-vista, mit Hinweisen, B-7475/2006 vom 20. Juni 2007 E. 5 Converse All Star [fig.]/ Army tex [fig.]).

2.4 Neben dem Aufmerksamkeitsgrad, mit dem die Abnehmer Waren oder Dienstleistungen nachfragen, ist auch die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke von Bedeutung, da sie deren Schutzumfang bestimmt (BGE 122 III 382 E. 2a Kamillosan/Kamillan, Kamillon; Urteil des BVGer B-7934/2007 vom 26. August 2009 E. 2.1 Fructa/Fructaid; Gallus Joller, in: Michael Noth/Gregor Bühler/Florent Thouvenin [Hrsg.], Markenschutzgesetz [MschG], Bern 2009, Art. 3 N. 69 ff.; Christoph Willi, in: Markenschutzgesetz, Kommentar zum schweizerischen Markenrecht unter Berücksichtigung des europäischen und internationalen Markenrechts, Zürich 2002, Art. 3 N. 17 ff.). Der geschützte Ähnlichkeitsbereich für schwache Marken ist kleiner als für starke. Bei schwachen Marken genügen daher bereits bescheidenere Abweichungen in der jüngeren Marke, um eine Verwechslungsgefahr auszuschliessen (BGE 122 II 382 E. 2a Kamillosan/Kamillon, Kamillan; Urteile des BVGer B-5440/2008 vom 24. Juli 2009 E. 4 jump [fig.]/ Jumpman, B-1427/2007 vom 28. Februar 2008 E. 6.1 Kremlyovskaya/ Kremlyevka, mit Hinweisen, B-7492/2006 vom 12. Juli 2007 E. 6 Aromata/Aromathera). Stark sind Marken, die entweder aufgrund ihres Fantasiegehalts ursprünglich unterscheidungskräftig sind oder sich im Verkehr durchgesetzt haben (BGE 122 III 382 E. 2a Kamillosan/Kamillon, Kamillan, mit Hinweisen; Urteil des BVGer B-7475/2006 vom 20. Juni 2007 E. 6 und 7 Converse All Star [fig.]/Army tex [fig.]; Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für geistiges Eigentum [RKGE] vom 26. Oktober 2006 E. 7 Red Bull [fig.];Red/Red Devil, veröffentlicht in Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht, sic! 2007 S. 531; Eugen Marbach, in Roland von Büren/Lucas David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. III/1, Markenrecht, 2. Aufl. Basel 2009, N. 979). Als schwach gelten demgegenüber Marken, die sich eng an Sachbegriffe anlehnen oder eine allgemein gebräuchliche Bezeichnung für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen darstellen (Urteile des BVGer B-5440/2008 vom 24. Juli 2009 E. 6.2 jump [fig.]/Jumpman, B-5477/2007 vom 28. Februar 2008 E. 6 Regulat/H2O3 ph/Regulat [fig.], B-8320/2007 vom 13. Juni 2008 E. 5.1.1 iBond/HY-Bond Resiglass, B-7492/2006 vom 12. Juli 2007 E. 6 Aromata/Aromathera; Marbach, a.a.O., N. 981 f.), wobei es genügt, wenn die fragliche Bedeutung nur von einem Teil der massgeblichen Verkehrskreise oder nur in einer schweizerischen Sprachregion verstanden wird (BGE 128 III 451 E. 1.5 Premiere, BGE 127 III 166 f. E. 2b/aa Securitas, BGE 97 I 83 Top Set).

2.5 Zusätzlich wird der Schutzumfang der Widerspruchsmarke durch die Sphäre des Gemeinguts begrenzt. Was markenrechtlich gemeinfrei ist, steht dem Verkehr zur freien Verwendung zu. Gemeingutähnliche Marken können zwar schutzfähig sein, doch erstreckt sich ihr Schutz nicht auf das zum Gemeingut gehörende Element als solches (Urteil B-7506/2006 des BVGer vom 21. März 2007 E. 3 Karomuster (fig.); Entscheid der RKGE vom 11. Mai 1999 E. 2c Compaq/CompactFlash, veröffentlicht in sic! 1999 S. 420; vgl. auch Entscheide der RKGE vom 21. April 2006 E. 11 Sbrinz [fig.]/sbrinz [fig.], veröffentlicht in sic! 2006 S. 484, vom 16. Mai 2000 E. 6 Assura (fig.)/Assurapoint etc., veröffentlicht in sic! 2000 S. 378). Allerdings sind im Gemeingut stehende Markenelemente bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht einfach wegzustreichen, sondern in Anrechnung ihrer für sich genommen geringen oder fehlenden Kennzeichnungskraft dennoch im Gesamteindruck der Marke zu berücksichtigen. Ein Markenelement kann nämlich nicht nur für sich genommen, sondern auch im Zusammenspiel, aufgrund seiner Kombination und Komposition mit anderen Elementen oder durch sinngehaltliche Bezugnahme auf jene zur Kennzeichnungskraft der Marke beitragen (Urteile des BVGer B-516/2008 vom 23. Januar 2009 E. 3 After hours, B-4848/2009 vom 14. April 2010 E. 2.5 f. Trendline, Comfortline). Hinwiederum kann der Schutzumfang einer Marke so eng sein, dass sie nicht einmal gegen ihre identische Verwendung durch einen Dritten zu schützen ist (Urteil des BVGer B-7017/2008 vom 11. Februar 2010 E. 5.1 Plus/Plusplus; Gregor Wild, in: Michael Noth/Gregor Bühler/Florent Thouvenin [Hrsg.], Markenschutzgesetz [MSchG], Bern 2009, Art. 31 N. 10).

2.6 Der Gesamteindruck von Wortmarken wird zunächst durch ihren Klang und ihr Schriftbild bestimmt; gegebenenfalls ist ihr Sinngehalt zu beachten. Das Silbenmass, die Aussprachekadenz und die Aufeinanderfolge der Vokale prägen insbesondere den Klang, während das Schriftbild vor allem durch die Wortlänge und durch die Eigenheiten der verwendeten Buchstaben bestimmt wird (Urteil des BVGer B-7492/ 2006 vom 12. Juli 2007 E. 4 Aromata/Aromathera, mit Hinweisen). Grundsätzlich genügt eine Übereinstimmung zwischen Wortmarken unter einem der drei genannten Gesichtspunkte, Klang, Bild oder Sinn, um die Zeichenähnlichkeit zu bejahen. Ein klar erkennbarer unterschiedlicher Sinngehalt im Widerspruch stehender Marken kann eine festgestellte visuelle oder akustische Ähnlichkeit jedoch wettmachen (Urteil des BVGer B-7460/2006 vom 6. Juli 2007 E. 6 Adia/Adia Jobs, Adia Personal; Entscheid der RKGE vom 10. März 2006 E. 7 Minergie/ Sinnergie, veröffentlicht in sic! 2006 S. 413). Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit von Wortmarken wird, wie auch die Vorinstanz hervorhebt, dem Wortanfang und -ende in der Regel grössere Bedeutung beigemessen als der Wortmitte (BGE 122 III 588 E. 5a Kamillosan/Kamillon, Kamillan; Entscheid der RKGE vom 20. Oktober 2005 E. 6 Mictonorm/Mictosan, veröffentlicht in sic! 2006 S. 90).

3.
Die Widerspruchsmarke wird für "Baumaterialien, nicht aus Metall, insbesondere Ziegelsteine", die angefochtene Marke für "wärmedämmende, tragende Bauelemente (nicht aus Metall)" beansprucht. Diese Waren werden vor allem von Bauunternehmen und professionellen Bauhandwerkern zum baulichen Gebrauch erworben, denn sie lassen sich nur mit handwerklichem Können sachgerecht verwenden. Private pflegen Ziegelsteine bzw. tragende Bauelemente nur ausnahmsweise und in geringer Quantität nachzufragen. Die massgeblichen Verkehrskreise werden daher aus Bauunternehmen und Bauhandwerkern gebildet, die, wie die Vorinstanz zurecht erinnert, den Marken mit fachmännischer Aufmerksamkeit begegnen.

4.
Nach im Beschwerdeverfahren unbestritten gebliebener Ansicht der Vorinstanz besteht zwischen den Marken Warengleichheit, da die von der angefochtenen Marke beanspruchten Waren unter den Oberbegriff der Waren subsumiert werden können, für den die Widerspruchsmarke eingetragen ist. Wie die Vorinstanz zurecht hervorhebt, ist die Frage der Verwechslungsgefahr darum nach einem strengen Massstab zu prüfen (BGE 121 III 381 E. 3e Boss/Boks).

5.
Für die genannten Adressatenkreise erkennbar ist MUROLINO aus dem Stamm MURO- und der Endung -LINO zusammengesetzt. Muro ist das italienische Wort für "Mauer". -ino oder -lino ist eine häufige italienische Diminutivendung (Selezione dal Reader's Digest S.p.A. [Hrsg.], Come parlare e scrivere meglio, Milano 1992, S. 138). Zwar lautet der übliche, "richtige" italienische Diminutiv von "muro" nicht "murolino", sondern "muretto" (GARZANTI LINGUISTICA, Dizionari per Definizione, GIACOMO DEVOTO/GIAN CARLO OLI, Dizionario Devoto Oli, beide als online-Ausgabe). Dennoch folgt "Murolino" der Bauweise von Diminutiven mit der Endung "-ino" ordnungsgemäss und wird es vom italienischsprachigen Publikum ohne Weiteres mit dem Sinngehalt "Mäuerchen" oder "Mäuerlein" verstanden. Für Ziegelsteine und andere nichtmetallene Baumaterialien ist die Widerspruchsmarke darum, wie die Beschwerdegegnerin zurecht geltend macht, kennzeichnungsschwach. Mauern entstehen als unmittelbares Produkt aus dem vorausgesetzten Gebrauch solcher Waren, so dass die Marke deren hauptsächliche Funktion ohne Zuhilfenahme der Fantasie zum Ausdruck bringt. Die Endung -lino hat, wie das Bundesgericht in BGE 112 II 362 E. 2 Escolino/Seccolino festgehalten hat, wegen ihrer Häufigkeit keinen grossen Einfluss auf die Kennzeichnungskraft. Da die Widerspruchsmarke aber eine für muro unübliche Diminutivform verwendet und da die Grösse von Mauern nicht wesentlich von der Grösse oder Niedlichkeit der dafür verwendeten Baumaterialien abhängt, weshalb der Gebrauch als Diminutivform auch nicht naheliegt, ist der Marke dennoch ein geringfügiger Schutzumfang zuzubilligen. Eine gesteigerte Verkehrsgeltung der Widerspruchsmarke wurde nicht geltend gemacht.

6.
6.1 Die zu vergleichenden Zeichen sind Wortmarken. Sie stimmen in ihren ersten und letzten drei Buchstaben überein und unterscheiden sich einzig in der Mittelsilbe "-ol-" der Widerspruchsmarke. Daraus ergibt sich im Wortklang zwischen ihnen ein unterschiedliches Silbenmass und eine leicht abweichende Vokalfolge bei ähnlicher Konsonantenfolge. Die Schriftbilder gleichen sich aufgrund der Übereinstimmung in Zeichenanfang und -ende weitgehend.

6.2 Entscheidend für den vorliegenden Fall aber sind die Regeln der italienischen Diminutivbildung. Die italienische Sprache kennt nicht weniger als elf verschiedene Bau- und Variationsweisen für Diminutive, die dem Stammwort zum Teil eine verniedlichende oder verächtliche Nebenbedeutung hinzufügen, nämlich: (1) -[l]ino, (2) -etto, (3) -ello, (4) -uccio, (5) -icciòlo, (6) -ùcolo, (7) -[u]olo, (8) -otto, (9) -acchiotto, (10) -iciattolo, (11) -icchio (Giuseppe Patota, Italiano Grammatica, Novara 2006, S. 247 f., Maurizio Dardano/Pietro Rifone, La Nuova Grammatica della lingua italiana, Bologna 1997, S. 538 ff.). Die Bauweisen können überdies zum Teil miteinander zu Doppeldiminutiven kombiniert werden ("tavolinetto", "cagnolino"). Von dieser Auswahl verwenden beide Marken dieselbe nicht-reguläre Diminutivform -ino. Für diese ist typisch, dass sie nicht direkt an alle Substantive, sondern manchmal an ein Zwischenelement angehängt wird, das zum Beispiel "-ol-" lautet (topo ? top-ol-ino, vgl. PATOTA, a.a.O., S. 248). Eine Regel, wann die Endung -ino direkt oder mit Zwischenelement angehängt wird, scheint es nicht zu geben (http://it.wikipedia.org/wiki/Diminutivo#Diminutivo, besucht am 7. September 2010), so dass beide vorliegend zu vergleichenden Wortmarken, Mur-ino und Mur-ol-ino, nach derselben Diminutivbildungsweise korrekt gebildete (wenn auch ungebräuchliche) Diminutive desselben Stammworts "muro" darstellen und mit diesem Sinn verstanden werden.

6.3 Angesichts der eindrücklichen Auswahl an nicht-gängigen italienischen Diminutivformen wie muruccio, murolo oder muracchiotto usw. und der einen strengen Beurteilungsmassstab erheischenden Warenidentität ist die Widerspruchsmarke sogar in Anbetracht ihres erheblich eingeschränkten Schutzumfangs vor einer derart unmittelbaren Nachahmung ihrer ungewöhnlichen Diminutivbildung in Schutz zu nehmen. Da der Beschwerdeführerin etliche sprachlich adäquate Alternativen für denselben Sinngehalt zur Verfügung stünden, ist nicht einzusehen, warum sie die von der Beschwerdegegnerin verwendete, als solche unübliche und insoweit kennzeichnungskräftige Wortbildungsweise unmittelbar nachmachen darf. Der grammatikalischen sowie wortarchitektonischen Nähe der zu vergleichenden Wortmarken zufolge, im Zusammenspiel mit ihren Ähnlichkeiten in Klang und Schriftbild, ist damit das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zwischen ihnen zu bejahen.

7.
Die Beschwerde erweist sich demzufolge als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig. Die Beschwerdegegnerin hat Anspruch auf eine angemessene Parteientschädigung (Art. 63 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 1 VwVG).

7.1 Die Gerichtsgebühr ist nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien festzulegen (Art. 63 Abs. 4bis VwVG, Art. 2 Abs. 1
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 2 Bemessung der Gerichtsgebühr
1    Die Gerichtsgebühr bemisst sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien. Vorbehalten bleiben spezialgesetzliche Kostenregelungen.
2    Das Gericht kann bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge nach den Artikeln 3 und 4 hinausgehen, wenn besondere Gründe, namentlich mutwillige Prozessführung oder ausserordentlicher Aufwand, es rechtfertigen.2
3    Bei wenig aufwändigen Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen, Ausstand, Wiederherstellung der Frist, Revision oder Erläuterung sowie bei Beschwerden gegen Zwischenentscheide kann die Gerichtsgebühr herabgesetzt werden. Der Mindestbetrag nach Artikel 3 oder 4 darf nicht unterschritten werden.
des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist dafür ein Streitwert zu veranschlagen (Art. 4
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
VGKE), wobei bei eher unbedeutenden Zeichen ein Streitwert zwischen Fr. 50'000.- und Fr. 100'000.- angenommen werden darf (BGE 133 III 492 E. 3.3 Turbinenfuss [3D], mit Hinweisen). Von diesem Erfahrungswert ist auch im vorliegenden Verfahren auszugehen. Es sprechen keine konkreten Anhaltspunkte für einen höheren oder niedrigeren Wert der strittigen Marke.

7.2 Die Parteientschädigung umfasst die Kosten der Vertretung sowie allfällige weitere notwendige Auslagen der Partei (Art. 8
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 8 Parteientschädigung
1    Die Parteientschädigung umfasst die Kosten der Vertretung sowie allfällige weitere Auslagen der Partei.
2    Unnötiger Aufwand wird nicht entschädigt.
VGKE). Wurde, wie im vorliegenden Fall, keine Kostennote eingereicht, setzt das Gericht die Entschädigung auf Grund der Akten fest (Art. 14 Abs. 2
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 14 Festsetzung der Parteientschädigung
1    Die Parteien, die Anspruch auf Parteientschädigung erheben, und die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen haben dem Gericht vor dem Entscheid eine detaillierte Kostennote einzureichen.
2    Das Gericht setzt die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen auf Grund der Kostennote fest. Wird keine Kostennote eingereicht, so setzt das Gericht die Entschädigung auf Grund der Akten fest.
VGKE). In Anbetracht der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin im einfachen Schriftenwechsel erscheint eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.- (inkl. MWST) angemessen.

7.3 Gegen dieses Urteil steht keine Beschwerde an das Bundesgericht zur Verfügung (Art. 73
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 14 Festsetzung der Parteientschädigung
1    Die Parteien, die Anspruch auf Parteientschädigung erheben, und die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen haben dem Gericht vor dem Entscheid eine detaillierte Kostennote einzureichen.
2    Das Gericht setzt die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen auf Grund der Kostennote fest. Wird keine Kostennote eingereicht, so setzt das Gericht die Entschädigung auf Grund der Akten fest.
des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG; SR 173.110]). Es ist deshalb rechtskräftig.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen und die angefochtene Verfügung wird bestätigt.

2.
Die Kosten des vorliegenden Verfahrens von Fr. 4'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 4'000.- verrechnet.

3.
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.- (inkl. MWST) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Einschreiben; Beilage: Beschwerdebeilagen zurück)
die Beschwerdegegnerin (Einschreiben)
die Vorinstanz (Ref.-Nr. MA-Wi RH/09389; Einschreiben; Beilage: Vernehmlassungsbeilagen zurück)

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

David Aschmann Beatrice Brügger

Versand: 28. September 2010
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : B-7346/2009
Datum : 27. September 2010
Publiziert : 05. Oktober 2010
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Marken-, Design- und Sortenschutz
Gegenstand : Verfügung vom 20. Oktober 2009 betreffend Widerspruch Nr. 9389 Murolino/Murino


Gesetzesregister
BGG: 73
MSchG: 3  31
VGG: 31  32  33  40
VGKE: 2 
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 2 Bemessung der Gerichtsgebühr
1    Die Gerichtsgebühr bemisst sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien. Vorbehalten bleiben spezialgesetzliche Kostenregelungen.
2    Das Gericht kann bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge nach den Artikeln 3 und 4 hinausgehen, wenn besondere Gründe, namentlich mutwillige Prozessführung oder ausserordentlicher Aufwand, es rechtfertigen.2
3    Bei wenig aufwändigen Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen, Ausstand, Wiederherstellung der Frist, Revision oder Erläuterung sowie bei Beschwerden gegen Zwischenentscheide kann die Gerichtsgebühr herabgesetzt werden. Der Mindestbetrag nach Artikel 3 oder 4 darf nicht unterschritten werden.
4 
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
8 
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 8 Parteientschädigung
1    Die Parteientschädigung umfasst die Kosten der Vertretung sowie allfällige weitere Auslagen der Partei.
2    Unnötiger Aufwand wird nicht entschädigt.
14
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 14 Festsetzung der Parteientschädigung
1    Die Parteien, die Anspruch auf Parteientschädigung erheben, und die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen haben dem Gericht vor dem Entscheid eine detaillierte Kostennote einzureichen.
2    Das Gericht setzt die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen auf Grund der Kostennote fest. Wird keine Kostennote eingereicht, so setzt das Gericht die Entschädigung auf Grund der Akten fest.
VwVG: 48  50  63  64
BGE Register
112-II-362 • 121-III-377 • 122-II-382 • 122-III-382 • 122-III-495 • 127-III-160 • 128-III-441 • 128-III-447 • 133-III-490 • 97-I-81
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
ausgabe • ausmass der baute • begründung des entscheids • beilage • benutzung • beweismittel • buchstabe • bundesgericht • bundesgesetz über das bundesgericht • bundesgesetz über das bundesverwaltungsgericht • bundesgesetz über das verwaltungsverfahren • bundesgesetz über den schutz von marken und herkunftsangaben • bundesverwaltungsgericht • charakter • eidgenössisches institut für geistiges eigentum • eintragung • entscheid • errichtung eines dinglichen rechts • frage • funktion • gericht • gesamteindruck • gesetzliche frist • innerhalb • kennzeichnungskraft • kosten • kostenvorschuss • markenregister • markenschutz • mass • minergie • monat • postfach • rechtsanwalt • rekurskommission für geistiges eigentum • replik • richterliche behörde • richtigkeit • sachverhalt • schriftenwechsel • schweizerisches handelsamtsblatt • sprache • sprachgebrauch • stelle • streitwert • umfang • vermutung • verwechslungsgefahr • vorinstanz • ware • wert • wortmarke
BVGer
B-1427/2007 • B-4848/2009 • B-516/2008 • B-5325/2007 • B-5440/2008 • B-5477/2007 • B-7017/2008 • B-7346/2009 • B-7460/2006 • B-7475/2006 • B-7492/2006 • B-7506/2006 • B-7934/2007 • B-8320/2007
sic!
1999 S.420 • 2000 S.378 • 2006 S.413 • 2006 S.484 • 2006 S.90 • 2007 S.531